Gemeinsam Verantwortung tragen

Bremen

Gemeinsam Verantwortung tragen

Freitag, 29.03.2019 - 19:30

Bremervörde: Prof. Dr. Stratenschulte von der Deutschen Nationalstiftung wirbt beim GSP-Jahresessen der GSP Sektion Elbe-Weser am 26.03.2019 für ein starkes Europa.

Von Tatjana Behrens in der BRV-Zeitung

Mit dem EU-Experten Prof. Dr. Eckart Stratenschulte (links) konnte der Vorsitzende der GPS – Sektion Elbe- Weser, Werner Hinrichs, einen hochkarätigen Referenten nach Bremervörde holen. - Foto: Behrens


BREMERVÖRDE. In einer Zeit, in der der Zusammenhalt der Europäischen Union durch den gewollten Ausstieg Großbritanniens bedroht ist, hat die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), Sektion Elbe-Weser, am Dienstag beim Jahresessen im Oste-Hotel in Bremervörde mit einem hochkarätigen Referenten gepunktet. Sektionsleiter Werner Hinrichs begrüßte den geschäftsführenden Vorstand der Deutschen Nationalstiftung und Ex-Leiter der Europäischen Akademie Berlin, Prof. Dr. Eckart D. Stratenschulte. Dieser sprach zum Thema „Neustart oder Fehlstart? Die EU vor Europawahlen und Umstrukturierung“.

Der EU-Experte und Verfechter eines gemeinsamen Europas warb in seinem rund einstündigen Vortrag für die „Idee Europa“ und malte mit vielen Fakten, Geschichten und Hinweisen ein umfangreiches und anschauliches Bild des heutigen Europas mit seinen Herausforderungen und Chancen für die Zukunft.

„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es in Europa jede Menge Krisen gibt“, machte Stratenschulte gleich zu Beginn seines Vortrages eindringlich klar. „Wir haben Krieg im Osten der Ukraine, bei dem täglich Menschen sterben. Hier werden zum ersten Mal seit Bestehen der EU Grenzen infrage gestellt.“ Hinzu kämen auch noch die schwierigen Regierungsverhältnisse in einigen östlichen EU-Staaten wie zum Beispiel in Polen, Ungarn und Rumänien. „Nur weil diese Staaten zur EU gehören heißt es nicht, dass es dort alles ruhig und geordnet zugeht wie in Deutschland“, so der Politikwissenschaftler. „Krise und Europa gehören zusammen.“

Man könne die EU auch als „multimorbid“ bezeichnen. Also an vielen Stellen kränkelnd. Alle diese Krisen hätten laut Stratenschulte eine gemeinsame Ursache: „Den erlahmenden Willen, die Dinge gemeinsam zu regeln“. Dabei sei heute schon klar, dass nur gemeinsam gegen die globalen Gefahren bestanden werden könne. „Das ist eine Lehre, die auch Großbritannien noch lernen wird.“ Die drei existenziellen Punkte für eine sichere Zukunft seien „Sicherheit, Souveränität und Solidarität“. Diese seien aber nur zu gewährleisten, wenn gemeinsam dafür gekämpft werde. In den „Zukunftsgipfel“ der EUStaats- und Regierungschefs am 9. Mai, legt Stratenschulte keine großen Hoffnungen: „Die fünf möglichen Szenarien, die im „Weißbuch EU 2017“ beschrieben sind, sind nicht wirklich tauglich. Wir sind ein ,Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten‘.“ Das müsse akzeptiert werden. Wichtig sei für ihn nicht die Geschwindigkeit, in der etwas umgesetzt werde in den einzelnen Ländern, sondern dass letztlich alle gemeinsam am Ziel ankämen.

Verhalten der Bundesrepublik innerhalb der EU-Kompetenzen: „Wir sind das größte und wirtschaftlich stärkste EU-Land und wollen und müssen Verantwortung übernehmen. Das bedeutet aber eben auch, sich tatsächlich zu kümmern und zwar auf der richtigen Ebene, und sich nicht immer dann heraus zu ziehen, wenn ein Thema unbequem oder zeitlich unpassend aufkommt.“ Diskussionen seien wichtig. Noch wichtiger seien allerdings Entscheidungen. Und die müssten eben gemeinsam getroffen werden. In einer Welt, in der die Organisierte Kriminalität, die „Dritte- Welt-Problematik“ mit ihren Flüchtlingsströmen, das Weltklima und die Sicherheit ein globales Thema seien, könne eine Nation alleine weder bestehen noch tatsächlich etwas erreichen: „Ohne die EU haben wir hier keine Einflussmöglichkeiten mehr. Entweder, wir schaffen es zusammen, oder wir lesen zukünftig in den Zeitungen, was die Wirtschaftsmächte USA und China für uns bestimmen.“

„Eine nationale Souveränität gibt es nicht mehr“, weiß Stratenschulte und wirbt für den Wahlgang zur Europawahl am 26. Mai. „Wenn die ,Titanic namens EU‘ untergeht, nützt es uns nichts, in der ersten Reihe zu sitzen.“ Den Fehlstart hätte die EU hinter sich. Jetzt sei ein beherzter Neustart von Nöten. Deutschland müsse sich mehr einbringen und sich weniger mit sich selbst beschäftigen. Eine Wahlbeteiligung von 60 Prozent wäre für Stratenschulte wünschenswert. „Wir müssen diese Entscheidungen für unsere Kinder und Enkelkinder treffen. Ihnen sind wir es schuldig, dass auch sie in einem sicheren und stabilen Umfeld leben dürfen“, so lautete sein Schlussappell an die Zuhörer.