Bremervörde. In Deutschland würden Politik und auch Justiz die Augen verschließen vor den Machenschaften der italienischen Mafia. Diese These stellte Petra Reski am Donnerstag im voll besetzten Veranstaltungsraum der EWE in Bremervörde auf. Die Journalistin und Schriftstellerin sprach auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), Sektion Elbe-Weser, über die von der Mafia organisierte Kriminalität in Deutschland.
Mit Petra Reski konnte Sektionsleiter Werner Hinrichs eine ausgesprochene Expertin zu dem Thema begrüßen. In Zeitungsbeiträgen sowie in Sachbüchern und Romanen befasst sich die Wahl- Italienerin seit Jahren mit der Mafia und beschreibt auch das Wirken der Organisation in Deutschland. Im Gefolge der so genannten Gastarbeiter in den 1960er Jahren habe sich die Mafia in Deutschland ausgebreitet. Einen Aufschwung erlebte sie nach dem Fall der Mauer vor allem in ostdeutschen Städten wie Erfurt, Leipzig und Dresden. In Deutschland sei vor allem die kalabrische Mafia stark vertreten. Für ihre kriminellen Geschäfte, vor allem Geldwäsche, nutze die Organisation in erster Linie Gesetzeslücken aus. Der Gewinn aus Rauschgiftgeschäften wandere in Immobilienkäufe oder beispielsweise auch in Investitionen in die Windenergie. In Deutschland stehe vor allem die Politik dieser Entwicklung nahezu tatenlos gegenüber. „Ich habe mir den Mund fusselig geredet, aber es geschieht ja nichts“, beklagte die Journalistin. Nach wie vor sei, im Gegensatz zu Italien, die Mafiazugehörigkeit nicht strafbar. Reski: „Wenn sie endlich bestraft werden könnte, wäre das für Deutschland ein Fortschritt.“ Die Abhörung verdächtiger Personen sei in Deutschland aufgrund politischer Bedenken quasi unmöglich, in Italien hingegen eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen die Mafia. Die Journalistin: „In Italien wird über die Angst der Deutschen vorm ,großen Lauschangriff‘ gelacht“. Der Polizei mache sie keine Vorwürfe, es fehlten die notwendigen Gesetze und die Unterstützung der Politik.
Dass die deutschen Behörden dazu übergingen, wie gerade in jüngerer Vergangenheit geschehen, bei einem groben Missverhältnis zwischen Einkommen und Lebensstil Ermittlungen einzuleiten, sei ein wichtiger, aber auch nur kleiner erster Schritt. „In Deutschland wird zu Unrecht so getan, als wäre die Beweislastumkehr schon das ,goldene Kalb‘“, so Reski. Die Mafia habe ein subtiles Gespür für die Schwächen einer Gesellschaft und nutze sie konsequent aus: „Sie ist uns immer ein Stück voraus“. Neben einer unzureichenden Gesetzgebung erleichterten ihnen inkonsequente Politiker („Die nehmen das Wort Mafia gar nicht mehr in den Mund“) die Arbeit. Vor allem nach den Anschlägen in New York 2001 sei der Kampf gegen die organisierte Kriminalität stark zu Gunsten der Abwehr des islamistischen Terrors zurückgegangen: „Damit begann praktisch der Niedergang.“ Anders die Situation in Italien: Vor allem seit den Morden an zwei Staatsanwälten 1992 gehe man dort mit „härteren Bandagen“ (Reski) gegen die Mafia vor. Die beiden Attentate seien ein Wendepunkt in der Bekämpfung der Organisation gewesen. In dieser Beziehung könne Deutschland von Italien nur lernen. Sie selbst habe sich schon früh, inspiriert von dem Film „Der Pate“, für Italien und die Mafia interessiert und schon als junge Frau den Ort Corleone besucht. Um festzustellen, dass ihre Vorstellungen nicht mit der Realität übereinstimmten. 1989 verfasste Petra Reski ihre erste Reportage über die Mafia mit dem Titel „Frühling von Palermo“, sprach dafür mit Mafiosi, deren Frauen und abtrünnigen Mitgliedern der Organisation. Sie schilderte darin die Aufbruchstimmung im Kampf gegen die Mafia in Italien: „Man hatte das Gefühl, es passiert endlich was.“
Ihre Recherchen über die Mafia in Deutschland veröffentlichte sie 2008 erstmals in dem Buch „Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“. Sie sei daraufhin in das Visier der Organisation geraten, gegen Aussagen in ihrem Buch sei auf Unterlassung geklagt worden. Sogar im Erfurter Gericht habe man ihr zu erkennen gegeben, dass ihre Recherchen nicht gewünscht seien. Der Satz „Ich bewundere Ihren Mut“, der gefallen sei, sei eine unverhohlene Warnung gewesen. Das habe ihr zwar zu denken gegeben, doch letztendlich nur motiviert, weiter an dem Thema Mafia zu arbeiten und darüber zu schreiben. „Das möchte ich ihnen nicht durchgehen lassen“, beendete sie ihren Vortrag. Gestern Vormittag sprach die Journalistin zum gleichen Thema vor Schülern der Berufsbildenden Schulen (BBS) in Bremervörde.