Organisierte Kriminalität in Deutschland - aktuelle Entwicklungen - Die italienische Mafia treibt ihr Unwesen

Elbe-Weser

Organisierte Kriminalität in Deutschland - aktuelle Entwicklungen - Die italienische Mafia treibt ihr Unwesen

Donnerstag, 24.01.2019 - 19:00

Die Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski sieht das Vorgehen gegen die Mafia sehr kritisch.

Von Ulrich Evers im Bremervörder Anzeiger.

Bremervörde. Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik eröffnete ihre jährliche Vortragsreihe mit der Journalistin und Autorin Petra Reski. In Kooperation mit der VHS Zeven und der Buchhandlung Morgenstern hatte man sie für einen Vortrag im EWE-Center gewinnen können. Ihr Thema war brisant: Die in Venedig lebende Schriftstellerin sprach über die Mafia in Deutschland und vor allem auch darüber, warum sie hier so leicht agieren kann.

1989 kam sie erstmals als Journalistin nach Italien, um über die Machenschaften der Mafia zu berichten. „Damals, im sogenannten Frühling von Palermo, herrschte in Italien so etwas wie Aufbruchsstimmung“, begann sie ihren Vortrag und berichtete über die Hoffnung, die Mafia wirklich bekämpfen zu können. Doch die Hoffnungsträger dieses Kampfes in Justiz und Politik fielen nur wenige Jahre später Attentaten der organisierten Kriminalität zum Opfer. „Die wurden von der Mafia ausgeführt. Aber die Auftraggeber waren andere. Das war ein Wendepunkt in Italien und ist bis heute nicht gesellschaftlich oder politisch verarbeitet worden“, so Petra Reski. In der damaligen Zeit schon sei es ihr gelungen, vielfältige Kontakte zu knüpfen. Sie führte viele Interviews mit abtrünnigen Mafia- Angehörigen und deren Frauen und geriet damit auch erstmals selber ins Visier des organisierten Verbrechens. „1992 erfuhr ich von einer deutschen Spur, denn die Todesdrohungen gegen die Mafiabekämpfer kamen aus Wuppertal“. Das Bundeskriminalamt ermittelte gegen einen Mörder aus dem Rheintal. Damals schon äußerte sich der BKA-Chef sehr zweifelnd über die deutsche Entschlusskraft, die Mafia zu bekämpfen. Petra Reski schrieb in den Folgejahren in allen Facetten über die Mafia. „Bis ich auf die Idee kam, über die Mafia in Deutschland zu schreiben.“ Inzwischen wurden selbst Verbindungen zwischen der Mafia und der Politik laut eines BKA-Berichtes aufgedeckt. „In Deutschland dachte man immer, so etwas gibt es hier nicht.“

Sehr schnell habe sie aber zu spüren bekommen, wie es ist, wenn man die Geschäfte der Mafia stört. Nach einer weiteren Buchveröffentlichung wurde sie massiv bedroht. Bei einer Lesung in Erfurt schickte man ihr gar eine Gerichtsvollzieherin auf den Hals, die mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Autorin vorging. Es folgten diverse Klagen gegen das Buch und vor Gericht subtile Drohungen – sogar während der laufenden Verhandlung. „Ich dachte immer, dass so etwas in Deutschland nicht möglich sei“, so Reski nüchtern. Doch sie wurde eines Besseren belehrt. So durfte ihr 2008 erschienenes Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priester“ auf Geheiß deutscher Gerichte nur mit geschwärzten Seiten auf den Markt kommen. „Das alles hat mir zu denken gegeben und dazu geführt, dass ich der Sache nicht weiter nachgegangen bin.“ Seitdem hat Petra Reski drei Romane geschrieben.

Ein italienischer Staatsanwalt äußerte sich in diesem Zusammenhang dahin gehend, dass Deutschland mit seiner laschen Gesetzeslage und Justiz förmlich Einladungsschreiben an die Mafia geschickt habe. Kam das organisierte Verbrechen in den 60er Jahren infolge der damaligen italienischen Gastarbeiter nach Deutschland, so machte sie sich nach der Maueröffnung auch schnell im Osten breit. Mit dem massenhaften Aufkauf von Immobilien wurden und werden nach wie vor Gelder aus dem Kokainhandel in Milliardenhöhe gewaschen, und der politische Einfluss des organisierten Verbrechens wächst weiter. In Deutschland seien laut der Journalistin mehr als 100 Milliarden Euro gewaschen worden. Damit stehe das Land im internationalen Vergleich noch weit schlechter da, als Panama. Enorme bürokratische Prozeduren machen ein Abhören der Mafiaangehörigen heute kaum mehr möglich, und auch die Medien trauen sich nicht an das Thema heran. „Man kann jeden Journalisten heute in Grund und Boden klagen.“ Wenn es heute mal in den Medien heiße, dass der Polizei ein Schlag gegen die Mafia gelungen sei, dann sei das nach Worte Petra Reskis ziemlich naiv. „In Deutschland schläft die Mafia nicht. Die Einzigen, die schlafen, sind die Deutschen.“ Wenn es zu Verhaftungen von Mitgliedern des organisierten Verbrechens käme, dann bisher Haftbefehle, nie aber aufgrund rein deutscher. Heute bestehe die Königsdisziplin der Mafia vor allem darin, öffentliche Gelder in die eigenen Taschen umzuleiten. Sie sitzen bis hinein in die Banken und üben politische Einflussnahme aus. „Wünschenswert wäre dagegen eine europäische Gesetzgebung. Allein die Zugehörigkeit zur Mafia zu einem Delikt zu erklären, wäre schon ein großer Fortschritt.“ Große Hoffnungen auf eine wirkliche und nachhaltige Bekämpfung der Strukturen des organisierten Verbrechens in Deutschland konnte die Journalistin ihren Zuhörern nicht machen.