Alte Freundschaft neu belebt – adieu Elysée-Vertrag

Alte Freundschaft neu belebt – adieu Elysée-Vertrag

Von Peter E. Uhde

In Aachen haben die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am 22. Januar 2019 einen neuen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Frankreich und Deutschland wollen das schwankende Schiff Europa wieder in ruhiges Fahrwasser lenken und dabei eine führende Rolle einnehmen. „Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenarbeit in der Europapolitik“, beginnt der Artikel 1. Ohne auf den umfangreichen Inhalt einzugehen, hier nur der Blick auf die sicherheitspolitisch bezogenen Aussagen. Die vertragsschließenden Parteien wollen sich für eine wirksame Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen und ihre Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Außenpolitik und der Verteidigung vertiefen. Im Artikel 4 (3) wird darauf näher eingegangen. Die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften, auch bei Einsätzen, soll verstärkt werden. Die Erarbeitung gemeinsamer Verteidigungsprogramme, mit Ausweitung auf Partner, wird angestrebt. Auf einen in den letzten Jahren immer wieder auftretender Gegensatz in Rüstungsfragen wird folgendermaßen eingegangen: „Sie unterstützen die engst mögliche Zusammenarbeit zwischen ihren Verteidigungsindustrien auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens. Über unterschiedliche Ansichten bei Exporten in andere Länder wird nichts gesagt. Um die beider- seitigen Verpflichtungen einzuhalten wird ein Deutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat als politisches Steuerungsorgan eingerichtet. Mit diesem zukunftweisenden Vertragswerk soll nicht vergessen werden, wie vor 56 Jahren die Grundlage für die deutsch-französische Aussöhnung eingeleitet wurde.

In Aachen haben die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am 22. Januar 2019 einen neuen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Frankreich und Deutschland wollen das schwankende Schiff Europa wieder in ruhiges Fahrwasser lenken und dabei eine führende Rolle einnehmen. „Beide Staaten vertiefen ihre Zusammenarbeit in der Europapolitik“, beginnt der Artikel 1. Ohne auf den umfangreichen Inhalt einzugehen, hier nur der Blick auf die sicherheitspolitisch bezogenen Aussagen. Die vertragsschließenden Parteien wollen sich für eine wirksame Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen und ihre Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Außenpolitik und der Verteidigung vertiefen. Im Artikel 4 (3) wird darauf näher eingegangen. Die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften, auch bei Einsätzen, soll verstärkt werden. Die Erarbeitung gemeinsamer Verteidigungsprogramme, mit Ausweitung auf Partner, wird angestrebt. Auf einen in den letzten Jahren immer wieder auftretender Gegensatz in Rüstungsfragen wird folgendermaßen eingegangen: „Sie unterstützen die engst mögliche Zusammenarbeit zwischen ihren Verteidigungsindustrien auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens. Über unterschiedliche Ansichten bei Exporten in andere Länder wird nichts gesagt. Um die beider- seitigen Verpflichtungen einzuhalten wird ein Deutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat als politisches Steuerungsorgan eingerichtet. Mit diesem zukunftweisenden Vertragswerk soll nicht vergessen werden, wie vor 56 Jahren die Grundlage für die deutsch-französische Aussöhnung eingeleitet wurde.

Ein weitsichtiger und -reichender Entschluss

Im Salon Murat des Präsidentenpalastes in Paris setzten am 22. Januar 1963 der Präsident der Französischen Republik General Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer ihre Unterschriften unter einen Vertrag. In Deutschland wurde er schnell als Freundschaftsvertrag, in Frankreich als traité de l´Elysée bezeichnet. Beide Staatsmänner konnten nicht ahnen, dass sie damit für ihre Völker und Europa einen Meilenstein in der Geschichte der einstmals als Erbfeinde bezeichneten Nationen setzten, denn die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich waren historisch stark belastet. In den vergangenen zweihundert Jahren wurden fünf Kriege gegeneinander geführt. Der Zweite Weltkrieg und die Erinnerungen der Franzosen an die Besatzungszeit, die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, der schnelle wirtschaftliche Aufschwung und auch der Konflikt um das Saarland, trugen nicht zu einem besonders herzlichen Verhältnis bei.

Das neue Europa fing bescheiden an

Am 9. Mai 1950, fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, erklärte der französische Außenminister Robert Schumann: „Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass der jahrhundertealte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird. Das begonnene Werk muss in erster Linie Deutschland und Frankreich erfassen“. Der so genannte Schumann-Plan war dann die Grundlage der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“
Im September 1958 besuchte Konrad Adenauer den französischen Ministerpräsidenten in seinem privaten Landhaus im lothringischen Colombey-les-deux Églises. Am 21. Dezember wurde de Gaulle zum Staatspräsidenten der V. Republik gewählt. Zwei schwere politische Krisen, der Bau der Mauer 1961 durch das geteilte Berlin und die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba 1962, machten deutlich, dass Deutschland und Europa nur gemeinsam gegen Moskau auftreten konnten. Während der Berlin-Krise waren de Gaulle und Adenauer in ständigem Kontakt.

Der Staatspräsident in Uniform

Vom 2. bis 8. Juli 1962 besuchte Bundeskanzler Adenauer Frankreich und de Gaulles Gegenbesuch fand vom 4. bis 9. September statt. Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Hamburg München, Ludwigsburg/Baden-Württemberg und Stuttgart waren Stationen dieser Reise. In Hamburg war de Gaulle Gast der Führungsakademie der Bundeswehr. Für seinen Auftritt hatte er die Uniform angezogen und rief den Zuhörern zu: “War es doch ihr Carl Zuckmayer, der schrieb: `War es gestern unsere Pflicht, Feinde zu sein, ist es heute unser Recht, Brüder zu werden`.“ Ludwigsburg und Montbéliard/Region Franche-Comté hatten 1950 die erste Städtepartnerschaft. Beide Staatsbesuchen waren Erfolge, der von de Gaulle glich einem Triumphzug. Seine Ansprachen hielt er auf deutsch.

Die nüchterne Sprache der Diplomaten

Der Vertrag gliedert sich in drei Teile: Organisation, Programm und Schlussbestimmungen. Die Regierungen verpflichteten sich zu regelmäßigen Konsultationen über Außen-, Wirtschafts-, Verteidigungs- und Kulturpolitik.
Es dauerte aber auch nicht lange, da machten sich zwischen den Forderungen und den Möglichkeiten der Vertragserfüllung, sowohl außen- und sicherheitspolitisch, Fragen und Meinungsverschiedenheiten im Regierungslager als auch in der Opposition bemerkbar. Die Spaltung der deutschen Politik in „Atlantiker“ und „Gaullisten“, hier stand der Kanzler an der Spitze, trat deutlich in Erscheinung. Bei der Ratifizierung des Vertrages durch den Deutschen Bundestag wurde ihm eine Präambel vorangestellt. In ihr wird die Aufrechterhaltung der bestehenden Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika, zu Großbritannien und zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betont. Für de Gaulle war das fast wie eine politische Niederlage. Für ihn war die „unilaterale Präambel“ vor einem bilateralen Vertrag „die seinen ganzen Sinn änderte“ nicht akzeptabel. Völkerrechtlich war der Zusatz zwar bedeutungslos, hinterließ aber psychologisch Spuren. sFür Bundeskanzler Adenauer war die Aussöhnung mit Frankreich die letzte entscheidende politische Leistung. Nach vierzehn Kanzlerjahren trat er am 15. Oktober 1963 zurück. Charles de Gaulle blieb bis zum 28. April 1969 Staatspräsident.

Eine Erfolgsgeschichte muss fortgeschrieben werden

Nach 56 Jahren bleibt festzustellen, dass der Vertrag von keinem deutschen oder französischen Politiker ernsthaft in Zweifel gezogen wurde. Aber auch die Bevölkerung beiderseits des Rheins hat die Versöhnung und Freundschaft, zu der im Januar 1963 der Grundstein gelegt wurde, angenommen und praktiziert sie. Deutsche und Franzosen empfinden sich als Nachbarn, als Freunde, wenn es auch immer wieder einmal in den Beziehungen knirscht. Festzustellen ist, dass Charles de Gaulle Weitsicht bewies, als er erklärte: „Wir schließen kein Kapitel, sondern wir öffnen eine Tür“. In der Hauptresidenz Karls des Großen sprach Macron vom “Schutzschild unserer Völker gegen die neuen Stürme der Welt“. Das Sturmtief BREXIT, das über den Ärmelkanal auf die Europäische Union zu kommt, kann eine erste Bewährungsprobe des neuen Abkommens sein.

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