Blockierte Sieger- geteiltes Berlin. 75 Jahren Luftbrücke

Blockierte Sieger- geteiltes Berlin. 75 Jahren Luftbrücke

Die sowjetische Blockade gegen die Westsektoren Berlins begann in der Nacht zum 24. Juni 1948. Es war der erste massive Versuch der kommunistischen Machthaber aus Moskau den Westen zu spalten, die demokratische Entwicklung in der Westzone zu torpedieren und die Bildung der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern. Ein Blick auf die Ausgangslage, die Blockade und ihr Ende.

Berlin wird nach Kriegsende im Mai 1945 durch die Siegermächte in vier Sektoren aufgeteilt, den amerikanischen, den britischen, den französischen und den sowjetischen. Die Grenze zum Ostsektor verläuft mitten durch die einstige Hauptstadt. Wie eine Insel ist Berlin von den Sowjets eingeschlossen.  Die Gesamtverwaltung der Stadt soll von der Alliierten Kommandantur wahrgenommen werden. Der Vorsitz wechselt im monatlichen Turnus zwischen den vier Besatzungsmächten. Ihre Beschlüsse müssen einstimmig gefasst werden. Bei der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August, beschließen die Siegermächte u.a. die Verwaltung Deutschlands föderalistisch aufzubauen.

Ab 1947 beginnen verschiedene Schikanen und Störungen

Am 20. Oktober 1946 fanden in Berlin Wahlen zum Stadtparlament statt. 92,3 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen sich daran. 48,7 Prozent wählen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Am 24. Juni 1947 wird Ernst Reuter (SPD) Oberbürgermeister, seine Wahl aber schon am nächsten Tag von den Sowjets nicht anerkannt. Die Auseinandersetzungen zwischen den Sowjets und den Alliierten werden immer heftiger. In den nächsten Wochen folgen Schikanen und Störungen der Verkehrsverbindungen zwischen Westdeutschland und West-Berlin. Mit einer „Kleinen Luftbrücke“ versorgen die Amerikaner schon vom 2. bis 4. April 1948 ihre rund 25.000 in West-Berlin lebenden Zivil- und Armeeangehörigen.

Am 5. April kommt es beim Anflug eines britischen Transportflugzeuges auf den Flugplatz Gatow zum Zusammenstoß mit einem sowjetischen Jagdflugzeug. Die 14 Insassen des Transporters und der sowjetische Pilot finden den Tod. Die Sowjets machen die Briten für den Unfall verantwortlich zu.

Die Berlin-Blockade beginnt mit Sperrung der Zugänge zu West-Berlin

Am 16. Juni 1948 findet die letzte gemeinsame Sitzung der Alliierten Kommandantur statt. Am 18. Juni geben die Westmächte die Währungsreform für ihre Besatzungszonen bekannt, West-Berlin wird aber ausgenommen. Marschall Wassili Sokolowski, Chef der sowjetischen Militäradministration in Deutschland, erklärt am nächsten Tag, dass Groß-Berlin ein Teil der sowjetischen Besatzungszone sei und verbietet die Einführung der neuen Währung.

Am 23. Juni wird der gesamte Güter- und Personenverkehr auf der Eisenbahnstrecke Helmstedt-Berlin wegen „technischer Schwierigkeiten“ eingestellt. Ebenso werden die Landverbindung und die Wasserstraßen gesperrt. Die Nacht des 24. Juni ist der offizielle Beginn der Berlin-Blockade.

Die „Operation Vittles“ und „Plainfare“ laufen an

Die verbalen Proteste der Alliierten gegen die Sperrung der Zufahrtswege über Land nutzen nichts. Jetzt sind die „Schutzmächte“ gefragt und sie reagieren schnell. Der amerikanische Militärgouverneur General Lucius D. Clay befiehlt am 25. Juni, nach Entscheidung durch den Präsidenten Harry S. Truman, den Aufbau einer Luftbrücke nach Berlin. Die Amerikaner nennen sie „Operation Vittles“, die Briten ihre „Plainfare“. Der amerikanische General William H. Tunner beginnt „Berlin Air Lift“ zu organisieren. Sein Hauptquartier befindet sich in Frankfurt/Main.

Schon am nächsten Tag beginnen die Versorgungsflüge für die rund 2,1 Millionen Einwohner West-Berlins. Zu Beginn der Blockade reichen die Kohlevorräte für die West-Berliner Kraftwerke für etwa zehn und die Lebensmittelvorräte für etwa 30 Tage. Ernst Reuter ruft die Berliner zum Widerstand auf. „Volk von Berlin! In diesen Stunden schwerster Entscheidungen rufen wir euch zu: Laßt euch von niemanden und von nichts verwirren...“

Mit 110 zweimotorigen, aus ganz Europa zusammengezogenen Douglas DC-3 (Dakotas), beginnen die Flüge. Teilweise standen die Maschinen schon auf den „Schrottplätzen“, nun werden sie wieder flugfähig gemacht. Der US-Pilot Gail Halvorsen, war der erste Pilot, der beim Anflug auf den US-Flugplatz Tempelhof an kleinen Fallschirmen befestigte Süßigkeiten abwarf. Diese wurden von den Kindern eifrig gesammelt. Rosinenbomber, nennt der Berliner Volksmund schnell die einfliegenden Maschinen. Der mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnete Oberst a.D. ist 2022 verstorben.

Ein organisatorisches und psychologisches Meisterstück der Alliierten

Der durchschnittliche Tagesbedarf West-Berlins an Versorgungsgütern liegt bei etwa 4500 Short-Tonnen (1 St=907,2 kg). Um den Bedarf zu decken, werden die Dakotas bald durch viermotorige Douglas C-54 Skymaster ergänzt, diese haben eine Ladefähigkeit von acht Tonnen. Die größten von der US-Luftwaffe eingesetzten Maschinen sind die Douglas C-74 Globemasters, diese haben eine Ladekapazität von 25 Tonnen. Die Flugzeuge landen in Abständen von zwei bis drei Minuten auf den Flughäfen Tempelhof und Gatow im britischen Sektor. Von acht Flughäfen in Westdeutschland starten die Maschinen durch drei Luftkorridore nach Berlin. Die US-Luftwaffe beruft Reservisten ein, um den Bedarf an Piloten und technischem Personal zu decken.

Die Labour Service Einheiten und die Industrie-Polizei der Amerikaner werden verstärkt. Auch Großbritannien setzt seine Civil Labour Organisation ein. Frankreich kann sich dem politischen Druck zur Hilfeleistung nicht entziehen und stellt ab Dezember deutsche Arbeitseinheiten auf. Der Flughafen Tegel wird fertig ausgebaut und französische Flugzeuge verstärken die Luftbrücke. Mit 2400 Meter bekommt Tegel die längste Start- und Landebahn.

Mit einer politischen Geste, der Verlegung von 60 B-29-Bombern aus den USA auf Flughäfen in Großbritannien, demonstrieren die Vereinigten Staaten im Juli, sich nicht von den Sowjets erpressen zu lassen.

Ernst Reuter: „Ihr Völker der Welt...“

Am 9. September1948 kommt es zum Alarmruf Ernst Reuters vor dem zerstörten Reichstagsgebäude. „Ihr Völker der Welt! Ihr Völker in Amerika, in England, Frankreich und Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass Ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt! Es gibt nur eine Möglichkeit für uns alle: gemeinsam so lange zusammenzustehen, bis dieser Kampf gewonnen, bis dieser Kampf endlich durch den Sieg über die Feinde, durch den Sieg über die Macht der Finsternis besiegelt ist.“

Am 5. Dezember wird in den Westsektoren gewählt, die Besatzungstruppen stehen dabei in Alarmbereitschaft. Mit 64,5 Prozent wird die SPD stärkste Partei und Ernst Reuter Oberbürgermeister.

Die Ostertage 1949 brechen alle Rekorde

12.940 Tonnen Lebensmittel und Kohle werden in 24 Stunden eingeflogen, 1.440 Hin- und Rückflüge an einem Tag. Die Kosten des Lufttransports tragen die Alliierten. Die Versorgungsgüter werden von der Bevölkerung der drei Beatzungszonen über das „Notopfer Berlin“ finanziert. Über die Luftbrücke werden im Frühjahr 1949 mehr Lebensmittel in die Stadt gebracht als vorher mit der Eisenbahn. Die Sowjetunion erkennt, dass sie keinen politischen Erfolg haben wird. Nach Geheimverhandlungen zwischen Amerika und der Sowjetunion, kommt es am 4. Mai 1949 in New York zur Unterzeichnung einer Vereinbarung, mit der die Berlin-Blockade beendet wird.

Die Landverbindungen werden wieder zugänglich

Am 12. Mai 1949 kann West-Berlin wieder auf dem Landweg erreicht werden. 78 Soldaten und Zivilangehörige haben während der Blockade ihr Leben verloren Das Luftbrückendenkmal in Tempelhof, Symbol für die drei Luftkorridore, erinnert an die Opfer. Vom 26. Juni 1948 bis 30. September 1949 werden 277.569 Versorgungsflüge mit rund 34 Millionen Tonnen Fracht von Amerikanern und Briten durchgeführt. Auf den Rückflügen werden u.a. auch Berliner Kinder und Jugendliche zur Erholung in die Westzonen mitgenommen.

Die erste Berlinkrise ist damit beendet, sie wurde mit logistischen Mitteln gelöst.   Berlin bleibt aber weiter Fronstadt des Kalten Krieges und Brennpunkt der Ost-West-Konfrontation.  Während der Zeit der Blockade tagte in Bonn der Parlamentarische Rat und formulierte das Grundgesetz. Am 23. Mai 1949 wird es in Bonn verkündet.

„Blockierte Sieger – geteiltes Berlin. 75 Jahre Luftbrücke“

Mit diesem Titel wird ab 29. Juni im Flughafen Tempelhof eine Open-Air-Ausstellung eröffnet. Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr Flugplatz Berlin-Gatow, das Alliiertenmuseum Berlin und das Museum Berlin-Karlshorst haben die Sonderausstellung konzipiert. Sie findet auf dem ehemaligen Ehrenhof vor der Abflughalle statt. Die Ausstellung geht folgenden Fragen nach: Blockierte Sieger, Geteiltes Berlin, Luftbrücke, Mythos und Erinnerung. Der Eintritt ist frei.

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