Am Dienstag, dem 8. November, finden in den Vereinigten Staaten von Amerika die sogenannten Zwischen- oder auch Halbzeitwahlen statt. Eingebürgert hat sich der Begriff „Midterm Elections“, wobei in den Medien meist nur Midterms verwendet wird.
Die Wahl wird als Stimmungsbarometer für die Regierung des 79-jährigen Demokraten Joe Biden angesehen. Nach der Wahlniederlage des Republikaners Donald Trump 2020, die von vielen seiner Anhänger immer noch als „gestohlene Wahl“ gesehen wird, haben die US-Amerikaner die Möglichkeit nach fast zwei Jahren Amtszeit des Präsidenten sich in der Wahlkabine zu äußern. Nach der Corona-Pandemie befinden sich die USA in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Inflation und fehlendes Wirtschaftswachstum beeinflussen die Stimmung im Land. Die unter Donald Trump verstärkte Polarisierung der Gesellschaft in Politik, Medien oder Kultur ist auch nicht besser geworden, teilweise wird sogar von einer „ideologischen Verhärtung“ ausgegangen. Der Krieg in der Ukraine, die geopolitischen Spannungen mit China um Taiwan oder auch in der die Asien-Pazifik-Region beeinflussen die Handlungsfähigkeit der Regierung Bidens. Sie bieten der republikanischen Opposition genügend Gesprächsstoff und Angriffsflächen quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Etwa 331 Millionen Einwohner leben in den USA. Weiße sind ca. 57,8 Prozent, Hispanics und Latinos ca. 18,7 Prozent, Afroamerikaner ca. 12,1 Prozent, Asiatische Amerikaner ca. 5,9 Prozent, Multiethnische Amerikaner ca. 4,1 Prozent und Indigene ca. 07 Prozent. Laut Zensus von 2020 können etwa 252 Millionen Amerikaner über 18 Jahren wählen. Bei der letzten Präsidentenwahl haben ca. 155 Millionen US-Bürger, ihre Stimme abgegeben. Diese 67-prozentige Wahlbeteiligung der Bevölkerung war sehr hoch. Wer wählen will, muss sich in ein Wählerverzeichnis eintragen und dabei seine Präferenz „Demokrat“, „Republikaner“ oder „Unabhängig“ angeben. Die Wahlmöglichkeiten, z.B. auch Briefwahl, sind in den Bundessaaten unterschiedlich geregelt. Die Demokraten haben ca. 47 Millionen und die Republikaner ca. 33,2 Millionen registrierte Anhänger. An der Farbe Blau und dem Esel als Maskottchen sind die Demokraten zu identifizieren, während die Republikaner sich mit Rot und dem Elefanten zu erkennen geben. In den Anfängen, gegründet 1792, waren die Demokraten eine konservative Partei. Heute steht die Partei hingegen für Forderungen des links(liberalen) und progressiven Spektrums der Wähler. Die Republikaner wurden erst 1854 gegründet. Sie setzten sich anfangs für die Abschaffung der Sklaverei ein. Heute steht sie für einen konservativen und wirtschaftsliberalen Kurs.
Schauen wir auf die Zusammensetzung des Zwei-Kammer-Systems der USA. Das Repräsentantenhaus und der Senat bilden den Kongress. Der Sitz ist im Kapitol in Washington D.C. Der District of Columbia, gehört als neutrales Territorium zu keinem Bundesstaat und untersteht dem Kongress unmittelbar. Die politischen und juristischen Folgen des gewaltsamen Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sind noch nicht abgeschlossen. Bei den Midterms werden alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses, ein Drittel der Senatoren und zahlreiche Gouverneure, auf die hier nicht eingegangen wird, gewählt. Augenblicklich haben im Repräsentantenhaus die Demokraten 220 und die Republikaner 212 Sitze, drei sind vakant. Seit dem letzten Urnengang sind alle Wahlbezirke neu zugeschnitten worden, so dass Voraussagen für die Meinungsforscher schwieriger geworden sind. Die Neugliederung der Wahlbezirke war mit heftigen Streitereien der Parteien verbunden. Das verworrene Wahlrecht stammt noch aus dem 19. Jahrhundert. Sprecherin des Repräsentantenhauses ist Nancy Pelosi. Dieses Amt hat die 82-Jährige als erste Frau überhaupt seit dem Januar 2019 inne. Sie hat ihren Wahlkreis in einem Teil von San Francisco. Mit ihrem demonstrativen Besuch Anfang August 2022 in der Hauptstadt Taiwans Taipeh, sorgte sie für Schlagzeilen in allen Medien. Würden die Demokraten im Repräsentantenhaus unterliegen, bekämen die Republikanern den einflussreichen Posten. Der Überfall in ihrem Privathaus, bei dem ihr Mann schwer verletzt wurde, sie war nicht anwesend, zeigt die Polarisierung der Gesellschaft und lässt für die Zukunft nichts Gutes ahnen.
Ein Blick auf die zweite Kammer, den Senat, macht die Bedeutung der Midterms noch deutlicher. Jeder Bundesstaat, egal wieviel Einwohner er hat, stellt zwei Senatoren. Sie werden für sechs Jahre gewählt, die Sitzungsperiode dauert zwei Jahre. Momentan herrscht im Senat eine Pattsituation. Von den 100 Senatoren stehen am 8. November 35 zur Wahl. Davon sind 14 Demokraten und 21 Republikaner. Den Vorsitz im Senat hat Vizepräsidentin Kamala Harris. Nach Meinungsumfragen sind die Wahlergebnisse in den Staaten Georgia, Nevada und Pennsylvania relativ offen. In Florida tritt u.a. der Republikaner RonDeSantis an, der schon als möglicher Nachfolger des Ex-Präsidenten Donald Trump für die Präsidentschaftswahlen 2024 gehandelt wird. Die Kosten für die Wahlkämpfe gehen in die Milliarden US-Dollar. Das Wahljahr 2020 war bisher das teuerste. Die Präsidentschaftswahlen sollen 6,63 Milliarden und die Wahlen zum Kongress 7,25 Milliarden gekostet haben.
Bei den Midterms musste die Partei des amtierenden Präsidenten meistens Stimmenverluste hinnehmen. Wäre das wieder so und das Repräsentantenhaus würde an die Republikaner fallen, stellte sich bei den Demokraten die Frage, wie geht es mit Präsident Joe Biden weiter? Am 20. November kann er seinen 80. Geburtstag feiern. Würde die Partei nach deutlichen Stimmenverlusten auf ihn für eine zweite Amtszeit setzen? Seine Bereitschaft dafür hat er gegenüber Vertrauten zwar schon bekundet und auch sichergestellt, dass die Öffentlichkeit das erfahren hat. Allerdings ist momentan in der demokratischen Partei ein aussichtsreicher Kandidat für das Präsidentenamt nicht in Sicht. Vizepräsidentin Kamala Harris gilt zwar als erste Anwärterin darauf, aber ob die Partei geschlossen hinter ihr steht, darüber gehen die Meinungen in den Parteiströmungen auseinander. Vielleicht erscheint bei den Midterms ein neuer Senator als Hoffnungsträger für den Einzug ins Weiße Haus, dem Amts- und Regierungssitz des US-Präsidenten. Der neugewählte Kongress wird am 3. Januar 2023 zusammentreten.