Die Begriffe Bundessicherheitsrat (BSR) und Nationaler Sicherheitsrat (NSR) liest oder hört man in letzter Zeit immer wieder. Vor allem dann, wenn es sich um Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bzw. der Landes- und Bündnisverteidigung handelt.
Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Er soll die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik koordinieren. Zudem ist er für die Genehmigung der Rüstungsexporte zuständig. Der Bundeskanzler beruft ihn ein und leitet die Sitzung. Mitglieder sind die Minister der Ressorts: Außen, Innen, Justiz, Finanz, Wirtschaft, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verteidigung. Andere Ministerien sowie der Chef des Bundespräsidialamtes, des Kanzleramtes und der Generalinspekteur, können hinzugezogen werden. Die Sitzungen sind als „Streng geheim“ eingestuft. Abstimmungsberechtigt sind immer nur jene Mitglieder, deren Ministerium mit der jeweiligen Entscheidung zu tun haben. Dieser Rat geht auf eine Kabinettsentscheidung vom Oktober 1955 zurück, in der beschlossen wurde einen Bundesverteidigungsrat zu bilden. Die Empfehlung hierzu kam vom Nordatlantikrat an alle NATO-Mitgliedstaaten. 1969 erfolgte die Umbenennung in Bundessicherheitsrat. Über die Jahre spielte er eigentlich keine politische Rolle und es wurde nicht viel in der Öffentlichkeit bekannt. Hätte man Passanten auf der Straße mit dem Begriff konfrontiert, wären die Antworten unsicher gewesen. Dass die Bundessicherheitsakademie (BAKS) einem Kuratorium des BSR als untersteht, ist kaum bekannt.
Bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 kommt es zur Abwahl der Bundesregierung. In der Koalitionsvereinbarung zwischen Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998, sie ist überschrieben mit: „Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“ ist im Kapitel XI 9. 3. folgende Absicht formuliert: „Die neue Bundesregierung wird dem Bundessicherheitsrat seine ursprünglich vorgesehene Rolle als Organ der Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik zurückgeben und hierfür die nötigen Voraussetzungen schaffen.“ Bundeskanzler wird Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und das Verteidigungsministerium übernimmt Rudolf Scharping. 1999 tauchten Einzelheiten aus dem BSR zu Panzerlieferungen an die Türkei in der Öffentlichkeit auf. „Bundesregierung wittert Geheimnisverrat“ titelte eine überregionale Tageszeitung. Ganz so schlimm kann es nicht gewesen sein, denn zu Anklagen kam es nicht.
In der Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom Oktober 2002 „Einsatzbereit in der Krise? Entscheidungsstrukturen der deutschen Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand“ stellt der Verfasser u.a. fest: „Damit alle relevanten Akteure im Krisenfall reibungslos miteinander kooperieren können, müssen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden. Dafür fehlt es in Deutschland vor allem auf der oberen Ebene an koordinierenden Strukturen. Das einzige ressortübergreifende Sicherheitsorgan, der Bundessicherheitsrat, ist heute nur ein Schatten seiner prinzipiellen Möglichkeiten. Es wird daher empfohlen, die sicherheitspolitische Vernetzungsrolle des Bundessicherheitsrates neu zu gestalten und durch angemessenen personellen und materiellen Ausbau zu stärken.“ (…) „Der Geheimhaltungsgrad der Sitzungen sollte flexibilisiert werden. Bei anderen Akteuren, insbesondere in den Bundesländern, sollten sicherheitsspezifische Stellen geschaffen werden. Die Kooperation zwischen allen relevanten Akteuren, insbesondere im militärischen Bereich, sollte regelmäßig geübt werden.“ Das SWP-Papier brachte aber keine intensive Beschäftigung mit dem Thema.
Gut 18 Jahre später, im März 2020 brachte die FDP den Antrag „Staatsübergreifenden Krisen und Herausforderungen gerecht werden – Deutschland braucht einen Nationalen Sicherheitsrat“ im Bundestag ein. Zustimmung fand er auch bei Bündnis 90/Die Grünen. Eine weitere Forderung kam am 9. November 2020 von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie erklärte vor Studenten der Bundeswehruniversität München zum NSR: „Wir sollten den jetzigen Bundessicherheitsrat, mit eingeschränkten Aufgaben und Aufgabenstellungen, weiterentwickeln.“ Sie begründete das folgendermaßen: „… würde unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung bringen und auch durch vorausschauende Themensetzung einen wichtigen Beitrag zu unserer strategischen Kultur leisten.“ Der FDP Abgeordnete Graf Lambsdorff griff das auf und stellte im Bundestag eine Anfrage. Das Verteidigungsministerium erklärte hierzu, dass die Ministerin ihre Anfrage nicht auf die Gegenwart bezogen habe. Kramp-Karrenbauer „hat langfristig orientiert und perspektivisch skizziert, dass eine künftige Bundesregierung eine Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrates mit dem Ziel anstreben könnte, in Politikbereichen wie Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit noch vorausschauender, schneller und präziser zu planen, zu entscheiden und zu handeln.“ Mit dieser Antwort war klar, dass die amtierende Bundesregierung das Thema BSR sich nicht zu eigen machen würde. Den Befürwortern dieses Gremiums blieb die Hoffnung auf die nächste Bundesregierung.
Im Bundestagswahlkampf 2021 nahm der Kandidat der Unionsparteien, Armin Laschet, das Thema Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats im Bundeskanzleramt auf. Er sagte in einem außenpolitischen Vortrag bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, der bestehende BSR solle in die neue Organisationsform überführt werden. Das Gremium sollte ressortübergreifend zusammengesetzt sein und die Bundesländer mit einbeziehen. Des Weiteren sei geplant, dass die Bundesregierung im ersten und dritten Jahr der Legislaturperiode aus den Erkenntnisses des NSR eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlege, die im Bundestag debattiert und beschlossen werden solle. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zog nicht ins Kanzleramt ein, damit auch nicht seine Ideen zum BSR.
Die neue Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, übernahm am 8. Dezember 2021 die Amtsgeschäfte. Im ausgehandelten Vertrag der Ampel-Koalition findet sich nun die Absicht „Wir werden im ersten Jahr der neuen Bunderegierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen.“ Vom Nationalen Sicherheitsrat ist nichts zu finden. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) schreibt „Ein Sicherheitsrat wäre das Ende der strategischen Blindheit“ (Die Bundeswehr 11/2022) und fordert „Es muss eine Institution geschaffen werden, die die strategische Lage Deutschlands und seiner Verbündeten in einer Vielzahl von Feldern im Auge behält und nicht parteipolitischem Druck ausgesetzt ist, sondern professionell arbeitet und auch wahrgenommen wird.“ Ähnlich formulierte Thomas Jäger bei einer sicherheitspolitischen Informationsveranstaltung der GSP in Bad Neuenahr am 16. März 2023. Der Lehrstuhlinhaber für Internationale Politik und Außenpolitik kritisierte die fehlende deutsche nationale Sicherheitsstrategie. „Es gibt keinen Ort wo darüber nachgedacht wird.“ Bleibt also die Hoffnung, dass die Absicht aus dem Koalitionsvertrag doch noch umgesetzt wird.
Die Begriffe Bundessicherheitsrat (BSR) und Nationaler Sicherheitsrat (NSR) liest oder hört man in letzter Zeit immer wieder. Vor allem dann, wenn es sich um Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bzw. der Landes- und Bündnisverteidigung handelt.
Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Er soll die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik koordinieren. Zudem ist er für die Genehmigung der Rüstungsexporte zuständig. Der Bundeskanzler beruft ihn ein und leitet die Sitzung. Mitglieder sind die Minister der Ressorts: Außen, Innen, Justiz, Finanz, Wirtschaft, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verteidigung. Andere Ministerien sowie der Chef des Bundespräsidialamtes, des Kanzleramtes und der Generalinspekteur, können hinzugezogen werden. Die Sitzungen sind als „Streng geheim“ eingestuft. Abstimmungsberechtigt sind immer nur jene Mitglieder, deren Ministerium mit der jeweiligen Entscheidung zu tun haben. Dieser Rat geht auf eine Kabinettsentscheidung vom Oktober 1955 zurück, in der beschlossen wurde einen Bundesverteidigungsrat zu bilden. Die Empfehlung hierzu kam vom Nordatlantikrat an alle NATO-Mitgliedstaaten. 1969 erfolgte die Umbenennung in Bundessicherheitsrat. Über die Jahre spielte er eigentlich keine politische Rolle und es wurde nicht viel in der Öffentlichkeit bekannt. Hätte man Passanten auf der Straße mit dem Begriff konfrontiert, wären die Antworten unsicher gewesen. Dass die Bundessicherheitsakademie (BAKS) einem Kuratorium des BSR als untersteht, ist kaum bekannt.
Bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 kommt es zur Abwahl der Bundesregierung. In der Koalitionsvereinbarung zwischen Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998, sie ist überschrieben mit: „Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“ ist im Kapitel XI 9. 3. folgende Absicht formuliert: „Die neue Bundesregierung wird dem Bundessicherheitsrat seine ursprünglich vorgesehene Rolle als Organ der Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik zurückgeben und hierfür die nötigen Voraussetzungen schaffen.“ Bundeskanzler wird Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und das Verteidigungsministerium übernimmt Rudolf Scharping. 1999 tauchten Einzelheiten aus dem BSR zu Panzerlieferungen an die Türkei in der Öffentlichkeit auf. „Bundesregierung wittert Geheimnisverrat“ titelte eine überregionale Tageszeitung. Ganz so schlimm kann es nicht gewesen sein, denn zu Anklagen kam es nicht.
In der Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom Oktober 2002 „Einsatzbereit in der Krise? Entscheidungsstrukturen der deutschen Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand“ stellt der Verfasser u.a. fest: „Damit alle relevanten Akteure im Krisenfall reibungslos miteinander kooperieren können, müssen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden. Dafür fehlt es in Deutschland vor allem auf der oberen Ebene an koordinierenden Strukturen. Das einzige ressortübergreifende Sicherheitsorgan, der Bundessicherheitsrat, ist heute nur ein Schatten seiner prinzipiellen Möglichkeiten. Es wird daher empfohlen, die sicherheitspolitische Vernetzungsrolle des Bundessicherheitsrates neu zu gestalten und durch angemessenen personellen und materiellen Ausbau zu stärken.“ (…) „Der Geheimhaltungsgrad der Sitzungen sollte flexibilisiert werden. Bei anderen Akteuren, insbesondere in den Bundesländern, sollten sicherheitsspezifische Stellen geschaffen werden. Die Kooperation zwischen allen relevanten Akteuren, insbesondere im militärischen Bereich, sollte regelmäßig geübt werden.“ Das SWP-Papier brachte aber keine intensive Beschäftigung mit dem Thema.
Gut 18 Jahre später, im März 2020 brachte die FDP den Antrag „Staatsübergreifenden Krisen und Herausforderungen gerecht werden – Deutschland braucht einen Nationalen Sicherheitsrat“ im Bundestag ein. Zustimmung fand er auch bei Bündnis 90/Die Grünen. Eine weitere Forderung kam am 9. November 2020 von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie erklärte vor Studenten der Bundeswehruniversität München zum NSR: „Wir sollten den jetzigen Bundessicherheitsrat, mit eingeschränkten Aufgaben und Aufgabenstellungen, weiterentwickeln.“ Sie begründete das folgendermaßen: „… würde unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung bringen und auch durch vorausschauende Themensetzung einen wichtigen Beitrag zu unserer strategischen Kultur leisten.“ Der FDP Abgeordnete Graf Lambsdorff griff das auf und stellte im Bundestag eine Anfrage. Das Verteidigungsministerium erklärte hierzu, dass die Ministerin ihre Anfrage nicht auf die Gegenwart bezogen habe. Kramp-Karrenbauer „hat langfristig orientiert und perspektivisch skizziert, dass eine künftige Bundesregierung eine Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrates mit dem Ziel anstreben könnte, in Politikbereichen wie Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit noch vorausschauender, schneller und präziser zu planen, zu entscheiden und zu handeln.“ Mit dieser Antwort war klar, dass die amtierende Bundesregierung das Thema BSR sich nicht zu eigen machen würde. Den Befürwortern dieses Gremiums blieb die Hoffnung auf die nächste Bundesregierung.
Im Bundestagswahlkampf 2021 nahm der Kandidat der Unionsparteien, Armin Laschet, das Thema Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats im Bundeskanzleramt auf. Er sagte in einem außenpolitischen Vortrag bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, der bestehende BSR solle in die neue Organisationsform überführt werden. Das Gremium sollte ressortübergreifend zusammengesetzt sein und die Bundesländer mit einbeziehen. Des Weiteren sei geplant, dass die Bundesregierung im ersten und dritten Jahr der Legislaturperiode aus den Erkenntnisses des NSR eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlege, die im Bundestag debattiert und beschlossen werden solle. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zog nicht ins Kanzleramt ein, damit auch nicht seine Ideen zum BSR.
Die neue Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, übernahm am 8. Dezember 2021 die Amtsgeschäfte. Im ausgehandelten Vertrag der Ampel-Koalition findet sich nun die Absicht „Wir werden im ersten Jahr der neuen Bunderegierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen.“ Vom Nationalen Sicherheitsrat ist nichts zu finden. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) schreibt „Ein Sicherheitsrat wäre das Ende der strategischen Blindheit“ (Die Bundeswehr 11/2022) und fordert „Es muss eine Institution geschaffen werden, die die strategische Lage Deutschlands und seiner Verbündeten in einer Vielzahl von Feldern im Auge behält und nicht parteipolitischem Druck ausgesetzt ist, sondern professionell arbeitet und auch wahrgenommen wird.“ Ähnlich formulierte Thomas Jäger bei einer sicherheitspolitischen Informationsveranstaltung der GSP in Bad Neuenahr am 16. März 2023. Der Lehrstuhlinhaber für Internationale Politik und Außenpolitik kritisierte die fehlende deutsche nationale Sicherheitsstrategie. „Es gibt keinen Ort wo darüber nachgedacht wird.“ Bleibt also die Hoffnung, dass die Absicht aus dem Koalitionsvertrag doch noch umgesetzt wird.
Die Begriffe Bundessicherheitsrat (BSR) und Nationaler Sicherheitsrat (NSR) liest oder hört man in letzter Zeit immer wieder. Vor allem dann, wenn es sich um Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bzw. der Landes- und Bündnisverteidigung handelt.
Der Bundessicherheitsrat ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Er soll die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik koordinieren. Zudem ist er für die Genehmigung der Rüstungsexporte zuständig. Der Bundeskanzler beruft ihn ein und leitet die Sitzung. Mitglieder sind die Minister der Ressorts: Außen, Innen, Justiz, Finanz, Wirtschaft, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verteidigung. Andere Ministerien sowie der Chef des Bundespräsidialamtes, des Kanzleramtes und der Generalinspekteur, können hinzugezogen werden. Die Sitzungen sind als „Streng geheim“ eingestuft. Abstimmungsberechtigt sind immer nur jene Mitglieder, deren Ministerium mit der jeweiligen Entscheidung zu tun haben. Dieser Rat geht auf eine Kabinettsentscheidung vom Oktober 1955 zurück, in der beschlossen wurde einen Bundesverteidigungsrat zu bilden. Die Empfehlung hierzu kam vom Nordatlantikrat an alle NATO-Mitgliedstaaten. 1969 erfolgte die Umbenennung in Bundessicherheitsrat. Über die Jahre spielte er eigentlich keine politische Rolle und es wurde nicht viel in der Öffentlichkeit bekannt. Hätte man Passanten auf der Straße mit dem Begriff konfrontiert, wären die Antworten unsicher gewesen. Dass die Bundessicherheitsakademie (BAKS) einem Kuratorium des BSR als untersteht, ist kaum bekannt.
Bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 kommt es zur Abwahl der Bundesregierung. In der Koalitionsvereinbarung zwischen Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998, sie ist überschrieben mit: „Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“ ist im Kapitel XI 9. 3. folgende Absicht formuliert: „Die neue Bundesregierung wird dem Bundessicherheitsrat seine ursprünglich vorgesehene Rolle als Organ der Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik zurückgeben und hierfür die nötigen Voraussetzungen schaffen.“ Bundeskanzler wird Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und das Verteidigungsministerium übernimmt Rudolf Scharping. 1999 tauchten Einzelheiten aus dem BSR zu Panzerlieferungen an die Türkei in der Öffentlichkeit auf. „Bundesregierung wittert Geheimnisverrat“ titelte eine überregionale Tageszeitung. Ganz so schlimm kann es nicht gewesen sein, denn zu Anklagen kam es nicht.
In der Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom Oktober 2002 „Einsatzbereit in der Krise? Entscheidungsstrukturen der deutschen Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand“ stellt der Verfasser u.a. fest: „Damit alle relevanten Akteure im Krisenfall reibungslos miteinander kooperieren können, müssen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden. Dafür fehlt es in Deutschland vor allem auf der oberen Ebene an koordinierenden Strukturen. Das einzige ressortübergreifende Sicherheitsorgan, der Bundessicherheitsrat, ist heute nur ein Schatten seiner prinzipiellen Möglichkeiten. Es wird daher empfohlen, die sicherheitspolitische Vernetzungsrolle des Bundessicherheitsrates neu zu gestalten und durch angemessenen personellen und materiellen Ausbau zu stärken.“ (…) „Der Geheimhaltungsgrad der Sitzungen sollte flexibilisiert werden. Bei anderen Akteuren, insbesondere in den Bundesländern, sollten sicherheitsspezifische Stellen geschaffen werden. Die Kooperation zwischen allen relevanten Akteuren, insbesondere im militärischen Bereich, sollte regelmäßig geübt werden.“ Das SWP-Papier brachte aber keine intensive Beschäftigung mit dem Thema.
Gut 18 Jahre später, im März 2020 brachte die FDP den Antrag „Staatsübergreifenden Krisen und Herausforderungen gerecht werden – Deutschland braucht einen Nationalen Sicherheitsrat“ im Bundestag ein. Zustimmung fand er auch bei Bündnis 90/Die Grünen. Eine weitere Forderung kam am 9. November 2020 von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie erklärte vor Studenten der Bundeswehruniversität München zum NSR: „Wir sollten den jetzigen Bundessicherheitsrat, mit eingeschränkten Aufgaben und Aufgabenstellungen, weiterentwickeln.“ Sie begründete das folgendermaßen: „… würde unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung bringen und auch durch vorausschauende Themensetzung einen wichtigen Beitrag zu unserer strategischen Kultur leisten.“ Der FDP Abgeordnete Graf Lambsdorff griff das auf und stellte im Bundestag eine Anfrage. Das Verteidigungsministerium erklärte hierzu, dass die Ministerin ihre Anfrage nicht auf die Gegenwart bezogen habe. Kramp-Karrenbauer „hat langfristig orientiert und perspektivisch skizziert, dass eine künftige Bundesregierung eine Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrates mit dem Ziel anstreben könnte, in Politikbereichen wie Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit noch vorausschauender, schneller und präziser zu planen, zu entscheiden und zu handeln.“ Mit dieser Antwort war klar, dass die amtierende Bundesregierung das Thema BSR sich nicht zu eigen machen würde. Den Befürwortern dieses Gremiums blieb die Hoffnung auf die nächste Bundesregierung.
Im Bundestagswahlkampf 2021 nahm der Kandidat der Unionsparteien, Armin Laschet, das Thema Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats im Bundeskanzleramt auf. Er sagte in einem außenpolitischen Vortrag bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, der bestehende BSR solle in die neue Organisationsform überführt werden. Das Gremium sollte ressortübergreifend zusammengesetzt sein und die Bundesländer mit einbeziehen. Des Weiteren sei geplant, dass die Bundesregierung im ersten und dritten Jahr der Legislaturperiode aus den Erkenntnisses des NSR eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlege, die im Bundestag debattiert und beschlossen werden solle. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zog nicht ins Kanzleramt ein, damit auch nicht seine Ideen zum BSR.
Die neue Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, übernahm am 8. Dezember 2021 die Amtsgeschäfte. Im ausgehandelten Vertrag der Ampel-Koalition findet sich nun die Absicht „Wir werden im ersten Jahr der neuen Bunderegierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen.“ Vom Nationalen Sicherheitsrat ist nichts zu finden. Joachim Krause, Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) schreibt „Ein Sicherheitsrat wäre das Ende der strategischen Blindheit“ (Die Bundeswehr 11/2022) und fordert „Es muss eine Institution geschaffen werden, die die strategische Lage Deutschlands und seiner Verbündeten in einer Vielzahl von Feldern im Auge behält und nicht parteipolitischem Druck ausgesetzt ist, sondern professionell arbeitet und auch wahrgenommen wird.“ Ähnlich formulierte Thomas Jäger bei einer sicherheitspolitischen Informationsveranstaltung der GSP in Bad Neuenahr am 16. März 2023. Der Lehrstuhlinhaber für Internationale Politik und Außenpolitik kritisierte die fehlende deutsche nationale Sicherheitsstrategie. „Es gibt keinen Ort wo darüber nachgedacht wird.“ Bleibt also die Hoffnung, dass die Absicht aus dem Koalitionsvertrag doch noch umgesetzt wird.