Ein genialer Coup „Köpenickiade" - Erinnerung an Friedrich Wilhelm Voigt

Ein genialer Coup „Köpenickiade" - Erinnerung an Friedrich Wilhelm Voigt

Am 3. Januar 2022 ist der 100. Todestag des "Hauptmann von Köpenick". Anlass genug, um an den bekanntesten deutschen Hauptmann zu erinnern.

 

Der bekannteste deutsche Hauptmann ist der „von Köpenick“. Wer war dieser Mann?  Seine Bekanntheit begann am 16. Oktober 1906.  

An diesem Tag übernahm der Schuster Friedrich Wilhelm Voigt in der Uniform eines Hauptmanns des Ersten Garde-Regiments zu Fuß, das Kommando über eine Gruppe Soldaten. Sie kamen vom Wachdienst und waren auf dem Weg zurück in ihre Potsdamer Kaserne. Ihr Truppenteil war das Leibregiment der preußischen Könige. Die Tradition dieses Regiments wurde in der Reichswehr vom Infanterie-Regiment 9 übernommen. Hier diente u.a. Henning von Tresckow, Angehöriger des Widerstandes des 20. Juli 1944. Das Wachbataillon der Bundeswehr führt aufgrund einer Ausnahmeregelung zum Traditionserlass die Tradition des Regiments „Semper Talis“, (lat.: „Immer gleich“)  

Das Militär spielte unter Kaiser und König Friedrich Wilhelm II. in Preußen im Jahr 1906 eine große Rolle. Das Ansehen der Offiziere war hoch und jeder preußische Bürger war stolz dienen zu dürfen. Wer nicht gediente hatte, musste manche Nachteile auf der beruflichen Karriereleiter hinnehmen. Durch Friedrich Wilhelm Voigt wurde diesem Gesellschaftssystem nun der Spiegel vorgehalten.

Er wurde am 13. Februar 1849 in Tilsit/Ostpreußen geboren. Sein Vater war Schuhmacher, dieses Handwerk erlernte auch der Sohn. Mit 14 Jahren wurde er erstmals straffällig. Weitere Verurteilungen wegen Diebstahl und Urkundenfälschung folgten. Die letzte lautete auf 15 Jahre.

In der Haft reifte sein Plan

Im Februar 1906 wurde Voigt aus der Haft entlassen und fing in Wismar als Schuhmacher an zu arbeiten. Dort wurde ihm die Aufenthaltsgenehmigung aber entzogen und so ging er zu einer seiner Schwestern nach Rixdorf bei Berlin. Auch hier wurde er im August 1906, mit der Begründung „eine für die öffentliche Sicherheit und Moralität gefährliche Person“, ausgewiesen. Während seines Aufenthalts in Berlin kaufte sich Voigt Teile einer Hauptmannsuniform zusammen, u.a. auch bei einem Trödler im holländischen Viertel in Potsdam. Dort in der Mittelstraße 3 weist eine Texttafel auf Voigts Uniformerwerb hin.

Am 16. Oktober zog er die Uniform an und trat als Gardehauptmann auf. Einen Tag später konnten die Berliner in der „Tägliche Rundschau“ lesen: „Ein als Hauptmann verkleideter Mensch führte gestern eine von dem Schießplatz Tegel kommende Abteilung Soldaten nach dem Köpenicker Rathaus, ließ den Bürgermeister verhaften, nahm die Gemeindekasse mit und fuhr in einer Droschke davon“.

Mit Steckbrief gesucht

Die Polizei begann die Suche nach dem dreisten Täter. Auf dem Steckbrief an den Litfaßsäulen und in den Amtsstuben stand u.a.: „Der Täter, der schmale, weiße Hände hat, ist auffallend hässlich“. Aus der weiteren Personenbeschreibung glaubte ein ehemaliger Mithäftling seinen Zellengenossen zu erkennen. Die ausgesetzte Belohnung verlockte ihn zum Gang zur Polizei.

Zehn Tage nach dem spektakulären Gaunerstück, über das inzwischen im ganzen Reich und im Ausland gelacht wurde, kam es zur Festnahme von Wilhelm Voigt. Die Polizei staunte nicht schlecht, als sie den ihr bekannten, immer wieder straffällig gewordenen Schuster verhaftet hatte. So einen Coup hatte man ihm, der mehr als die Hälfte seiner siebenundfünfzig Lebensjahre hinter Gittern verbracht hatte, wohl nicht zugetraut. Zu seiner Rechtfertigung gab Voigt an, dass er sich eigentlich einen Reisepass besorgen wollte. Als er merkte, dass im Köpenicker Rathaus keine Passstelle war, ließ er sich gegen Quittung die Stadtkasse aushändigen. 3557,45 Mark wurden ihm übergeben.

Gnädiges Gerichtsurteil: „Im Namen des Volkes“

Die Verhandlung gegen Voigt fand vor dem Königlichen Landgericht in Berlin statt. Die Strafe fiel relativ mild aus, u.a. mit der Begründung, dass Voigt durch Behördenwillkür „wieder auf den Weg des Verbrechens gedrängt“ worden sei. Hiermit war die Berliner Verwaltung gemeint, die ihm den Pass und damit den Aufenthalt in Berlin verweigert hatte. Um die Verurteilung wegen „Unerlaubtes Tragens einer Uniform, Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung“ kam der mehrfach Bestrafte aber nicht herum. Am 1. Dezember 1906 wurde Voigt zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nur knapp die Hälfte davon musste er absitzen. Nach Kaiserlichem Gnadenerlass konnte er am 16. August 1908 die Haftanstalt Tegel verlassen.

Nach der Entlassung begann ein neues Leben

Er zog zu einer Schwester nach Luxemburg. Das Großherzogtum Luxemburg genehmigte ihm ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Seine Popularität nutzte er für Auftritte im Berliner Panoptikum, in Varietés, Amüsierlokalen und auf Rummelplätzen. Seine Lebenserinnerungen „Wie ich Hauptmann von Köpenick wurde. Mein Lebensbild. Von Wilhelm Voigt, genannt Hauptmann von Köpenick“ fanden guten Absatz. Reisen in Europa und nach Amerika brachten ihm einen kleinen Wohlstand. Der Krieg und die folgende Inflation ließen seine Ersparnisse aber schnell dahinschmelzen. Am 3. Januar 1922 starb Wilhelm Voigt verarmt an einer Lungenentzündung. Auf dem Friedhof Notre Dame in Luxemburg wurde er beerdigt. Dort wird auch heute noch sein Grab gepflegt. Seit 1966 steht vor dem Köpenicker Rathaus eine Bronzefigur des „Hauptmann von Köpenick“.

Carl Zuckmayer setzte Voigt ein Denkmal

Der Coup des Schusters Voigt wäre aber längst in Vergessenheit geraten, hätte nicht Carl Zuckmayer (1896-1977) die Tragikomödie „Der Hauptmann von Köpenick – Ein deutsches Märchen in drei Akten“ geschrieben. Die Idee hierzu bekam er durch den 1930 erschienenen Roman von Wilhelm Schäfer „Der Hauptmann von Köpenick“. Das Deutsche Theater in Berlin führte das Stück erstmals am 5. März 1931 auf. Werner Krauß spielte die Hauptrolle. Es wurde zu einem der meistgespielten Stücke auf deutschen Theaterbühnen, eine erste Verfilmung folgte 1931. In der Nachkriegsverfilmung spielte Heinz Rühmann den „preußischen Eulenspiegel“, die Uraufführung war am 16. August 1956. Der Film wurde einer der erfolgreichsten der Nachkriegszeit und in mehr als 50 Länder exportiert. In späteren Filmen waren Rudolf Platte und Harald Juhnke in der Rolle des Hauptmanns zu sehen.

 

 

Letzte News

  • 15Apr
    Alte Bedrohungen mit neuen Mittel - 10. Sicherheitspol. Bodenseekongress

    Dieser fand am 13. April in Friedrichshafen im Graf-Zeppelin-Haus statt. Die renommierte drei Länder Veranstaltung sicherheitspolitischer, militärischer und wehrtechnischer Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz widmete sich dem aktuellen Thema: Der Ukraine-Krieg und seine Folgen für Europa – militärisch, politisch und ökonomisch. Die militärische Sicht und Lagebeurteilung, des nun schon über zwei Jahre währenden Krieges, nahm Generalleutnant Mag. Bruno Günter Hofbauer vor.…

  • 15Apr
    Schwedens Mehrwert für die NATO - Das 32. Mitglied im Atlantischen Bündnis

    Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson hatte mit seinem Außenminister Tobias Billström die Beitrittsurkunde seines Landes zur NATO bereits im März in Washington hinterlegt. Billström ist weiterhin unterwegs, die die Abkehr von der faktischen Neutralität Schwedens nach mehr als 200 Jahren zu begründen und den Gewinn für das atlantische Bündnis zu erläutern.

    Hierzu hatte die schwedische Botschaft in Berlin gemeinsam mit der HERTIE School zu einer Veranstaltung mit ihm Ende März…

  • 25Mar
    4. April 2024 – 75 Jahre NATO. Gemeinsinn und Neuausrichtung ist nötig

    Das 75-jährige Bestehen der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) wäre ein guter Grund zum Feiern. Doch die sicherheitspolitische Lage in der Welt, besonders die Kriege in der Ukraine und in Gaza, sind kein Grund dafür. Die NATO ist mit Finnland (4. April 2023) und Schweden (7. März 2024) auf 32 Nationen angewachsen. Aktueller Anlass war die „Spezialoperation“ der russischen Föderation am 24. Februar 2022 in die Ukraine. Seit Wladimir Putin am 18. März 2024 wieder zum Präsidenten gewählt…

  • 12Mar
    Zypern – Ausgangspunkt für Gaza-Hilfe

    „Open Arms“ mit Hilfsgütern unterwegs

    Wieder einmal steht die östliche Mittelmeerinsel Zypern im öffentlichen Interesse.  Von der Hafenstadt Larnaka, im Südosten der Insel, ist das erste Schiff mit Hilfslieferungen Richtung Gaza in See gestochen. Die „Open Arms“, gehört einer spanischen Hilfsorganisation ist mit 200 Tonnen Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten unterwegs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsident Nikos Christodoulides waren die Antreiber für…

  • 23Feb
    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“ / Die Zukunft der Ukraine in Europa

    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“

    Die Zukunft der Ukraine in Europa

    „Cafe Kyiv – Wir wählen die Freiheit“: unter diesem Motto veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 19. Februar mit 30 Partnerorganisationen, u.a. auch der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, im Colosseum in Berlin zum zweiten Male nach 2023 ein vielseitiges Programm mit Workshops, Diskussionen, Salons und kulturellen Aktivitäten.  Themen wie Freiheit, Europa, Sicherheit und Wiederaufbau der Ukraine standen…

  • 17Feb
  • 16Feb
    Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) - Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, wird die 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) eröffnen. Sie findet vom 16. bis 18. Februar 2024 statt. Für das Jubiläum hat sie ihrem Kürzel-Logo eine 60 beigefügt. Gründer dieser sicherheitspolitischen Konferenz war Ewald-Heinrich von Kleist.  Unter dem Namen „Wehrkundetagung“ wurde sie 1963 erstmals in München ausgerichtet. Teilnehmer waren u.a.…

  • 03Feb
    BM Christian Lindner bestätigt Zwei-Prozent-Ziel für Vtdg-Haushalt bis 2028

     

    Der „Hüter der Schuldenbremse“ Bundesfinanzminister Christian Lindner bestätigt das Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungsetat, trotz massiver Budgetzwänge, in der mittelfristigen Haushaltsplanung. Im Interview beim diesjährigen Gipfel der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am 1. Februar bekräftigte Bundesfinanzminister Lindner das Vorhaben der Bundesregierung, bei den Beratungen für den Haushalt 2025 zur mittelfristigen Budgetplanung bis 2028 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für…

  • 30Jan
    General a.D. Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

    Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

     

    30. Januar 2024 Von Peter E. Uhde

     

    Vergangenen Freitag, den 26. Januar 2024 ist General Hartmut Bagger in Meckenheim verstorben. Am 8. Februar 1996 wurde er Nachfolger von General Klaus Naumann, der zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschuss in Brüssel gewählt wurde.

    Damit erreichte die Karriere des am 17. Juli 1938 in Braunsberg/Ostpreußen geborenen ihren Höhepunkt. Ende des Krieges aus seiner Heimat vor dem russischen…

  • 24Jan
    Europa-Wahl 2024: die EVP fordert „echten“ EU-Außenminister sowie Verteidigungskommissar

    In ihrem Wahlprogramm für die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament, welches auch Neuerungen in Kommission und Rat beinhaltet, fordert die von der konservativen Parteienfamilie gebildete EVP, der auch CDU und CSU angehören, zahlreiche Änderungen in den Kommissar-Portfolios, Gremien und der Marktintegration.

    Mit dem Ziel, die Handhabung der außen- und verteidigungspolitische Agenda der EU entscheidend zu verbessern, spricht sich die EVP für die Schaffung eines "echten"…

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:              
Reichstagufer 14, 10117 Berlin  
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.

 

 

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.