Mit der Wahl von Dr. Eva Högl (SPD) am 7. Mai zur „Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages“ wird zum zweiten Mal eine Frau dieses Amt übernehmen. Sie löst Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) ab, der nach fünfjähriger Amtszeit von seiner Fraktion nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen worden war.
Eva Högl, am 6. Januar 1969 in Osnabrück geboren, machte 1988 Abitur, studierte Rechtwissenschaften an den Universitäten Osnabrück und Leiden (NL) und promovierte 1997.
2009 erfolgt ihre Wahl in den Bundestag. Nun wird sie gem. Artikel 45b des GG „Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle…“ für die nächsten fünf Jahre tätig sein. Mit Bundeswehr und Sicherheitspolitik hatte die Abgeordnete in ihrer parlamentarischen Arbeit bisher nichts zu tun. Ihre Arbeitsbereiche waren die Felder der Rechts- und Innenpolitik. Seit Dezember 2013 ist sie auch stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, deren Vorsitzender Rolf Mützenich die treibende Kraft ihrer Nominierung gewesen sein soll.
Das Amt des Wehrbeauftragten wurde bei den Schweden abgeschaut
Ein Blick in die Geschichte zeigt eine Institution, die es in Deutschland erst seit 1959 gibt. Anfang der 1950er Jahre war die Entscheidung gefallen Streitkräfte aufzustellen. Der sozialdemokratische Abgeordnete Ernst Paul, der in Schweden die Institution des „Militie-Ombudsman“ kennen gelernt hatte, forderte auch für die neuen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland einen „Ombudsmann“. Mit seiner Forderung stieß er sogleich auf Widerspruch bei alten Militärs aber auch bei den Parlamentariern. Regierung und Opposition einigten sich dann aber auf einen Kompromiss, das Kontrollinstrument des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages, einzuführen.
Die Geburtswehen zogen sich hin
Es dauerte aber noch einige Zeit bis zur Ernennung des ersten Wehrbeauftragten. Mit der Ergänzung des Grundgesetztes vom 26. Februar 1954 wurde die Wehrhoheit des Bundes ermöglicht. Durch die Ratifizierung des „Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantik-Vertrag“ im Oktober 1954 fiel die Entscheidung zur Aufstellung von Streitkräften. Am 12. November 1955, am 200. Geburtstag Gerhard von Scharnhorst, erhielten 101 Soldaten in der Kraftfahrzeughalle der Ermekeil-Kaserne in Bonn ihre Ernennungsurkunden. Die ersten Freiwilligen rückten Anfang Januar 1956 in Andernach, Nörvenich und Wilhelmshaven ein. Im März billigte der Bundestag die Wehrverfassungsnovelle, damit war der Weg für die Einführung der Wehrpflicht frei. Ins Grundgesetz wurde der Artikel 45 b aufgenommen. Er lautet: „Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Gesetz“.
Erster Wehrbeauftragter mit kurzer Amtszeit
Unter dem Eindruck des „Iller-Unglücks“ am 3. Juni 1957, bei dem 15 Grundwehrdienstleistende in der Iller bei Kempen ertranken, wurde am 26. Juni 1957 das „Gesetz über den Wehrbeauftragten“ beschlossen. Aber wieder ging Zeit ins Land und erst im Februar 1959 wählte der Bundestag Helmut von Grolman zum Wehrbeauftragten. Der ehemalige Generalleutnant war Staatssekretär im niedersächsischen Vertriebenenministerium. Er war parteilos, alle späteren Wehrbeauftragten gehörten einer im Bundestag vertretenen Partei an. Mit ihm begann ein neuer Teil deutscher Verfassungs- und Militärgeschichte. Der erste „Jahresbericht 1959“, an das Parlament, erschien am 8. April 1960. Schon ein Jahr später stellte er sein Amt aus persönlichen Gründen zur Verfügung. Nachfolger wurde am 8. November 1961 der Bundestagsabgeordnete Hellmuth Guido Heye. Aber auch der ehemalige Vizeadmiral ging schon nach drei Jahren von Bord. Er hatte die Illustrierte „Quick“ dazu benutzt, seine Sorgen über die Bundeswehr in die Öffentlichkeit zu transportieren, das kam im Parlament nicht gut an.
Wehrdienst nicht mehr Voraussetzung für das Amt
Die nächsten Wehrbeauftragten Matthias Hoogen (1964-69) und Fritz Rudolf Schultz (1970-75) amtierten fünf Jahre. Mit Karl Wilhelm Berkhan (1975-85) übernahm erstmals ein Sozialdemokrat das „Wächteramt“. Ihm folgten Willi Weiskirch (1985-90) und Alfred Biehle (1990-95). Nach einer Gesetzessänderung, dass der Wehrbeauftragte nicht Wehrdienst geleistet haben muss, kam es am 30. März zur Wahl der Abgeordneten Claire Marienfeld. Die heutige Ehrenpräsidentin der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) wurde von den Medien gern als „Mutter Courage“ bezeichnet. Ihr folgten Wilfried Penner (2000-05), Reinhold Robbe (2005-2010), Hellmut Könighaus (2010-2015) und Hans-Peter Bartels (2015-2020).
Umfangreicher Kummerkasten
Als Bartels im Januar 2020 dem Bundestag den 61. Jahresbericht (Bundesdrucksache 19/1650) vorlegte, konnte er nicht ahnen, dass dieser sein letzter sein würde. Im Laufe der Jahre wurden die Jahresberichte immer umfangreicher, der jetzige umfasst 118 Seiten. Das Stichwortverzeichnis reicht von A400M bis Zwei-plus-Vier-Vertrag.
Im Berichtsjahr 1959 gab es 3.368 Eingaben bei einer Jahresdurchschnittsstärke von 248.800 Soldaten. Ein Jahr vor der Wiedervereinigung 1989 erhielt der Wehrbeauftragte 10.190 Eingaben von den 486.825 Soldaten. Im Berichtsjahr 2019 betrug die Gesamtzahl der erfassten Vorgänge 3.835 bei einer Durchschnittsstäre von 182.219 Soldaten. 1959 betrug die Vorgangsquote je Tausend aktiver Soldaten 13,5 im 2019 waren es 21.
Im Berichtsjahr 2019 jährte sich zum 60. Mal der Amtsantritt des ersten Wehrbeauftragten. Heute, am 7. Mai 2020, wurde Eva Högl, mit 389 von 656 abgegebenen Stimmen als 13. Wehrbeauftragte im Parlament zum „Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle“ über die Bundeswehr, gewählt. Ihr Motto: „Eva. Mit Herz für Mitte“ wird sie nun im Umgang mit der Truppe unter Beweis stellen müssen.