Flucht vor der Pandemie

Flucht vor der Pandemie

Seit mehr als 15 Monaten beherrscht ein Virus die täglichen Schlagzeilen – und verdrängt damit die Aufmerksamkeit auf so manch anderes. Im Fokus stehen zurecht die Corona-Opfer und die verzweifelten Versuche zur Eindämmung weiterer Krankheitsfälle, aber auch die Einschränkungen im öffentlichen Leben ganz unmittelbar. Der Blick der Politik und auch der meisten Menschen ist wie selten zuvor nach innen gerichtet.

Globale Aspekte der Pandemie werden hingegen in vielen Bereichen erst nach und nach sichtbar. Dazu gehören nicht zuletzt auch Flucht- und Migrationsbewegungen. Auch wenn dieses Thema in den vergangenen Monaten aufgrund der pandemiebedingten Grenzschließungen an Schubkraft eher verloren haben sollte: Es wird die betroffenen Regionen – und früher oder später auch Deutschland – wieder einholen, und dies dann infolge der eingetretenen wirtschaftlichen und sozialen Covid-19-Folgen in verstärktem Maße.

Umso wichtiger ist, die vor wenigen Tagen vorgelegten Empfehlungen der „Fachkommission Fluchtursachen“ der Bundesregierung (auf der Homepage des BMZ abrufbar) ernst zu nehmen. Interessant sind vor allem vier Handlungsfelder:

  1. Krisenvorbeugung und Konfliktbewältigung. Dabei wird herausgestellt, wie unabdingbar in der Sicherheitspolitik ein vernetzter Ansatz ist. Afghanistan und Syrien zeigen den entsprechenden Bedarf, aber auch die Defizite der Praxis auf.
  2. Sicherung von Lebensgrundlagen und Entwicklungsperspektiven in den Herkunftsstaaten. Dazu gehören insbesondere eine nachhaltige Ernährungssicherung, gute Bildungs- und Gesundheitssysteme sowie soziale Sicherung.
  3. Klimawandel und seine Auswirkungen. Der Klimawandel verschlechtert die Lebensbedingungen in weiten Regionen durch Wassermangel, Wetterextreme und Artensterben. Er ist einer damit einer der großen Treiber von Flucht und irregulärer Migration.
  4. Flüchtlinge und Vertriebene vor Ort sowie Aufnahmeländer. Besondere Aufmerksamkeit erfordert dabei die Binnenvertreibung – die oft weit höher, aber zugleich viel weniger sichtbar ist als die internationale Migration. Dabei weiß man: Die Binnenvertriebenen von heute sind die Flüchtlinge von morgen.

Unter dem Strich bedeutet eine konsequente, an den Wurzeln ansetzende Migrationspolitik mehr als „nur“ einen Beitrag zu leisten für die globale Solidarität. Allzu oft wird übersehen, wie sehr sie auch unserem eigenen nationalen Interesse entspricht. Die Ursachen von Flucht und irregulärer Migration durch Konfliktprävention und Resilienz anzugehen, ist allemal weniger aufwändig als ihre Folgen zu bewältigen. Umgekehrt: Wer behauptet, das Brett sei für uns Europäer zu dick und die Aufgabe zu gewaltig, der macht es sich wohl entschieden zu leicht.

Der Kommissionsbericht endet – das erinnert schon etwas an die jüngsten Vorschläge aus dem BMVg zur Reform der Bundeswehr – mit Empfehlungen, die in die Verhandlungen zur Regierungsbildung ab dem Herbst 2021 einfließen sollten. Unter anderem wird ein „Rat für Frieden, Sicherheit und Entwicklung“ gefordert. Mit anderen Worten: Schaun wir mal, was davon nach der Bundestagswahl wirklich übrigbleibt.


Umfrage

Flucht und unkontrollierte Migration im globalen Bereich werden sich infolge der Corona-Pandemie direkt oder indirekt weiter verstärken.

  • Ja:
    93.33%
  • Nein:
    6.67%

Der sicherheitspolitische Ansatz, neben den Symptomen vor allem die Ursachen von Flucht und unkontrollierter Migration zu bekämpfen, wird noch viel zu wenig stringent verfolgt.

  • Ja:
    93.33%
  • Nein:
    6.67%

Generell wird die Bedeutung vorausschauender Entwicklungszusammenarbeit in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik unterschätzt.

  • Ja:
    73.33%
  • Nein:
    26.67%

Kommentare (2)

  • Claus Jähner vom 30.05.2021 um 19:34
    Und?
    Hat uns die Fachkommission irgend etwas neues verraten? Wissen wir das alles nicht schon seit Jahren / Jahrzehnten?
  • Kersten Lahl vom 31.05.2021 um 10:01
    Ja, es stimmt. Wirklich neu daran ist kaum etwas. Umso mehr stellt sich aber die entscheidende Frage: Was geschieht mit diesen Erkenntnissen in der Praxis? Und - falls sie dort nicht oder zu wenig gewürdigt werden: Warum ist das so? Solange also der Migrationsdruck anhält, sind Ursachenforschung und Ursachenbenennung weiter angeraten.

Bitte einloggen um einen neuen Kommentar zu verfassen.
zum Login

Noch nicht registriert?
zur Registrierung

Letzte News

  • 15Apr
    Alte Bedrohungen mit neuen Mittel - 10. Sicherheitspol. Bodenseekongress

    Dieser fand am 13. April in Friedrichshafen im Graf-Zeppelin-Haus statt. Die renommierte drei Länder Veranstaltung sicherheitspolitischer, militärischer und wehrtechnischer Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz widmete sich dem aktuellen Thema: Der Ukraine-Krieg und seine Folgen für Europa – militärisch, politisch und ökonomisch. Die militärische Sicht und Lagebeurteilung, des nun schon über zwei Jahre währenden Krieges, nahm Generalleutnant Mag. Bruno Günter Hofbauer vor.…

  • 15Apr
    Schwedens Mehrwert für die NATO - Das 32. Mitglied im Atlantischen Bündnis

    Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson hatte mit seinem Außenminister Tobias Billström die Beitrittsurkunde seines Landes zur NATO bereits im März in Washington hinterlegt. Billström ist weiterhin unterwegs, die die Abkehr von der faktischen Neutralität Schwedens nach mehr als 200 Jahren zu begründen und den Gewinn für das atlantische Bündnis zu erläutern.

    Hierzu hatte die schwedische Botschaft in Berlin gemeinsam mit der HERTIE School zu einer Veranstaltung mit ihm Ende März…

  • 25Mar
    4. April 2024 – 75 Jahre NATO. Gemeinsinn und Neuausrichtung ist nötig

    Das 75-jährige Bestehen der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) wäre ein guter Grund zum Feiern. Doch die sicherheitspolitische Lage in der Welt, besonders die Kriege in der Ukraine und in Gaza, sind kein Grund dafür. Die NATO ist mit Finnland (4. April 2023) und Schweden (7. März 2024) auf 32 Nationen angewachsen. Aktueller Anlass war die „Spezialoperation“ der russischen Föderation am 24. Februar 2022 in die Ukraine. Seit Wladimir Putin am 18. März 2024 wieder zum Präsidenten gewählt…

  • 12Mar
    Zypern – Ausgangspunkt für Gaza-Hilfe

    „Open Arms“ mit Hilfsgütern unterwegs

    Wieder einmal steht die östliche Mittelmeerinsel Zypern im öffentlichen Interesse.  Von der Hafenstadt Larnaka, im Südosten der Insel, ist das erste Schiff mit Hilfslieferungen Richtung Gaza in See gestochen. Die „Open Arms“, gehört einer spanischen Hilfsorganisation ist mit 200 Tonnen Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten unterwegs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsident Nikos Christodoulides waren die Antreiber für…

  • 23Feb
    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“ / Die Zukunft der Ukraine in Europa

    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“

    Die Zukunft der Ukraine in Europa

    „Cafe Kyiv – Wir wählen die Freiheit“: unter diesem Motto veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 19. Februar mit 30 Partnerorganisationen, u.a. auch der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, im Colosseum in Berlin zum zweiten Male nach 2023 ein vielseitiges Programm mit Workshops, Diskussionen, Salons und kulturellen Aktivitäten.  Themen wie Freiheit, Europa, Sicherheit und Wiederaufbau der Ukraine standen…

  • 17Feb
  • 16Feb
    Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) - Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, wird die 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) eröffnen. Sie findet vom 16. bis 18. Februar 2024 statt. Für das Jubiläum hat sie ihrem Kürzel-Logo eine 60 beigefügt. Gründer dieser sicherheitspolitischen Konferenz war Ewald-Heinrich von Kleist.  Unter dem Namen „Wehrkundetagung“ wurde sie 1963 erstmals in München ausgerichtet. Teilnehmer waren u.a.…

  • 03Feb
    BM Christian Lindner bestätigt Zwei-Prozent-Ziel für Vtdg-Haushalt bis 2028

     

    Der „Hüter der Schuldenbremse“ Bundesfinanzminister Christian Lindner bestätigt das Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungsetat, trotz massiver Budgetzwänge, in der mittelfristigen Haushaltsplanung. Im Interview beim diesjährigen Gipfel der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am 1. Februar bekräftigte Bundesfinanzminister Lindner das Vorhaben der Bundesregierung, bei den Beratungen für den Haushalt 2025 zur mittelfristigen Budgetplanung bis 2028 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für…

  • 30Jan
    General a.D. Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

    Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

     

    30. Januar 2024 Von Peter E. Uhde

     

    Vergangenen Freitag, den 26. Januar 2024 ist General Hartmut Bagger in Meckenheim verstorben. Am 8. Februar 1996 wurde er Nachfolger von General Klaus Naumann, der zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschuss in Brüssel gewählt wurde.

    Damit erreichte die Karriere des am 17. Juli 1938 in Braunsberg/Ostpreußen geborenen ihren Höhepunkt. Ende des Krieges aus seiner Heimat vor dem russischen…

  • 24Jan
    Europa-Wahl 2024: die EVP fordert „echten“ EU-Außenminister sowie Verteidigungskommissar

    In ihrem Wahlprogramm für die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament, welches auch Neuerungen in Kommission und Rat beinhaltet, fordert die von der konservativen Parteienfamilie gebildete EVP, der auch CDU und CSU angehören, zahlreiche Änderungen in den Kommissar-Portfolios, Gremien und der Marktintegration.

    Mit dem Ziel, die Handhabung der außen- und verteidigungspolitische Agenda der EU entscheidend zu verbessern, spricht sich die EVP für die Schaffung eines "echten"…

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:              
Reichstagufer 14, 10117 Berlin  
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.

 

 

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.