Im Blickfeld: deutsch - deutsche Militärgeschichte

Im Blickfeld: deutsch - deutsche Militärgeschichte

Die Karikatur auf dem Programmflyer verspricht Kontroversen aber auch Spannung. Zwei bewaffnete Herren stehen sich, getrennt durch NATO-Draht, gegenüber. Auf der linken Bildseite in amerikanischer Uniform ist unzweifelhaft der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer zu erkennen. Auf der rechten Hälfte ist Walter Ulbricht dargestellt, Erster Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei der DDR, mit Wehrmachtshelm, das Seitengewehr am Koppel und „Knobelbecher“ an den Füßen. Die Karikatur von Ernst Maria Lang erschien in der Süddeutschen Zeitung 1956. Sie symbolisiert den Aufbau zweier Armeen im geteilten Deutschland.

Die Karikatur von Ernst Maria Lang auf dem Programmflyer der 60. ITMG

Hardcover: Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945 - 1990, ISBN 978-3-96289-070-4, 80,00 €

Die Tagungsteilnehmer konnten sich auch über Fachliteratur informieren (Foto: Uhde)

von Peter E. Uhde

„Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945 – 1990“

„Repräsentation, Organisation und Tradition von Streitkräften in Demokratie und Diktatur“ war der Untertitel des Programms der 60. Internationalen Tagung für Militärgeschichte des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Zusammenarbeit mit der Ranke Gesellschaft.  Sie fand vom 17. bis 19. September in Potsdam statt. Grund sich diesem Thema zu zuwenden ist, zum einen der Fall der Mauer am 9. November 1989, zum anderen, dass das Interesse an gesamtdeutscher Geschichte in letzter Zeit zugenommen hat. Die Existenz des Zeitraums von Bundeswehr und Nationale Volksarmee (NVA) wird als abgeschlossen betrachtet. Nun stellt sich die Frage für   Historiker und Soziologen, wie die Geschichte der Streitkräfte in einer Demokratie und in einer Diktatur in Zusammenhang gebracht werden kann. Kapitän zur See Jörg Hillmann, Kommandeur des ZMSBw und Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler, gehen in ihrer Begrüßung und Programmerläuterung darauf ein. Die Einführung zu den Impulsreferaten des ersten Tages und der folgenden sechs Panels der beiden folgenden Tage erläutern die Organisatoren der 60. ITMG Jörg Echternkamp und Christoph Nübel. Nübel ist der Herausgeber des Buches „Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1949 – 1990“. Vorgestellt wird das tausendseitige Werk von Eckart Conze. Der Neuzeithistoriker ist u.a. Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums der Verteidigung für das ZMSBw. Der Untertitel „Bundesrepublik und DDR im Ost – West Konflikt“ erschließt die Geschichte der beiden deutschen Streitkräfte von ihren Anfängen bis zur Auflösung der NVA am 3. Oktober 1990. Eine Besprechung ist für später vorgesehen.

Inhaltliche Struktur der Tagung

Die Panels der beiden folgenden Konferenztage sind jeweils mit Themenüberschriften versehen. Sie lauten: I. Außenansichten deutscher Streitkräfte; II. Gesellschaftliche Urteile in der nationalen Binnenperspektive; III. Politische Organisation der Streitkräfte; IV. Militärische Organisation der Streitkräfte; V. Narrative und soziale Praxis der Traditionsstiftung und abschließend VI. Tourismus, Bedrohung, Militärdiktatur. Einige Anmerkungen zu einzelnen Vorträgen. Michael M. Olsanky, Zürich, referiert über schweizerische Innenansichten aus der Bundeswehr und Fernsichten auf die NVA 1959-1970. Diese Ansichten beruhen auf Erkenntnissen, die Schweizer Offiziere als Teilnehmer an Lehrgängen der Führungsakademie oder längeren Truppenbesuchen bei Verbänden der Bundeswehr erlangt hatten. Das Wissen über die NVA war bedeutend geringer, weil es so gut wie keine persönlichen Kontakte zwischen Schweizer und NVA-Offizieren gegeben hat. Relativ gut erforscht ist die west- und ostdeutsche Friedensbewegung über Militär und Militarismus, die als Herausforderung und Chance für eine deutsch-deutsche Annäherung gesehen wird. Claudia Kemper, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Handelskammer Hamburg, beleuchtet diesen Themenkomplex.

Westorientierung versus Ostorientierung

Die Entwicklung der militärischen Spitzengliederung des Militärs in beiden deutschen Staaten von der Aufstellungsphase in den fünfziger Jahren an erläutert Rudolf Schlaffer, ZMSBw. In beiden Streitkräften wird für den Aufbau auf ehemaliges Personal der Wehrmacht zurückgegriffen. In der DDR spielt die gesellschaftliche politische Vergangenheit eine Rolle. Für die Auswahl des Bundeswehrführungspersonals wird der Personalgutachterausschuß eingerichtet, der alle Bewerber ab Oberst prüft. Dorothee Hochstetter, ZMSBw, spricht über die Funktion der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte durch den Verteidigungsausschuss im Bundestag und der Volkskammer. Vergleiche in der Organisation, Repräsentation und Praxis der parlamentarischen Verteidigungspolitik sind kaum zu ziehen. Ein relativ unerforschtes Feld sind die Veteranenorganisationen und deren Politik im geteilten Deutschland. Kameradschaftstreffen ehemaliger Truppenteile oder Waffengattungen, Interessenvertretung für soziale Besserstellung, Suchdienstfunktion oder auch Forderung nach Freilassung Gefangener waren in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik Anlass dazu, so Michael Epkenhans. Den Vergleich der Landstreitkräfte in ihren Gliederungen Regimenter, Brigaden und Divisionen und deren personellen Stärke nimmt Klaus Storkmann vor. Hier sind Ähnlichkeiten an der Tagesordnung. Ganz anderes sieht es bei der „Politischen Bildung“ der Bundeswehr und der „Politisch-ideologischen Arbeit“ der NVA aus. Beides Ausbildungsgebiete, die in der Truppe nicht immer auf große Gegenliebe stoßen und am ehesten dem „Zeitmangel“ geopfert werden. In der NVA wird allerdings mehr Zeit dafür aufgewendet. Eigens ausgebildete Politoffiziere stehen dafür zur Verfügung.

„Deutsch-deutsche Geschichte im Kalten Krieg“,

Lautet das Thema des Abendvortrags von Dominik Geppert, Potsdam. Das geteilte Deutschland ist ein Produkt des Kalten Krieges, Generationswechsel sind hier wichtiger als in anderen Ländern, die innerdeutsche Grenze trennt Menschen und zerstört die Topografie des Landes. Der Redner geht auf die unterschiedliche bauliche Entwicklung Bonns und Ostberlins ein. Stehen im Westen Funktionalität und Transparenz der neuen Regierungsbauten im Vordergrund, sieht das im Osten anders aus. Die Bauten an der Stalinallee sind ein Beispiel dafür. Nicht eingegangen ist er auf die Integration der Bundesrepublik in den europäischen Integrationsprozess. Die beiden Themen „Zwischen Mythologie und Ideologie - Tradition in der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee“, vorgetragen von John Zimmermann, Berlin, und von Jens Boysen, Warschau „Schimmernde Wehr über den Regimen. Traditionspflege und öffentliches Repräsentationswesen der Polnischen Armee als moralische Stütze der ‚ewigen Nation‘ 1918-2018, verdeutlicht das unterschiedliche Verständnis beider Staaten aus ihrer militär-historischen Entwicklung heraus.

Hier Generalist, dort Spezialist

Eine Untersuchung die sicher weiteren Forschungen bedarf, ist das ambivalente Verhältnis von Militär und Tourismus in der Bundesrepublik und der DDR. Jan-Hinnerk Antons, Hamburg, beschäftigt sich damit. Auf eine ganz andere Politikebene führt Georg Schild, Tübingen, die Zuhörer, in dem er ihnen die Bedrohungswahrnehmungen der Regierung von Ronald Reagan (1981-1989 40. Präsident der USA) erläutert. Den letzten Vortrag der Tagung hat Thorsten Loch, der sich mit „Der Kulturraum des Militärischen in Ost und West“ befasst. Im Westen ist es die Ausbildung zum Generalisten, im Osten hingegen die zum Spezialisten. Der Referent zeigt hierzu die Entwicklungslinien vom Beginn des 19. Jahrhundert auf. Mit einer kurzen Schlussdiskussion und dem Hinweis auf die im nächsten Jahr stattfindende Tagung endet die 60. ITMG.

 

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