Krisen, Konflikte, Katastrophen und Kriege erhöhen das Interesse an Informationen. Diese, als Binsenweisheit bekannte Tatsache, haben die österreichischen Organisatoren des „Sicherheitspolitischen Bodenseekongresses 2023“ mit einem aktuellen Bezug versehen. Die diesjährige Veranstaltung hatte den Titel „Information als Waffe“. Im Montfortsaal des Stadthauses Vorarlberg begrüßten Gastgeber und Mitveranstalter Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, sowie aktive Soldaten und Reservisten aus dem Dreiländereck Deutschland, Österreich und Schweiz.
Einige allgemeine Vorbemerkungen zum Begriff Information. Sie ist ein, wenn nicht sogar das wichtigste Führungsmittel. Wer wüsste das nicht besser als Vorgesetzte, egal in welcher Position sie in der Berufswelt angesiedelt sind. Bezugnehmend auf den Eingangssatz, kann weiter festgestellt werden, je unmittelbarer, je näher und intensiver sie sich auswirken, desto größer wird das Informationsbedürfnis. Hierfür gibt es genügend Untersuchungen, die das belegen.
Ein Beispiel aus der Vergangenheit, die Terroranschläge vom 11. September 2011, machte das deutlich. Die neue weltgeschichtliche Epoche begann mit einem riesigen Informationsbedürfnis über Fragen: wer, wie, warum, weshalb, was nun und wie geht es weiter. Elf Jahre später, am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg auf das Nachbarland Ukraine. Aber schon seit Jahren läuft ein russischer Desinformations- und Propagandakrieg gegen die westliche Werteordnung. Schauen wir einmal auf die Geschichte und den Gebrauch von Propaganda.
Der Ursprung kommt aus Rom. Die päpstliche Behörde Sacra congregatio de propaganda fide (Heilige Kongregation für die Verbreitung des Glaubens) wurde 1622 gegründet, um dem Protestantismus zu bekämpfen. Worte wurden zur Gegenwehr, letztlich als Waffe benutzt. „Die Waffe, die auf die Seele zielt“, lautet der Titel eines Buches, das sich mit der Psychologischen Kriegsführung 1939-1945 befasst. Im Vorwort wird Alexander Puschkin (1799-1837) zitiert, „Ja, das Wort ist eine Waffe, eine Waffe, die man oft unterschätzt oder auch mißbraucht…“ Noch ein anderes Beispiel: „Schreiben Sie man immerzu, gegen wen es auch sei. Ich nehme alles uf mir, aber das sag ich Sie: Wahrt muß es sinds“. Diese Worte richtete Feldmarschall Blücher an den Journalisten Joseph Görres nach der Schlacht bei Waterloo am 18. März 1815.
Nun in die Gegenwart. Als erster Redner von drei Impulsreferaten trat der Österreicher Peter Plainkner, Medienexperte und Berater für politische Kommunikation, ans Pult. Er widmete seinen Vortrag der aktuellen Medienlandschacht und deren Besonderheiten in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Mit Zahlen und Statistiken informierte er über Entwicklungen in den letzten Jahren, bis hin zum Status quo. Seine Feststellung, dass die traditionellen Massenmedien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen, egal ob öffentlich-rechtliche oder private, mit einer Vertrauenskrise zu kämpfen haben, ist unabhängig vom Erscheinungsland.
Die Ablösung der herkömmlichen Informationsnutzung durch Soziale Medien (Social Media) bzw. Plattformen hat ein ganz anderes Verhalten der User ergeben. Die Verantwortung für wahre Berichterstattung, die seriöse Medien haben, erfüllen diese nicht. Daraus folgt, dass Desinformationen sich ungehindert verbreiten können. Dem Weg für die sogenannte hybride Kriegsführung sind Tür und Tor geöffnet. Für den Informationsnutzer wird es auch immer schwieriger, zwischen wahren und gefälschten Nachrichten zu unterscheiden.
Als Fake News werden manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachrichten bezeichnet. Der einhergehende Vertrauensverlust betrifft aber nicht nur die Medien, sondern fast alle Institutionen des Staates. Nach der Finanzkrise ist das besonders in der CORONA-Pandemie deutlich geworden. „Die Verantwortung von Medien erfüllen sie [Soziale Medien] auf keinen Fall“, stellt Plainkner fest. Dem gegenüber bleibt die Verantwortung der Medien, z.B. als vierte Gewalt, die für Falschbehauptungen juristisch belangt werden können. Polarisierung in den Sozialen Medien hat sich zum Geschäftsmodell entwickelt.
Nach dieser Tour d’Horizon übernahm Dirk Schmittchen vom Institut für internationale Politik und Wirtschaft, Haus Rissen, Hamburg, das Pult. Er ging auf Wirkungen von Informationen und Desinformationen ein. „Die Zeit der Friedensdividende ist endgültig vorbei“, meinte er gleich zu Beginn. Deutschland muss mehr für seine Sicherheit und Verteidigung tun. Die NATO stellte 2022 in Madrid fest, dass Russland kein Partner mehr ist. Die Ukraine ist ein Schlachtfeld, die Kriegsgegner sind wir. Die Kreml-Elite ist antiwestlich eingestellt. Was im Roman „1984“ von George Orwell beschrieben ist, passiert jetzt. Die Schwächung der westlichen Unterstützung für die Ukraine ist ein zentrales Element der russischen Desinformationskampagnen.
An einigen historischen Kampagnenbeispielen erläutert der Redner, dass diese Art der Informationskriegsführung nicht Neues ist. Der Unterschied zu früher ist nur, dass es keine Sozial Media gab. Bei jeder Nachricht ist also immer zu fragen, wem nutzen die Informationen noch? Die Friedensbewegung in den achtziger Jahren wurde aus dem Osten gesteuert und finanziert. Die Aussagen zweier Flugblätter, verteilt auf Friedensdemonstrationen in Stuttgart und Hamburg, weisen den Westen als Schuldigen am Krieg in der Ukraine aus. Was kann gegen diese Art der Beeinflussung getan werden? Die eigene Resilienz und Abwehrmaßnahmen der Gesellschaft stärken. Sein Fazit: „Wir müssen aufpassen, dass wir den Informationskrieg nicht verlieren.“
Als dritten Impulsgeber hatten die Veranstalter den Schweizer Georg Häsler engagiert. Der Artillerist und Journalist der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) referierte über „Abwehrmaßnahmen zum Schutz der Gesellschaft und sicherheitspolitische Interessen. Über ihn ist zu lesen: „Mit seinem Fachwissen als Milizoberst besetzt er eine Nische in der Schweizer Journalistenszene. Die NZZ hat diese Lücke 2020 mit der Schaffung seines Stellenprofils geschlossen.“ Im Hinblick auf deutschen Journalismus ist in den Verlagshäusern so etwas nicht festzustellen.
Der Informationsraum ist eine wesentliche Nachrichtenquelle, aus dem alles zu bekommen sind. Eigentlich ist nichts mehr geheim zu halten. Möglich macht das Open Source (offener Quellcode) im Internet Geheimhaltung funktioniert nur noch durch mündliche Kommunikation. Ihn können und nutzen Journalisten, Bürger und Geheimdienste. An einigen Beispielen erläutert Häsler, dass der Informationskrieg von Uneindeutigkeiten lebt. Diese führen zu Zweifeln am Geschriebenen und Gesagten. Sein Ziel ist es, die westlichen Staatengemeinschaften und deren Gesellschaften zu spalten. Themen mit denen das gemacht werden kann, gibt es genügend. Dafür bieten sich gerade an: Energiekrise, Migration, Identität oder Atomangst. Die Demokratien müssen dagegenhalten. Eine ihrer Stärken, meinte Häsler, ist der Pluralismus.
Den Schlussakkord des Kongresses bildete die Podiumsdiskussion. Hierbei gab es Ergänzungen zu den Referaten. Bemängelt wurde die geringe Medienkompetenz, für die mehr getan werden muss. Zeit für Fragen oder eine Aussprache gab es nicht, das sollte zukünftig beachtet werden. Mit dem Dank an die „Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik in Vorarlberg“ und die Offiziersgesellschaft Vorarlberg“, als Gastgeber, das Militärkommando Vorarlberg und das Bundesland, der Schweizer Sektion der Europäischen Militärpresse Vereinigung (EMPA) sowie allen deutschen Mitveranstaltern, darunter die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) endete der Kongress. Für das nächste Jahr ist der 10. Sicherheitspolitische Bodenseekongress in Friedrichshafen geplant.