In der Republik Moldau herrscht der Ausnahmezustand. Auslöser war der am 24. Februar 2022 begonnene russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Etwa 100.000 ukrainische Flüchtlinge, hauptsächlich Frauen und Kinder, haben inzwischen hier Zuflucht gefunden. Der Landesname ist von dem Fluss Moldau, rumänisch Moldova, abgeleitet, der im Nordosten Rumäniens, in der Region Bukowina entspringt. Nicht zu verwechseln mit der in Tschechien fließenden Moldau. Im deutschen Sprachraum wird auch immer wieder Moldawien für den Staat verwendet.
Der Binnenstaat hat eine Fläche von 33.843 km2, die sich aus einer Nord-Süd-Ausdehnung von etwa 350 km und einer Ost-West von etwa 150 km ergeben. Im Norden, Osten und Süden hat die Republik Moldau eine 939 km Grenze zur Ukraine. Die 450 km Westgrenze zu Rumänien ist die Außengrenze zur Europäischen Union (EU). Der größte Teil des Staatsgebietes lieg zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten. Hier am Ostufer befindet sich die seit 1992 abtrünnige Republik Transnistrien. Sie ist weder von der Republik noch international von einem anderen Staat anerkannt. Das Gebiet umfasst rund 4100 Km2, mit rund 370.000 Bewohnern. Stationiert sind dort, seit der Abspaltung von Moldau, zwischen 1200 und 1500 russische Soldaten. Moldau und Transnistrien gehören zu den Regionen, für die der Terminus „eingefrorener Konflikt“ benutzt wird.
Beim Blick in alte Atlanten stellt man fest, dass Moldau unterschiedlichen Herrschaftsgebieten angehörte. Die Grenzen verschoben sich häufig, je nach Machtstrukturen die von Rumänien, dem Osmanischen Reich oder vom Zarenreich ausgingen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Gebiete Bessarabien und die Nordbukowina Rumänien zuerkannt. Die ehemalige Nordbukowina kam zur Ukraine. Das heutige Transnistrien wurde 1924 Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik. Durch den sogenannten Hitler-Stalin Pakt vom August 1939 kam Bessarabien unter russische Kontrolle und im Sommer 1941 wurde es durch deutsch-rumänische Truppen besetzt.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es wieder Grenzverschiebungen. Bessarabien wurde als Moldauische Sozialistische Republik (MSSR) in die Sowjetunion eingegliedert. Die Grenzen entsprachen etwa denen der heutigen Republik Moldau, einschließlich Transnistriens. Ab 1950 wurden auf dem Gebiet der MSSR Truppen der 14. Gardearmee stationiert.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte die kommunistische Regierung der MSSR am 28. August 1991 ihre Unabhängigkeit. Eine Folge davon waren Autonomiebestrebungen der russischen Minderheiten im Ostteil des Landes und auch der Gagausen im südlichen Landesteil. 1992 versuchte die Regierung das abtrünnige transnistrische Gebiet wieder mit militärischen Mitteln unter Kontrolle zu bringen. Der Versuch scheiterte, Transnistrien widerstand mit russischer Personal- und Waffenhilfe. Bei den Kämpfen gab es mehrere hunderte Tote. Im Juli 1992 kam es zum Waffenstillstand. Spätere Versuche durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und anderen Akteuren, wie der EU und den USA, den Konflikt friedlich zu lösen, sind bisher nicht gelungen. Mit Gagausien kam es 1994 zur Wiedervereinigung mit der Republik Moldau - als autonome Republik mit einigen Sonderechten, z.B. einem regionalen Parlament in Komrat.
In Moldau leben etwa 2,6 Millionen Menschen. Nach dem Zensus von 2014 setzt sich die Bevölkerung wie folgt zusammen: Moldauer (75,1 %), Rumänen (7 %), Ukrainer (6,6 %), Gagausen (4,6 %), Russen (4,1) und Bulgaren (1,9 %) und andere Minderheiten. Die Amtssprache ist rumänisch und mehr als 90 Prozent der Bevölkerung gehört Christlichen Kirchen an. Die Hauptstadt Chisinau hat etwa 732.000 Einwohner. Sie ist der politische, wirtschaftliche und kultureller Mittelpunkt des Landes.
2022 betrug das Bruttoinlandsprodukt 14,5 Milliarden US-Dollar, pro Kopf 5.528 US-Dollar. Größte Handelspartner sind Rumänien, China und Russland. Die Importe aus der Ukraine sind weggebrochen. Augenblicklich ist der größte Stromlieferant Rumänien mit 80 Prozent. Seit November letzten Jahres gibt es ein neues Zollabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Moldau. Mit Zollerleichterungen für den Handel versucht die EU, die durch den Ukrainekrieg für Moldau entstandenen Schwierigkeiten zu mildern. Ziel ist es aber auch Moldau näher an die EU heranzuführen, seit Juni 2022 hat das Land den Status des Beitrittskandidat. Schon seit 2014 besteht zwischen der EU und Moldau ein Assoziierungsabkommen.
Ein Blick auf die moldauischen Streitkräfte macht deutlich, dass das Land sich bei einem russischen Angriff nicht verteidigen könnte. Etwas über 5.000 Soldaten dienen bei Heer und Luftwaffe. Für männliche Moldauer besteht eine 12-monatige Wehrpflicht, 58.000 Reservisten wären mobilmachungsfähig. 2020 betrug das Militärbudget 0,4 Prozent des BIP (44,5 Millionen USD). Die Ausrüstung stammt noch überwiegend aus Sowjetzeiten. Grenzschutz- und Innere Truppe ergänzen die Streitkräfte. Beteiligungen an Missionen der Vereinten Nationen als Peace Keeper, der EU und auch NATO kommen immer wieder vor. In der Transnistrischen Moldauischen Republik finden jährlich Übungen mit russischen Truppen statt. Die Manöverziele sind immer Richtung Westen gerichtet.
Im Februar wählte das moldauische Parlament eine neue Regierung mit Dorin Recean an der Spitze, der vorher die Staatspräsidentin Maia Sandu in Fragen der nationalen Sicherheit und Verteidigung beraten hat. Eine der dringendsten Aufgaben für die neue Regierung ist die Wahrung von Frieden und Sicherheit. Sie muss die Risiken und Bedrohungen richtig einschätzen und möglichst schnell eine neue Sicherheits- und Verteidigungsstrategie entwickeln. Gelingt ihr das nicht, wird der „eingefrorene Konflikt“ in Süd-Ost-Europa bestehen bleiben. Das in den letzten Tagen bekannt gewordene Strategiepapier aus dem Kreml zur Destabilisierung Moldaus, um das Land als „prorussisch orientierten Puffer“ wieder an seine Seite zu bringen, weist eher auf neue Unruhen in der Region hin.
Literaturhinweise:
Osteuropa – Konflikte verstehen. Praxis Handbuch; VdRBw/Andreas Dittmann, Robert Riemer, Arnold Teicht, Tectum Verlag, Baden-Baden
Russlands Militärpolitik im postsowjetischen Raum, Ziele Instrumente und Perspektiven; SWP-Studie 19, Verfasser: Margarete Klein