Nordmazedonien – 30. NATO-Mitglied
Internationale Sicherheitspolitik steht in diesen Tagen nicht im Interesse der Bevölkerung. Alles dreht sich um Gesundheitspolitik und wie die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen ist. Der Beitritt eines neuen Mitgliedes zur Nordatlantischen Allianz ist fast unbemerkt geblieben. Als Gesellschaft für Sicherheitspolitik begeben wir uns deshalb auf den Westbalkan, um uns Nordmazedonien zu nähern. Seit dem 30. März 2020 hat die NATO 30 Mitglieder. Nordmazedonien ist das achte NATO-Mitglied in Südosteuropa. Griechenland wurden 1952, Bulgarien, Rumänien und Slowenien 2004, Albanien und Kroatien 2009 und zuletzt Montenegro 2017 aufgenommen. Das Kosovo würde gerne, kann aber nicht, da mehrere NATO-Mitglieder es nicht als Staat anerkennen. In Bosnien-Herzegowina möchte der bosnische Bevölkerungsteil, der serbische nicht. In Serbien ist die Mehrheit ganz dagegen.
Lage und Grenzen
Nordmazedonien ist ein Binnenstaat und liegt auf dem südlichen Teil des Westbalkans. Die Gesamtfläche beträgt 25.713 km2 davon sind 477 km2 Wasserfläche. Das Land ist flächenmäßig etwas größer als Mecklenburg-Vorpommern. Die West-Ost-Ausdehnung beträgt 206, die Nord-Süd 188 Kilometer. Im Norden hat es eine 62 km Grenze zu Serbien, im Osten grenzen 148 km an Bulgarien, im Süden 246 km an Griechenland, im Westen 151 km an Albanien und im Nordwesten 159 km an das Kosovo. Die Gesamtlänge seiner Landes-grenzen beläuft sich auf 766 km.
Physisch-geografische Ausstattung Vorschlag Bergmassiv Golem Korab
Etwa 79 Prozent des Landes ist gebirgig, im Nordwesten sind die höchsten Erhebungen. Mit 2.764 m ist der Golem Korab der höchste Berg an der Grenze zu Albanien im Korab Gebirge. Der längste Fluss mit 388 km ist der Vardar, davon fließen 301 km durch Nordmazedonien und dann durch Griechenland in die Ägäis. Das fruchtbare Flusstal wird für Ackerbau, z.B. für den Anbau von Baumwolle, Tabak, Wein, Reis, Obst und Mohn genutzt. Im Süden des Landes eignet sich eine weitere Beckenlandschaft mit den Orten Bitola und Prilep für großräumige Bewegungen. Im Südwesten ist das von den Dessaretischen Seen erfüllte Becken. Hier befinden sich an der Grenze zu Albanien der Ohrid und der Prespasee. Das Klima ist gemäßigt kontinental, d.h. es gibt trockene heiße Sommer und kalte schneereiche Winter. In den Beckenlandschaften liegen die Niederschläge meist unter 500 mm pro Jahr. Das bedeutet künstliche Bewässerung für die Landwirtschaft.
Geschichte des 20./21. Jahrhundert
Am 20. Juli 1917 wurde mit der Deklaration von Korfu - hier hielt sich die Exilregierung der Kroaten auf - die Gründungsurkunde Jugoslawiens unterzeichnet. Südslawen und Serben erklärten darin, „die vereinte Nation der Serben, Kroaten und Slowenen“ werden einen gemeinsamen südslawischen Staat schaffen. Am 1. Dezember 1918 wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ proklamiert. Auf der Pariser Friedenskonferenz im Mai 1919 erfolgte die völkerrechtliche Anerkennung dieses Staatsgebildes, das es vorher noch nicht gegeben hatte. Dort lebten Anfang der zwanziger Jahre etwa zwölf Millionen Menschen. Am 28. November fand erstmals eine Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung statt. Am 21. Juni 1921 verabschiedete die Versammlung eine zentralistisch geprägte Verfassung, die Stellung des Königs war stark. Er konnte die Regierungsmitglieder ernennen und war Oberbefehlshaber. Im Juni 1928 erreichten die latenten Konflikte zwischen Serben und Kroaten einen Höhepunkt. Fünf Mitglieder der kroatischen Bauernpartei wurden im Parlament von einem Mitglied der Radikalen Volkspartei Serbiens erschossen. König Alexander übernahm darauf am 26. Januar 1921 die Macht, setzte die Verfassung außer Kraft und löste das Parlament auf. Nun begann die sog. „Königsdiktatur“, das Reich wurde in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt. Der Name Jugoslawien, geht auf das südslawische Wort „jug“ für „Süden“ zurück. 1932 kam es in Kroatien zu einem Aufstand, der durch serbisches Militär niedergeschlagen wurde. Kroatische und makedonische Nationalisten rächten sich durch die Ermordung von König Alexander während eines Staatsbesuches am 9. Oktober 1934 in Marseille. Prinzregent Paul übernahm die Regierungsgeschäfte. Am 6. April 1941 wurde Belgrad durch die deutsche Luftwaffe bombardiert und das Königreich in nur elf Tagen von der Wehrmacht überrollt. Am 17. April kapitulierte es. Nun begann auf dem Balkan ein Guerillakrieg gegen die deutschen Besatzer. Josip Broz, genannt Tito, wurde Anführer der kommunistischen Aufstandsbewegung. Der Krieg hatte sich bis Anfang 1945 hingezogen. Bei den am 11. November stattfindenden Wahlen gewann die kommunistische „Volksfront.“ Am 29. wurde die Monarchie abgeschafft und die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ ausgerufen. Zu ihr gehörten die Teilrepubliken Serbien, Kroatien, Slowenien, Makedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Makedonien und Bosnien-Herzegowina behielten ihren alten Grenzverlauf. Tito gelang ein eigener kommunistischer Weg und er konnte verhindern, dass die unterschiedlichen Ethnien des Vielvölkerstaates sich gegenseitig bekriegten. Nach seinem Tod am 4. Mai 1980 ließen sich die unterschwelligen Konflikte zwischen den verschiedenen Volksgruppen aber nicht mehr unterdrücken.
Politik in den vergangenen Jahren
Am 25. Januar 1991 erklärt sich Makedonien für selbständig. Am 8. September 1991 sprechen sich die Makedonier in einem Referendum für die Souveränität ihrer Republik aus. Dieser Tag ist Nationalfeiertag. Am 19. November konstituiert sich Makedonien als eigenständiger Staat. Die albanische Minderheit, rund ein Viertel der Bevölkerung, spricht sich dagegen aus und ruft am 5. April 1992 die „Albanische Autonome Republik Illyria“ aus. Als „Frühere Jugoslawische Republik Makedonien“ nehmen die Vereinten Nationen Makedonien am 8. April 1993 in die Völkergemeinschaft auf. Die ethnische Herkunft der beiden Nationalitäten ist voller Spannungen. Die Makedonier sind von Haus aus Slawen, die Albaner stammen dagegen von der nichtslawischen Urbevölkerung den Illyren ab. Hinzu kommt eine unüberbrückbare „Glaubensbarriere“. Makedonien ist eigentlich ein Landschaftsbegriff im nördlichen Teil Griechenlands. Dieser umfasst den geographischen Raum zwischen dem Massiv des Olymps, den ostalbanischen Randketten und dem Rhodopen. Der sich endlos hinziehende Streit um den Ländernamen zwischen Griechenland und Makedonien, der „erfundenen Nation“, brachte auch alte Namen für die ehemalige Sozialistische Republik hervor, nämlich Vardar-Mazedonien und auch Vardar-Republik, wurden aber verworfen. Nach jahrelangen Verhandlungen kam es dann doch zu einem Abschluss im Namenstreit. Im August 2017 wurde ein Freundschaftsvertrag mit Bulgarien geschlossen und Im Juni 2018 mit Griechenland das Prespa-Abkommen. Im Januar 2019 stimmten das mazedonische und das griechische Parlament dem neuen Namen zu. Im Februar protokollierte die NATO den Aufnahmeantrag und am 27. März 2020 trat die Mitgliedschaft in Kraft. Mit dem hissen der Flagge am 30. März vor dem NATO-Hauptquartier wurde die 30. Fahne aufgezogen. Die Flagge zeigt auf roten Hintergrund eine gelbe Sonne deren acht Strahlen bis an den Rand der reichen. Sie repräsentieren die in der nordmazedonischen Hymne erwähnte „Sonne der Freiheit“. Manchmal sieht man an Autos noch Aufkleber mit der von 1991-1995 geführte Flagge, dem Stern von Vergina. Vergina war Hauptstadt des mit Griechenland verfeindeten antiken Makedonien
Bevölkerung, Ethnien, Religion
Die Einwohner Nordmazedoniens zählen etwa 2,1 Millionen. In der Hauptstadt Skopje leben über 540.00 Menschen. Mit den Bewohnern des Umlandes sind es etwa 625.000. Die Landflucht treibt immer mehr Menschen in die größeren Städte. Die zweitgrößte Stadt mit etwa 75.000 Einwohnern ist Kumanovo. Nach Schätzungen leben etwa 600.000 Mazedonier in Nachbarländern und etwa 750.000 insgesamt im Ausland. Nordmazedonien musste schon einige Male starke Flüchtlingsbewegungen bewältigen. In den Jahren 1946 bis 1949 flüchteten viele Griechen vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat ins damalige Makedonien. 1992-1995 kamen Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, 1999 aus dem Kosovo und 2015/2016 über Griechenland aus Pakistan, Afghanistan, Nordafrika und anderen Ländern. Die Balkanroute ist ein bevorzugter Fluchtweg. Die ethnische Zugehörigkeit der Bevölkerung sieht folgenermaßen aus: 64,2 Prozent sind Mazedonier, 25,2 Prozent Albaner, 3,9 Prozent Türken, 2,7 Prozent Roma, 1,8 Prozent Serben, 1,3 Prozent Bosniaken und Sonstige. Etwa 70 Prozent sind Orthodoxe Christen, 25 Prozent sind Muslime, vor allem die albanisch stämmige Bevölkerung.
Wirtschaftssituation
Im aufgelösten Jugoslawien gehörte Mazedonien zu den ärmsten Landesteilen. Nach aktuellem Stand lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2018 bei 12,7 Milliarden USD. Die Weltbank, die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterstützen durch Kredite die infrastrukturelle wirtschaftliche Entwicklung. Das BIP pro Kopf beträgt etwa 5.151 USD. Dies wird erbracht durch Handel, Reparaturen, Transport, Hotels und Restaurants mit etwas über 18 Prozent, des Weiteren vom Bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, Industrie, Strom/Wasser/Gas mit über 17 Prozent, gefolgt vom Immobiliensektor, dem Agrarsektor, dem Baugewerbe, Finanzdienstleitungen, Versicherungen, Informationsleistungen und Telekommunikation. Einen hohen Anteil machen auch Transferleistungen der im Ausland wohnenden Mazedonier ins Heimatland aus. Die Arbeitslosenquote beträgt über 20 Prozent, bei Jugendlichen nach Schätzungen fast 50 Prozent, daher ist die Abwanderung aus der Heimat relativ hoch. Das Durchschnittseinkommen eines Berufstätigen beträgt nach offiziellen Angaben 400 Euro, das entspricht 37 Prozent des EU-Durchschnitts. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Deutschland ist vor Griechenland der größte Handelspartner Nordmazedoniens. Mit dem von Bundekanzlerin Angela Merkel initiierten Westbalkan-Prozess (auch Berlin-Prozess genannt) wird die Heranführung Nordmazedoniens an die Europäische Union unterstützt und gefördert.
Sicherheitspolitik und Streitkräfte
Nachdem sich die jugoslawischen Streitkräfte aus Nordmazedonien zurückgezogen hatten, wurde das „Gesetz über die Verteidigung der Republik Mazedonien“ verabschiedet. Danach wurden eigene Streitkräfte aufgestellt, die die Bewaffnung und Ausrüstung der jugoslawischen Territorialverteidigung übernahmen. Schon 1993 beschloss das Parlament die NATO-Integration. Erster Schritt war der Beitritt zur „Partnerschaft für den Frieden (PfP). Griechenland sträubte sich lange gegen einen NATO-Beitritt, gab ihn dann aber mit der Beilegung des Namenstreits auf. Die Berufsarmee (ATRM) hat eine Stärke von 8.000 Soldaten, dazu kommen etwa 5.000 Reservisten. Der Verteidigungshaushalt betrug 2017 rd. 112 Millionen USD, das entsprach etwa einem Prozent des BIP. Die Ausrüstung der Heereseinheiten, meist noch sowjetischer Bauart, ist veraltet. Aus Deutschland bekam Nordmazedonien das Sonderfahrzeug TM-170, das einstmals der Bundesgrenzschutz hatte. Auch die kleine Luftwaffe hat noch einige Hubschrauber und Verbindungsflugzeuge aus der jugoslawischen Zeit. Für die Überwachung des Grenzverkehrs auf dem Ohrid-, dem Prespa- und Dojransee werden Patrouillenboote eingesetzt. Die Polizeikräfte haben fast die Stärke der Armee und unterstehen dem Innenministerium.
Perspektive und Konfliktpotential
Der Streit mit Griechenland um den Landesnamen ist abgeschlossen, die Aufnahme in das Atlantische Bündnis erfolgt. Das bedeutet, dass das Land seine Armee ausbildungsmäßig auf NATO-Standard bringen muss. Zudem müssen Bewaffnung und Ausrüstung modernisiert und standardisiert werden. Das wird mit dem einem Prozent des BIP wohl kaum zu schaffen sein. Inwieweit sich in besserer Situation befindliche NATO-Partner das Land unterstützen werden, bleibt abzuwarten. Der EU-Beitritt ist das nächste Ziel der amtierenden Regierung. Übersehen werden darf nicht, dass die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung weiterhin Konfliktpotential in sich trägt. Das Interesse von Russland, den USA, China oder auch der Türkei an der geografischen Region des Westbalkan ist nicht geringer geworden.
Literatur, Quellen
Informationen zur Politischen Bildung (1966): Das Ende Jugoslawiens
APuZ (2017): Jugoslawien und APuZ (2019): Pariser Friedensordnung
WIFIS-AKTUELL Nr. 5 (o. D.): Der Balkan