OSZE - Beobachter an vielen Fronten / Von einer Konferenz zur regionalen ...

OSZE - Beobachter an vielen Fronten / Von einer Konferenz zur regionalen ...

OSZE - Beobachter an vielen Fronten

Von einer Konferenz zur regionalen Sicherheitsorganisation

Gewisse Buchstabenkürzel bedürfen keiner Erklärung. Sie begegnen uns täglich in Schriften, Abbildungen, Fotos oder auf Bewegbildern in den Nachrichtensendungen. So ist es auch mit den Großbuchstaben OSZE/OSCE. Dahinter verbirgt sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa/Organisation for Security Cooperation in Europe. Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar 2022 diese Buchstaben auch benutzt. Er sagte: „Die in der OSZE verbrieften Grundprinzipien stehen für uns dabei nicht zur Disposition. Russland hat ihnen zugestimmt und zu ihnen gehört auch das Recht auf die freie Bündniswahl“. Nähern wir uns dem Ursprung dieser Organisation und fragen nach der Wirksamkeit ihrer drei Zentralbegriffe: Sicherheit, Zusammenarbeit und Europa.

Militärische Sicherheit und Politik der Entspannung

Ihren Ursprung hat sie Mitte der sechziger Jahre. „Die Budapester Erklärung“ vom 5. Juli 1966 des politischen Ausschusses des Warschauer Paktes (WP) enthält den Vorschlag der Einberufung einer „Konferenz über Fragen der Europäischen Sicherheit“. Im Dezember 1967 definiert die NATO ihre zukünftigen Aufgaben im sogenannten Harmel-Bericht. Pierre Harmel war belgischer Außenminister und Ideenvater dieser Doppelstrategie.   Zusammengefasst bestehen sie aus: „Verteidigung und Entspannung.“ Im März 1968 wird durch den WP im „Budapester Appell“ vorgeschlagen, eine „Gesamteuropäische Konferenz“ einzuberufen. Die NATO erklärt sich daraufhin bereit, mit osteuropäischen Staaten sicherheitspolitische Themen zu erörtern. Die finnische Regierung bietet im Mai 1969 an, eine derartige Konferenz und die dafür notwendigen Vorbereitungstreffen auszurichten.

Ein neuer Begriff in der Sicherheitspolitik: „Körbe“

Im März 1971 findet in Paris ein erstes Treffen des „Unterausschuss KSZE“ der Staaten der Europäischen Gemeinschaft statt. Im Dezember erklären in Brüssel die NATO-Verteidigungsminister die Bereitschaft zu multilateralen KSZE-Verhandlungen. Im November 1972 beginnen in Helsinki die Vorbereitungen. Delegationsleiter sind die akkreditierten Missionschefs. Ihre Aufgaben bestehen in der Ausarbeitung der Verfahrensregeln, Tagesordnung und Mandate für Kommissionen und Unterkommissionen. Die Vorbereitungen ziehen sich bis Ende Juni 1973 hin. Anfang Juli werden durch die Außenminister der 35 europäischen und nordamerikanischen Länder die „Helsinki-Schlußempfehlungen“ verabschiedet. Bis zur endgültigen Unterzeichnung dauerte es noch einmal zwei Jahre. Am 1. August 1975 waren es die Staats- und Regierungschefs aller europäischen Staaten (außer Albanien) sowie die USA und Kanada, insgesamt 35 NATO-Mitglieder, Mitglieder des Warschauer Paktes und Neutrale, die die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet hatten. Die Vereinbarungen bezogen sich auf 3 Bereiche, es wurde dafür der Begriff „Körbe“ verwendet. In den ersten, dem „Prinzipienkorb“ wurden nationale Souveränität, Unverletzlichkeit von Grenzen sowie die Achtung der Menschenwürde gelegt. Im zweiten Korb befanden Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt. Der dritte Korb widmete sich humanitären Fragen, sowie der Erleichterung von Kontakten über die Blockgrenzen hinweg. Zusammenfassend kann man die Beschlüsse als Ergebnis der sich anbahnenden Entspannungspolitik im Ost-West-Verhältnis bewerten. Für den Westen waren die Zugeständnisse des Ostens in Bezug auf die Wahrung der Menschenrechte in seinem Machtbereich ein Erfolg. Die Ostblockstaaten konnten ihre Souveränität und ihre Grenzen als unverletzlich betrachten. Für oppositionelle Gruppen in den Satellitenstaaten der Sowjetunion bedeutete die Unterzeichnung der Schlussakte eine Stärkung ihrer Forderungen nach Umsetzung einzelner Bestimmungen aus den „Körben“. Nach der Unterzeichnung etablierte sich ein neuer Begriff in der Politik- und Diplomatensprache, genannt „Helsinki-Prozess“. Er wird für Folgekonferenzen, andere Abrüstungs- und Rüstungskontrollbemühungen oder auch Entschließungen bzw. Gipfeltreffen verwendet.

In Paris wir ein neues Kapitel aufgeschlagen

Mit den revolutionären Umbrüchen in den Jahren 1989/1990 rückte die KSZE wieder in den Mittelpunkt des politischen Interesses. Am 21. November 1991 wurde in Paris auf dem KSZE-Gipfel von den Staats- und Regierungschefs die „Charta von Paris für ein neues Europa“ beschlossen. Alle KSZE-Staaten verpflichteten sich auf eine gemeinsame Werteordnung mit dem Dreiklang Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Im Juli 1992 wurde die KSZE auf dem Gipfeltreffen in Helsinki zu einer Regionalorganisation im Sinne der Charta, Kap. VIII, der Vereinten Nationen aufgewertet. Damit ist sie befugt Krisen und bewaffnete Konflikte zunächst in eigener Zuständigkeit zu regeln. Diesen Status haben z.B. auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Afrikanische Union (AUI) und die Arabische Liga (AL). Mit diesem Schritt wurde die Entwicklung der KSZE von einer Konferenz zu einer internationalen Organisation eingeleitet. Das erforderte neue Entscheidungs- und Leitungsstrukturen.

Aus dem Konferenzformat wird eine ständige Organisation

Auf dem Gipfeltreffen Ende 1994 haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen, die KSZE zum 1. Januar 1995 in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) zu überführen. An der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert verabschiedete die OSZE auf dem Gipfeltreffen im November 1999 in Istanbul die „Europäische Sicherheitsordnung“. Darin wurde mehrere Ziele beschlossen. U.a.  die Zusammenarbeit der OSZE mit anderen internationalen Organisationen und Institutionen zu stärken; ihre Rolle in der Friedenserhaltung auszubauen; schnelle Einsatzgruppen für Expertenhilfe und Kooperation zu schaffen; Fähigkeiten im polizeilichen Bereich verstärken; eine Einsatzzentrale einzurichten, von der aus Feldoperationen geplant und entsandt werden und den Konsultationsprozess innerhalb der Organisation zu stärken. Die Tätigkeitsfelder der OSZE sind vielfältig Darunter auch die Beobachtung von Wahlen, z.B. bei den Präsidentschaftswahlen in den USA 2020.

Unbewaffnet zwischen den Fronten

Der augenblickliche Schwerpunkt und das Hauptaugenmerk der OSZE ist die Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine (Special Monitoring Mission – SMM). Durch das Minsker-Protokoll vom 5. September 2014 und verschiedene Zusatzvereinbarungen hat die SMM die Überwachung und Verifikation der Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen entlang der Kontaktlinie und in den Entflechtungsgebieten. SMM Angehörige sind Zivilpersonen und unbewaffnet. Ihr Auftrag ist die Berichterstattung zur Sicherheitslage und zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Das Hauptbetätigungsfeld ist die Donbassregion zu den Grenzen der selbsternannten „Donezker Volksrepublik“ (DNR) und „Luhansk Volksrepublik“ (LNR). Mit über 700 Beobachtern aus mehr als 40 Staaten ist es bisher der größte Einsatz. Durch die Anerkennung der „Volksrepubliken“ durch die russische Föderation werden sich die Aufgaben der SMM an der sogenannten Kontaktlinie ändern. Außenministerin Annalena Baerbock traf bei ihrem Besuch in Kiew auch mit deutschen OSZE-Angehörigen zusammen und betonte dabei die Bedeutung deren Tätigkeit. Russland sieht die OSZE Bemühungen in der Ukraine anders. Es bemängelt den fehlenden internationalen Rechtsstatus. Das ist im Prinzip richtig. Die OSZE hat keinen völkerrechtlichen Gründungsvertrag, obwohl es die regional größte Sicherheitsorganisation ist. Inzwischen ist sie auf 57 Staaten zwischen Vancouver und Wladiwostok angewachsen. Forderungen das zu ändern, u.a. vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, wurden bisher nicht umgesetzt. Sie ist ein Dialogforum mit permanenten Strukturen. Entscheidungen der OSZE sind völkerrechtlich nicht bindend.

Aktueller Schwerpunkt: Feldmissionen in der Ukraine

2020 geriet die OSZE in eine Führungskrise, in dem u.a. auch die Besetzung des Generalsekretärs nicht erfolgte. Inzwischen ist sie behoben und die deutsche Diplomatin Helga Maria Schmid trat den Posten für eine dreijährige Amtszeit am Hauptsitz der OSZE in Wien an. Das Jahresbudget betrug zuletzt rund 140 Millionen Euro, darin sind die Kosten für die Ukraine-Mission nicht enthalten. Laut jüngstem Bericht der Generalsekretärin hat die OSZE zwischen Juli 2019 und Oktober 2021 über 3000 lokale Waffenruhen ermittelt. In den täglichen Berichten, veröffentlicht auf der Homepage der OSZE, dokumentieren die Beobachter die (Nicht-)Einhaltung des Minsker Abkommens. 2025 jährt sich der 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki. Der Ministerrat hat beschlossen, dass Finnland im Jubiläumsjahr den Vorsitz führt. Am Gründungsort eine politische Reform zur Stärkung der OSZE einzuleiten, wäre eine Option.

 

 

 

 

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