"Strategie neu denken - Strategie und Wille"

"Strategie neu denken - Strategie und Wille"

Die 4. Wiener Strategiekonferenz, veranstaltet von der Österreichischen Militärischen Zeitschrift (ÖMZ) und der European Military Press Association (EMPA) fand Ende Juni an der Landesverteidigungsakademie Wien (LVAk) des Österreichischen Bundesheeres statt. „Strategie neu denken – Strategie und Wille“ standen im Mittelpunkt der diesjährigen internationalen Konferenz. Nachfolgend ein kurzer und komprimierter Einblick in die Vielfalt der Themenpalette.

4. Wiener Strategiekonferenz, veranstaltet von der Österreichischen Militärischen Zeitschrift (ÖMZ) und der European Military Press Association (EMPA) fand Ende Juni an der Landesverteidigungsakademie Wien (LVAk) des Österreichischen Bundesheeres statt.

General a.D. Harald Kujat, Generalinspekteur (2000-2002) und danach Vorsitzende des Militärausschusses der NATO (2002-2005)

Frau Karin Kneissl, Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres a.D.

Daniel Wurm,Werner Freistetter, Roman Schuh, Matthias Beck und Gunnar Heinsohn (v.l)

Herfried Münkler(l.) im Gespräch mit einem Tagungsteilnehmer

Von Peter E. Uhde (Text u. Fotos)

Geist und Wille formen den Strategen

In der ersten Konferenz 2016 war versucht worden, eine Definition von Strategie zu erarbeiten, da der Begriff seit Jahren inflationär verwendet wird.  In der zweiten Konferenz 2017 ging es hauptsächlich um das militär-wissenschaftliche Kernfach „Strategie“, seine inhaltliche Bedeutung, Auslegung und Entwicklung seit Carl von Clausewitz (1780-1831). Für die dritte Konferenz im vergangenen Jahr hatte die Leitung ein konkretes Thema den Vortragenden vorgegeben.: Narrative, Cyber, Hybridizität, Resilienz – neue Phänomene, alter Wein oder nur ein bewegliches Heer von Metaphern? Das Ergebnis ist im Konferenzband publiziert und umfasst 600 Seiten. (Hrsg. Wolfgang Peischel, Carola Hartmann Miles-Verlag, Berlin). 2018 hatte der Autor im Themenbereich Strategie und Medien / Strategische Kommunikation „Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik – seit 1952 im Dialog mit der Bevölkerung“ vorgestellt.

Werner Fasslabend, Bundesminister für Landesverteidigung 1990-2000 und jetzt Präsident des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik referierte über Strategie und Wille der Groß- und Supermächte. In seinem Vortrag stand Geopolitik im Mittelpunkt und die Zuhörerfolgten dem Redner rund um den Globus.

 Aus ganz anderer Perspektive näherte sich Eberhard Birk dem Thema: Strategie und Wille. Analogiebildung im Deutschen Bund und EU am Beispiel des Krieges von 1866 im südwestdeutschen Raum. Mit Blick in die Militärgeschichte ging er auf Entwicklungsstufen des strategischen Denkens ein. Die Operationalisierung erläuterte Birk am Gefecht bei Tauberbischofsheim am 27. Juli 1866, bei dem preußische Truppen gegen Truppen der Bundesarmee kämpften. In seinem Vortrag nahm er auch Bezug auf Generaloberst Hans von Seeckt , Chef der Heeresleitung der Reichswehr (1920-1926, der feststellte: „Geist ohne Willen ist wertlos, Willen ohne Geist ist gefährlich“.

In eine ganz andere Gedankenwelt und in die Gegenwart zurück holte Vasily K. Belozerov die Teilnehmer. „Die Militärdoktrin Russlands als Ausdruck des staatlichen Willens“ Bei ihm durfte der Rückgriff auf Aussagen Carl von Clausewitz, der von 1812-1814 in russischen Diensten stand, nicht fehlen. „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“

Dass Strategie und Wille bei Konflikten ökonomische Überlegungen beinhalteten erläuterte Klaus Beckmann, Präsident der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr u.a. am Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea.  

Bei Harald Kujat   standen Europa und die Atlantische Allianz im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der Generalinspekteur (2000-2002) und danach Vorsitzende des Militärausschusses der NATO (2002-2005) hatte sein Thema „Strategie und Wille – die außen- und sicherheitspolitische Dimension“ genannt. An verschiedenen Belegen stellte er fest, „unseren Politikern fehlt es an sicherheits- und außenpolitischem Willen.“

Der österreichische Chef des Generalstabes Robert Brieger nahm eine nüchterne Analyse der Sicherheitspolitik Österreichs vor. Er bedauert das geringe Interesse der Gesellschaft an sicherheitspolitischen Fragen. Das Ansehen des Bundesheeres ist immer dann besonders gut, wenn es bei Notfalleinsätzen im zivilen Bereich hilft. Die notwendige finanzielle Ausstattung, um den Auftrag Landesverteidigung zu erfüllen, wird politisch vernachlässigt.

Im letzten Jahr war Karin Kneissl noch Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, jetzt stand a.D. hinter ihrem Namen. Für sie ist Diplomatie – der Wille zum Gespräch, d.h.  Verhandeln – Vertreten – Informieren. Sie bedauerte, dass die Kunst der Konversation immer geringer geworden ist und außenpolitische Themen immer weniger von den Außenpolitikern behandelt werden. Dieses Themenfeld wird auf die Staats- und Regierungschefs verlagert.

Einen Streifzug durch die Entwicklung europäisch – westlicher Werte unternahm Matthias Beck. Von der griechischen Philosophie zum Judentum, Christentum und zur Europäischen Aufklärung spannte er den Bogen. Was suchen die Menschen, seine Antwort: Glück. Das bedeutet und erfordert Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Langfristige Strategien im Denken in Politik und Wirtschaft sind notwendig. Was wollen wir eigentlich verteidigen? Darüber muss mehr nachgedacht werden, um dann die dazu notwendige Strategie zu entwickeln. Wenn es um diese geht, steht der Faktor Mensch im Mittelpunkt.

Roman Schuh leitete das Panel: Strategie und Mensch: Werte, Religion und Interkulturalität. Auf dem Podium Militärbischof Werner Freistetter, Gunnar Heinsohn (Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe), Matthias Beck (Pharmazeut, Mediziner, Theologe) und Major Daniel Wurm. Zum Willen gehört auch Opferbereitschaft. Wenn Menschen realisieren, dass es um sie selbst geht, kann Sicherheit einen Wert bekommen. Ethikunterricht gehört in die Schulen, war eine Forderung des Theologen. Worin liegt ist die Stärke Europas, es hat kein Personal für große Armeen. Napoleon Bonaparte soll noch gesagt haben, eine warme Sommernacht in Paris bringt mir eine neue Armee.

Auch in dieser Konferenz befassten sich die Teilnehmer mit Strategie und Medien/Strategische Kommunikation. Ute Axmann aus dem Kabinett des Verteidigungsministers leitete ein Panel mit Jasmin Terfoorth (Redaktion der Bundeswehr) Friedrich K. Jeschonnek (Hardthöhenkurier), Michael Codner (Royal United Service Institute) und dem Verfasser. In diesen Themenblock reihte sich der Vortrag von Jamie Shea ein, der von 1993-2000 Sprecher der NATO war und jetzt eine Professur für Strategie und Sicherheit an der Universität in Exeter hat.

Herfried Münkler, Autor von „Die neuen Kriege“ oder „Der Dreißigjährige Krieg“ hatte seinen Vortrag „Der Wille zur Strategie. Strategisches Denken im Lichte der Erosion von Binarität“ überschrieben. Strategisches Denken ist komplexer geworden. Diejenigen die es tun sind Außenseiter und müssen sich vor der Politik rechtfertigen. Das Ende der binären Ordnung ist eingetreten. Werte sind keine Grundlagen mehr für Bündnisse. Die Bundesrepublik wird als wirtschaftlicher Faktor akzeptiert aber nicht als Militärmacht. Mit „uns fehlt der Wille zum Willen“ schloss der Redner seine Ausführungen.

Mit NAO kam ein künstliches Wesen aus dem Cyberraum in die Sala Terrena. Die Bedeutung des Cyberraum als fünfte Domäne, neben Land-, Luft-, See- und Weltraum, wird in seiner strategischen Bedeutung noch unterschätzt. Kurt Herrmann, Präsident der Clausewitz Gesellschaft und Kuratoriumsmitglied der GSP, eröffnete mit einem Impulsvortrag das Panel: Strategie im Cyberraum. Die Gefahren die sich aus dem Cyberraum ergeben, sind ein Problem der Sicherheitspolitik. Durch NAOs künstliche Stimme mit Hinweisen auf Zeitüberschreitungen beim Redner wurde das nachdenkliche Thema etwas gelockert.

Mit seinem ernüchternden Blick auf die sicherheitspolitische Situation im Nahen Osten setzte Dan Schueftan, Director Nataional Security Studies Center, University of Haifa, den Schlussakkord der 4. Wiener Strategiekonferenz, einer sicherheitspolitischen Tagung von hoher fachlicher Qualität und einzigartig im deutschsprachigen Raum.                                            

 

  

 

Letzte News

  • 25Mar
    4. April 2024 – 75 Jahre NATO. Gemeinsinn und Neuausrichtung ist nötig

    Das 75-jährige Bestehen der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) wäre ein guter Grund zum Feiern. Doch die sicherheitspolitische Lage in der Welt, besonders die Kriege in der Ukraine und in Gaza, sind kein Grund dafür. Die NATO ist mit Finnland (4. April 2023) und Schweden (7. März 2024) auf 32 Nationen angewachsen. Aktueller Anlass war die „Spezialoperation“ der russischen Föderation am 24. Februar 2022 in die Ukraine. Seit Wladimir Putin am 18. März 2024 wieder zum Präsidenten gewählt…

  • 12Mar
    Zypern – Ausgangspunkt für Gaza-Hilfe

    „Open Arms“ mit Hilfsgütern unterwegs

    Wieder einmal steht die östliche Mittelmeerinsel Zypern im öffentlichen Interesse.  Von der Hafenstadt Larnaka, im Südosten der Insel, ist das erste Schiff mit Hilfslieferungen Richtung Gaza in See gestochen. Die „Open Arms“, gehört einer spanischen Hilfsorganisation ist mit 200 Tonnen Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten unterwegs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsident Nikos Christodoulides waren die Antreiber für…

  • 23Feb
    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“ / Die Zukunft der Ukraine in Europa

    Wir wählen die Freiheit – Motto bei „Cafe Kyiv“

    Die Zukunft der Ukraine in Europa

    „Cafe Kyiv – Wir wählen die Freiheit“: unter diesem Motto veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 19. Februar mit 30 Partnerorganisationen, u.a. auch der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, im Colosseum in Berlin zum zweiten Male nach 2023 ein vielseitiges Programm mit Workshops, Diskussionen, Salons und kulturellen Aktivitäten.  Themen wie Freiheit, Europa, Sicherheit und Wiederaufbau der Ukraine standen…

  • 17Feb
  • 16Feb
    Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) - Furor und Harmonie. Die Kunst der Diplomatie.

    Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, wird die 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) eröffnen. Sie findet vom 16. bis 18. Februar 2024 statt. Für das Jubiläum hat sie ihrem Kürzel-Logo eine 60 beigefügt. Gründer dieser sicherheitspolitischen Konferenz war Ewald-Heinrich von Kleist.  Unter dem Namen „Wehrkundetagung“ wurde sie 1963 erstmals in München ausgerichtet. Teilnehmer waren u.a.…

  • 03Feb
    BM Christian Lindner bestätigt Zwei-Prozent-Ziel für Vtdg-Haushalt bis 2028

     

    Der „Hüter der Schuldenbremse“ Bundesfinanzminister Christian Lindner bestätigt das Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungsetat, trotz massiver Budgetzwänge, in der mittelfristigen Haushaltsplanung. Im Interview beim diesjährigen Gipfel der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am 1. Februar bekräftigte Bundesfinanzminister Lindner das Vorhaben der Bundesregierung, bei den Beratungen für den Haushalt 2025 zur mittelfristigen Budgetplanung bis 2028 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für…

  • 30Jan
    General a.D. Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

    Hartmut Bagger, Präsident der Gesellschaft 1999/2000, verstorben

     

    30. Januar 2024 Von Peter E. Uhde

     

    Vergangenen Freitag, den 26. Januar 2024 ist General Hartmut Bagger in Meckenheim verstorben. Am 8. Februar 1996 wurde er Nachfolger von General Klaus Naumann, der zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschuss in Brüssel gewählt wurde.

    Damit erreichte die Karriere des am 17. Juli 1938 in Braunsberg/Ostpreußen geborenen ihren Höhepunkt. Ende des Krieges aus seiner Heimat vor dem russischen…

  • 24Jan
    Europa-Wahl 2024: die EVP fordert „echten“ EU-Außenminister sowie Verteidigungskommissar

    In ihrem Wahlprogramm für die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament, welches auch Neuerungen in Kommission und Rat beinhaltet, fordert die von der konservativen Parteienfamilie gebildete EVP, der auch CDU und CSU angehören, zahlreiche Änderungen in den Kommissar-Portfolios, Gremien und der Marktintegration.

    Mit dem Ziel, die Handhabung der außen- und verteidigungspolitische Agenda der EU entscheidend zu verbessern, spricht sich die EVP für die Schaffung eines "echten"…

  • 28Dec
    FDP-Vorschlag „Ausländer in der Bundeswehr“

    FDP-Vorschlag „Ausländer in der Bundeswehr“ gewinnt Zuspruch: mögliches Procedere zur Prüfung bietet Analysepapier der Konrad-Adenauer-Stiftung

    In seinem Papier „Die Zeitenwende Personal“ vom April diesen Jahres hat Alexander Müller, Verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik GSP, als eine Maßnahme im Bereich Personalrecht ein „Pilotprojekt für den Dienst von ausländischen Staatsbürgern in der Bundeswehr mit der…

  • 14Dec

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:              
Reichstagufer 14, 10117 Berlin  
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.

 

 

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.