Von der Neutralität Finnlands zum 31. Mitglied der Atlantischen Allianz

Von der Neutralität Finnlands zum 31. Mitglied der Atlantischen Allianz

Im Mai letzten Jahres hatte das neutrale Finnland den Beitritt in die Atlantische Allianz beantragt. Auslöser dieses Politikwechsels war der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine. Vor Jahren wäre diese Kehrwende noch nicht denkbar gewesen. Der Krieg Russlands bringt besonders im Norden Europas die Geopolitik durcheinander. Betroffen ist auch das neutrale Schweden, das den NATO-Beitritt ebenfalls beantragt hat. Hier fehlt noch die Zustimmung der NATO-Mitglieder Türkei und Ungarn. Im Brüsseler Hauptquartier hofft man, dass die Zustimmung bis zum NATO-Gipfel in der estnischen Hautstadt Vilnius am 11./12. Juli erfolgen wird. Mit dem Beitritt beider Länder wäre die Achillesferse des Bündnisses, die Verteidigung der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen strategisch anders zu beurteilen. Sie sind nur durch den schmalen Suwalki-Korridor an der polnisch-litauischen Grenze mit der Allianz verbunden.

In der am Sonntag, dem 2. April stattgefundenen Parlamentswahl, die mit der Niederlage der Sozialdemokratischen Partei unter Ministerpräsidentin Sanna Marin zu Ende ging, spielte der NATO-Beitritt keine Rolle. Als Wahlsieger ging die Nationale Sammlungspartei mit Petteri Orpo hervor. Drittstärke Kraft wurden die rechtspopulistischen Basisfinnen mit Riikka Purra. Die neue Regierungsbildung in Helsinki wird nicht einfach werden. Die Finnen, mit einer im Osten über 1300 Kilometer Staatsgrenze zu Russland, standen hinter der Regierung von Marin. Auch Präsident Saili Niiniströ engagierte sich persönlich für den Beitritt, u.a. durch seinen Besuch beim türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan im März.  

Das Land mit 5,5 Millionen Einwohnern ist flächenmäßig etwas kleiner als Deutschland. Der Schwerpunkt der Besiedlung liegt im südlichen Landesteil. Die Ausdehnung von Süden nach Norden beträgt etwa 1160 Kilometer und von Ost nach West etwa 540 Kilometer. Die Grenze im Norden zu Norwegen beträgt etwa 720 Kilometer und zu Schweden etwa 540 Kilometer. Im Westen grenzt Finnland an den Bottnischen und im Süden an den Finnischen Meerbusen, Nebenmeere der Ostsee.

Die Finnen sind stolz auf ihre Armee. Heer, Luftwaffe und Marine bilden die Streitkräfte. Die Luftwaffe bekommt 64 Stück der amerikanischen F-35A Lighning II. Die drei Teilstreitkräfte haben in den letzten Jahren einen umfassenden Reformprozess durchlaufen.  Rüstungs- Ausbildungs- und Personalkosten beeinträchtigen den kleiner werdenden Verteidigungsetat, der am Bruttosozialprodukt einen Anteil von rd. 1,6 Prozent beträgt. Mit den Reformen will man erreichen wieder mehr Finanzmittel in die Investitionen umzuschichten. In Finnland gilt für Männer die Wehrpflicht, Dauer zwischen sechs und zwölf Monaten. Frauen können freiwillig dienen.  Die Friedensstärke beträgt 24.000 Angehörige, davon gehören zum Heer 16.000, zur Marine 4.000 und zur Luftwaffe 3.000. Im Reservestatus befinden sich etwa 900.000 Angehörige

Landesverteidigung, Hilfeleistung für Zivilbehörden in Katastrophenfällen und der Beitrag Finnlands zur weltweiten Friedenssicherung, sind die Kernaufgaben der Armee. An der Militäruniversität findet die Ausbildung des Führungsnachwuchses statt. Nach der Bologna-Ordnung gegliedert: Bachelor, Master, Generalstabsdienst und Möglichkeit zur Promotion.

Die finnische Küste besteht fast nur aus Schären. Diesen Gegebenheiten sind die Seestreitkräfte angepasst. Die Schiffe sind deshalb klein und wendig und sind einheimische Konstruktionen. 17.500 Passagierschiffe sind jährlich im Golf von Finnland (Finnischer Meerbusen) von und nach St. Petersburg unterwegs. Meeresüberwachung, Schutz der Seerouten, Bewahrung der Neutralität und Abwehr von Angriffen von Meerseite, sind Marineaufgaben. Estland und Russland sind bei den beiden erstgenannten mit im Boot. Der finnische Meerbusen, etwa 280 Kilometer lang und 40 Kilometer breit, ist dafür in drei Zonen eingeteilt. Es gibt für diese Aufgaben aber auch ein Kooperationsabkommen mit Dänemark, Norwegen, Schweden, Deutschland, Polen, Lettland und Litauen. Ein ausgefeiltes Identifikationssystem steht für die Überwachung zur Verfügung, so dass die automatische Identifikation von Schiffen jederzeit möglich ist. Auch an der EU-Operation Atalanta zur Piratenbekämpfung am Horn von Afrika hatte sich die finnische Marine auch schon beteiligt. Finnland versucht sich mit einer eigenen Rüstungsindustrie unabhängig von Auslandskäufen zu machen.

Anfang des 19. Jahrhunderts eroberte Russland Finnland und betrachtet es fortan als Pufferzone gegen Schweden. Das Verhältnis zu den Russen war anfangs relativ problemlos. 1904 kam es zum Attentat gegen den russischen Generalgouverneur, der finnische Täter tötete sich anschließend selbst. 1906 bekam Finnland eine neue Verfassung, in der u.a. das Frauenwahlrecht, als erstes Land in Europa, festgeschrieben wurde. 1917 ging des Zaren Macht auch in Finnland zu Ende und das Land erklärte sich am 6. Dezember für unabhängig. Dieser Tag ist heute noch Nationalfeiertag.

Am 30. November 1939 greift die Sowjetunion Finnland an. Der Winterkrieg endet mit dem Friedensvertrag vom 13. März 1940, der den Verlust von einem Großteil Kareliens bedeutet. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 verbindet sich Finnland mit Deutschland. Anfängliche finnische Erfolge führen letztlich nur zu einem Separatfrieden mit der Sowjetunion, in dem die Gebietsverluste des Winterkrieges bestätigt werden.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bleibt Finnland neutral. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion öffnet und orientiert sich Finnland mehr nach Europa. 1995 tritt es der Europäischen Union bei. 2002 wird der Euro als Landeswährung eingeführt. Die glücklichsten Menschen der Welt leben in Finnland. So steht es im „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen. Aber auch im Land der tausend Seen ist nicht alles eitel Sonnenschein. Die Gründe für die Abwahl der Partei und einst mit 34 Jahren jüngsten Regierungschefin Europas Sanna Marin liegen tiefer. Die Probleme der Alterung der Bevölkerung, des Gesundheitswesens oder an den Schulen sind nur drei, die zu nennen wären. Die Staatsausgaben und damit sie Schulden sind kräftig gestiegen. Die goldenen Zeiten, als beim Stichwort Finnland jeder an Nokia und wirtschaftlichen Aufschwung oder die Finnen-Sauna dachte, sind vorbei.     

 

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