Geographie des Landes
Belarus ist ein Binnenstaat und strategisch wichtiges Transitland zwischen Mitteleuropa und der Russischen Föderation sowie dem Baltikum und der Ukraine. Mit seinen 207.600 km² ist es nach Russland und der Ukraine flächenmäßig der größte Nachfolgestaat der Sowjetunion. Die Nord-Süd-bzw. West-Ost-Ausdehnung betragen ca. 500 km bzw. ca. 650 km. Seine Gesamtgrenze zu den Nachbarstaaten umfasst 3642 km. Davon zu den NATO-Staaten Lettland 161 km, Litauen 640 km und Polen 418 km. Zur Russischen Föderation sind es 1.312 km und zur Ukraine 1.111 km. Das Landesrelief kann in drei Großlandschaften eingeteilt werden. Im Norden sind es Niederungen, in der Landesmitte schließt sich der Weißrussische Landrücken mit den Minsker Höhen an. Die höchste Erhebung ist hier 346 ü. NN. Der südliche Landsteil besteht aus weiten Ebenen mit Wäldern, Sümpfen und über 11.000 Seen. In den Pripjetsümpfen und im Gebiet der unteren Beresina, sie ist 613 km lang und mündet bei Gomel in den Dnjepr, gibt es regelmäßig Überschwemmungen. Für Napoleon bildete die Schlacht an der Beresina Ende November 1812 den Untergang der Grandé Armee. Nach Schätzungen beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche etwa 41 Prozent, aufgeteilt in Zweidrittel Acker- und ein Drittel Weideland, 40 Prozent sind Wald und 19 Prozent Sonstiges. Das Klima ist kontinental temperiert. Sommerliche Tageshöchst-temperaturen können bis zu 36° C, z.B. in Minsk, und im Winter bis zu -39°C erreichen. Im Dreiländereck zu Polen und Litauen im Raum Grodno, liegen die Temperaturen momentan unter dem Gefrierpunkt. Die Jahresniederschläge schwanken zwischen 500 l/m² und 700 l/m² und verteilen sich gleichmäßig übers Jahr. Ganzjährig gibt es schwache bis mäßige Winde aus westlicher Richtung. Es kann aber auch zu hoher Hitzebelastung im Sommer und zu extremen Kältewellen im Winter kommen.
Bevölkerung, Ethnien und Besiedelung
Belarus hat etwa 9,4 Millionen Bewohner (2019). Die Bevölkerungsdichte liegt bei etwa 45,5 E/km² (2021). Die ethnische Zusammensetzung in Prozenten: 84 Belarussen, 8 Russen, 3 Polen, 2 Ukrainer und 3 Sonstige. Der russisch-orthodoxen Kirche gehören 60 Prozent der Bevölkerung an. 20 Prozent sind Katholiken und 20 Prozent Minderheiten wie Muslime, Juden, Protestanten. Amtssprachen sind sowohl Belarussisch als auch Russisch. Beide Sprachen sind mit einander verwandt. Allerdings enthält das Weißrussische zahlreiche ukrainische und polnische Lehnwörter. Hauptstadt ist Minsk mit über 2 Millionen Einwohnern. Aufgrund der Migration wächst die Stadt ständig. Weitere größere Städte sind Gomel mit ca.527.000, Mogilow mit ca. 360.000, Witebsk mit ca. 347.000, Grodo, im Dreiländereck zu Polen und Litauen mit ca. 380.000 und Brest mit ca.350.000.
Wirtschaft und Verkehr
Zu Sowjetzeiten zählte Belarus zu den industriell und wirtschaftlich entwickelten Republiken. Ein Manko waren allerdings immer fehlende Rohstoffe, Erdöl und Erdgas. Damit war und ist die Abhängigkeit vom „Großen Bruder“ bis heute geblieben. Insgesamt war Belarus aber „Netto-Exporteur“ von Industriegütern. Landwirtschaftliches Großgerät aus Belarus war im gesamten Ostblock zu finden. Nach dessen Zerfall verloren die Unternehmen die Abnehmer ihrer Industrie- und Agrarprodukte. Die Wirtschaftspolitik ist immer noch planwirtschaftlich, mit geringen Privatisierungstendenzen. Staatsbetriebe stützen das autokratische Herrschaftssystem. Das Bruttoinlandsprodukt beläuft sich auf knapp 53 Mrd. Euro (2020), das Durchschnittseinkommen beträgt 5.542 Euro. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,3 Prozent und die Inflationsrate bei 5,55 Prozent. Auf dem Korruptionsindex ist Belarus auf Platz 63 von 179 Ländern gelistet. Exportgüter sind Petrochemische Produkte, Nahrungs- und Düngemittel, Maschinen und Kfz/-Teile. Importiert werden hingegen Erdöl, Erdgas, Maschinen, Eisen und Stahl. Als Transitland ist das Verkehrsnetz gut ausgebaut. Die Hauptverbindungen verlaufen von Westeuropa über Polen in die Russische Föderation und von den Baltischen Staaten in die Ukraine und nach Südosteuropa. Das Straßen- und Schienennetz beträgt rund 86.000 km und 5.500 km, hinzu kommen schiffbare Wasserwege mit rund 2.500 km und vier Häfen. Die Binnenwasserstraßen sind allerdings meist nur von Schiffen bis 1.000 t Tragfähigkeit befahrbar. Flughäfen gibt es mehrere, wobei Minsk der einzige internationale ist. Belarus hat Umweltprobleme u.a. noch als Folge der Nuklearreaktorhavarie am 26. April 1986 im ukrainischen Tschernobyl. Rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind langfristig verseucht. Die Energiegewinnung geschieht fast ausschließlich aus fossilen Quellen.
Kurzer geschichtlicher Überblick
Das ostslawische Volk der Weißrussen war vom Spätmittelalter bis in das 20. Jahrhundert immer den Interessen seiner Nachbarn Russland, Polen und Litauen ausgeliefert. Karl Marx und Friedrich Engels bezeichneten die Weißrussen als „geschichtslos“. Nach Ende des Zarenreiches im März 1917 bildete sich ein „Belorussische Nationalkomitee“, in dem alle sozialen Schichten und Ethnien vertreten waren. Im März 1918 riefen weißrussische Nationalrevolutionäre eine Weißrussische Volksrepublik aus. Das geschah unter dem Schutz der damaligen deutschen Besatzung. Nach deren Abzug Ende 1918 kam es zur Gründung einer Weißrussischen Sowjetrepublik. Die weißrussischen Nationalbewegungen waren aber für eine dauerhafte Staatsgründung zu schwach. In der Stalinzeit wurde alles Weißrussische, Intellektuelle, Kultur, Literatur bekämpft und vernichtet. Unter dem Diktator Josef Stalin wurde Weißrussland vollständig russifiziert. Mit dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 kam Weißrussland unter deutsche Besatzung. Nach 1945 bis August 1991 ist das Land als „Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik“ Teil der Sowjetunion. Am 25. August 1991 erklärt der Oberst Sowjet die Unabhängigkeit und seit 19. September 1991 nennt sich das Land „Republik Belarus“.
Politik, Staats- und Regierungsform
Aufgrund seiner Innen- und Außenpolitik ist das Land international isoliert. Es existiert keine demokratische Gewaltenteilung. Die Opposition wird durch staatliche Repressalien unterdrückt. Weltweite Aufmerksamkeit errang Ende Mai 2021 die erzwungene Zwischenlandung einer Passagiermaschine der Fluglinie Ryanair in Minsk. Sie war auf dem Flug von Athen nach Vilnius. Unter den Passagieren war der Exil-Oppositionelle Roman Protassewitsch, der von Sicherheitskräften festgenommen wurde und noch in Haft ist. Die Verletzung von Menschenrechten ist an der Tagesordnung, die Justiz ist nicht unabhängig. Bis auf die erste Präsidentenwahl wurden alle weiteren von der OSZE nicht anerkannt. Es existiert ein Zweikammerparlament mit Nationalversammlung und Repräsentantenhaus. Das Verhältnis zur Europäischen Union ist auf einem Tiefpunkt. Der Präsident wird seit den gefälschten Wahlen im August 2020 offiziell nicht anerkannt. Zu Russland hingegen existiert eine enge politische und wirtschaftliche Bindung. Durch die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion, Mitglieder sind Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Belarus und Russland, soll ein Gegengewicht zur EU geschaffen werden. Strategische Partnerschaften hat Belarus mit dem Iran, Venezuela und der Volksrepublik China. Des Weiteren ist eine allgemeine Hinwendung zu Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas festzustellen.
Die ungelöste Migrantensituation im Dreiländereck
Seit Monaten versuchen Migranten aus Nahost über Belarus in die EU zu gelangen. Wieviel Tausende es sind weiß niemand genau. Litauen und Polen sind deren erstes Ziel. Die Route über Belarus existiert nur, weil sie von Minsk gesteuert wird. Im Dreiländereck spielen sich dramatische Szenen ab. Der NATO-Partner Türkei ließ die Migranten von seinen Flugplätzen nach Minsk fliegen. Telefonate der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Präsident Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko brachten bisher keine Lösung. Die Menschen harren weiter in den Wäldern und an den Grenzen aus. Sperrzonen, in die weder Journalisten noch Hilfsorganisationen hineinkönnen, verhindern eine objektive Berichterstattung und Versorgung der Geflüchteten. Kurzfristig wird sich die angespannte Situation nicht lösen lassen. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht in Gewaltexzesse mit Toten, die es schon gegeben hat, ausartet. Unabhängig von der Lage in Belarus ist der sicherheitspolitische Blick auf Russland zu richten. Die Massierung von Truppen an seiner Westgrenze beunruhigen die NATO und die Ukraine. Die Erfahrungen, die das Land mit den „Grünen Männchen“ auf der Krim gemacht hat, sind nicht vergessen, ebenso die Unterstützung der beiden sogenannten Volksrepubliken „Donezk“ und „Luhansk“ durch russische Separatisten. Die russischen Truppen sind etwa in gleicher Entfernung zu Belarus wie zur Ukraine stationiert worden.