Sektion Berlin

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Dienstag, 02.02.2021 - 18:00

Themenabend Deutsches Beschaffungssystem

Vortrag von Prof. Dr. Heiko Höfler Fachanwalt für Vergaberecht

Webinar

 

Veranstaltungsbericht

Pleiten, Pech und Pannen - viele verbinden mit der militärischen Beschaffung in Deutschland gewöhnlich Probleme und Stillstand. Wie vielschichtig und komplex das Thema ist, wollen wir mit geladenen Experten an zwei Themenabenden näher beleuchten.

Am 02. Februar sprachen wir über das deutsche Beschaffungssystem mit Prof. Dr. Heiko Höfler, Fachanwalt für Vergaberecht bei Oppenhoff & Partner.

Ein zentraler Aspekt des Vortrags war die vergleichende Betrachtung im europäischen Kontext. Die Besonderheit der deutschen Beschaffung im Bereich Sicherheit und Verteidigung liegt vor allem in der Anwendung des Artikels 346 AEUV, zu dem es traditionell eine große Zurückhaltung in Deutschland gibt.

Die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgeschriebene Vorschrift eröffnet den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, verteidigungs- und sicherheitsrelevante Beschaffungs-vorgänge aus dem Anwendungsbereich des Europarechts herauszunehmen und sie außerhalb der vergaberechtlichen Rahmenbedingungen durchzuführen. Als Exportnation könnte Deutschland seinen Beschaffungsmarkt nicht abschotten und sich glaubhaft für offene Märkte aussprechen. Der schwere Transporthubschrauber, F126, die Nachfolge des Sturmgewehrs, und das taktische Luftverteidigungssystem sind einige der bekanntesten Beispiele von EU-weit durchgeführte Beschaffungsmaßnahmen.

Die ausgeprägte Öffnung für europäische Bieter trägt zur Komplexität des deutschen Beschaffungssystems bei.

Vor dem Hintergrund nationaler Sicherheitsinteressen befasst sich die Bundesregierung mit den wesentlichen Schlüsseltechnologien, die auch im Umgang mit dem Vergaberecht berücksichtigt und nach Möglichkeit außerhalb des förmlichen Vergabeverfahrens beschafft werden sollten. Die nationalen Schlüsseltechnologien werden im „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ identifiziert.

Obwohl vieles im Beschaffungssystem auf die deutschen Gegebenheiten spezifisch zugeschnitten ist, hält sich sein Erfolg in Grenzen. Andere Länder beschaffen schneller, anders und statten ihre Streitkräfte anders aus. Ein weiterer Unterschied ist, dass andere Staaten mittels Beschaffung auch Industriepolitik betreiben.

Eine Erklärung für die gegenwärtige Priorisierung in der deutschen Beschaffung hängt mit den Kernaufgaben der Bundeswehr zusammen, denn die Streitkräfte nehmen innerhalb der NATO verschiedene Aufgaben wahr und erfüllen unterschiedliche Anforderungen. Die den Deutschen zugewiesenen Verpflichtungen umfassen vor allem Logistik, Operationsplanung oder Host Nation Support.

Die Komplexität der Beschaffung in Deutschland ruft gewisse Überforderungseffekte hervor. Auffällig hoch ist die Quote an Streitigkeiten und die Schadensquote liegt bei Groß- und Größtprojekten bei knapp fünfzig Prozent. Deshalb besteht ein erheblicher Verbesserungsbedarf bei der Gestaltung von Vergabeverfahren. Im Hintergrund steht die Fähigkeitslücke.

Die Situation in der Rüstungsbeschaffung unterscheidet sich von der typischen Auftragsvergabe im Öffentlichen Dienst, bei der zahlreiche Akteure nach einer eingeübten Methode mitwirken.

Das Know-How für die anspruchsvollen Waffensysteme liegt bei der Industrie und kann für den öffentlichen Auftraggeber nicht einfach zugänglich gemacht werden durch die Einbindung von Beratern. Der Input aus der Industrieseite ist für das Gelingen von Beschaffungsvorhaben unerlässlich und ist eine Aufgabe des Auftraggebers, Vorbehalte gegen eine frühzeitige Anbindung der Industrie abzubauen und ihre Informationspotenziale besser zur Geltung zu bringen.

Im Beschaffungsprozess besteht eine Trennung von Interessen des Bedarfsdeckers (der Industrie), und des Bedarfsträgers. Dazu kommt die Interessenlage der Streitkräfte, die nicht identisch mit der des öffentlichen Auftraggebers ist. Bei einer näheren Betrachtung der Interessenkonstellation ergibt sich ein Dreiecksverhältnis. Der größte Erfolg kann somit dann erzielt werden, wenn alle drei Interessen möglichst deckungsgleich gemacht werden.

Aufgabe der Politik sei, die auf Konfrontation angelegte Schnittstelle zu entschärfen und mehr Effizienz hineinzubringen. Die Industrie sollte früher und insbesondere innovationsfördernder in den Beschaffungsprozess eingebunden werden.

Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Heiko Höfler für den Vortrag und die anschließende Diskussion.

 

 


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