Sektion Bonn
Konfliktpotenzial Hunger
Nachbericht zum Vortrag „Konfliktpotenzial Hunger“ am 02.03.2022
Frau Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe, trug zum Thema „Konfliktpotenzial Hunger“ vor.
Nach einleitenden Betrachtungen zur aktuellen Lage in der Ukraine und zu ihrer Organisation (überparteilich, überkonfessionell, tätig in 35 Ländern auf drei Kontinenten mit 3000 Mitarbeitern) folgten beeindruckende und bedrückende Ausführungen zur globalen Ernährungssituation. Nach ihren Angaben würden ca. 800 Millionen Menschen hungern und die Lage würde sich absehbar nicht ändern, sondern bis 2030 sogar deutlich schwieriger darstellen.
Als Hauptursachen für den Hunger führte Sie eine Bandbreite von Ursachen auf. Hob dabei allerdings den Klimawandel und den verzerrten Welthandel hervor. Sie betonte dabei, dass „arme“ Länder hier wenig bis keine Vorsorge treffen könnten. In ihren weiteren Ausführungen zum Welthunger Index unterstrich sie die vielfältigen Ursachen wie exemplarisch ethnische und politischen Auseinandersetzungen, aber auch die koloniale Vergangenheit insbesondere in Afrika. Als Beispiele nannte sie Kongo und Somalia.
Frau Thieme widmete sich dann ausführlich den „Hungertreibern“ wie Sie es nannte: den Konflikten. Sie stellte die zunehmende Anzahl insbesondere auch innerstaatlichen Krisen dar. Auch hier lag der Fokus auf Afrika. Sie hob besonders auf die Lage der Nomaden ab, für die keine nationale Zuständigkeit bestehe. Auf den Punkt gebracht: Konflikte beeinträchtigen alle Bereiche des Lebens und der Gesellschaft. Es gebe eine Interdependenz von Krieg und Hunger. Eine Möglichkeit zur Abhilfe sah die Referentin in der Etablierung lokaler und regionaler Märkte, die unabhängig seien von der Weltwirtschaft und Krisen.
Ausführlich widmete sich Frau Thieme anschließend exemplarisch zunächst Äthiopien und den Ursachen für die Hungersituation. Sie sah in den schweren Dürren, den ethnischen Spannungen, innerstaatlichen Konflikten und auch der Corona-Pandemie die wesentlichen Gründe für die Krise.
Als weiteres Beispiel führte die Referentin zu Afghanistan aus. Etwa die Hälfte der Bevölkerung sei auf Hilfe angewiesen. Sie verwies auf den Spagat zwischen Unterstützung der hungernden Menschen und der damit einhergehenden Stabilisierung des Regimes. Es ginge aber letztlich um die „Verteidigung westlicher Werte“.
Besonders lag Frau Thieme am Herzen das Thema „Hunger als Waffe“. Sie führte hierzu die Beispiele Jemen und Sudan an, ließ aber auch Syrien nicht aus, in dem Menschen gezielt von Hilfe unter unakzeptablen Bedingungen ausgeschlossen würden.
„Menschen in Not“ stünden im Vordergrund, so ihre Botschaft. Hierzu bedürfe es eines Schulterschlusses aller relevanten internationalen Akteure. Deutschland als Präsident der G7 habe hier eine besondere Verantwortung.
In der anschließenden Q&A-Runde wurden die Kooperation/Koordination mit anderen Organisationen, Hunger als Waffe sowie der Einsatz in Mali thematisiert. Ebenfalls wurden das Verhältnis von Vorsorgemaßnahmen – Katastrophenhilfe sowie Klimaschutz diskutiert.
Frau Thieme hat ein in Europa wenig beachtetes Thema empathisch, engagiert und leidenschaftlich vorgetragen, ohne dabei den Blick für die Realität zu verlieren. Es war ein Vortrag, der „aufgerüttelt“ und zum Nachdenken angeregt hat.
Diese Veranstaltung kann bei YouTube unter Gesellschaft für Sicherheitspolitik nachverfolgt werden.
Text: Joachim Schulz, Pressebeauftragter GSP Bonn