Sektion Bonn

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Donnerstag, 31.03.2022 - 19:00

Das Eurokorps und die Zukunft der europäischen Verteidigung

Das Eurokorps im französischen Straßburg ist ein multinationales, voll einsatzfähiges und autonomes Hauptquartier der Rahmennationen Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien und Luxemburg. Angesichts des multinationalen Charakters des Eurokorps lässt sich fragen, inwiefern es als ein Testfeld für eine zukünftige europäische Armee angesehen werden kann.
Vortrag mit begrenzter Teilnehmerzahl + Videokonferenz

v.l.n.r. Christiane Heidbrink, JGSP Bonn - GenMaj Josef Blotz a.D.


v.l.n.r. Penelope Wessel (JGSP), Christiane Heidbrink (JGSP), Generalmajor a.D. Josef Blotz (Referent), Emilia Bruder (JGSP), Benedikt Roelen (JGSP) alle Fotos: Copyright R. Rohde

 

 

Nachbericht zum Vortrag „Das Eurokorps und die Zukunft der europäischen Verteidigung“ am 31.03.2022

Generalmajor a.D. Josef Blotz, ehemaliger Stellvertretender Kommandierender General des Eurokorps, trug in einer hybriden Veranstaltung (ca. 80 Teilnehmer präsent oder per Zoom) zum Thema „Das Eurokorps und die Zukunft der europäischen Verteidigung“ vor.

Zunächst widmete sich der Vortragende dem Eurokorps, um in einem zweiten Teil seine Gedanken zu einer europäischen Armee darzulegen.

Mit einem historischen Exkurs führte Generalmajor a.D. Blotz in das Thema ein. Ursprung sei eine deutsch-französische Initiative gewesen beginnend mit dem Elysée-Vertrag von 1963 mit der Absicht, eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität zu fördern, die Solidarität zwischen den Nationen zu stärken und als Partner für die NATO zur Verfügung zu stehen. Dieses mündete in der Gründungscharta des Eurokorps von 1992. Schon ein Jahr später erfolgte mit der „SACEUR-Vereinbarung“ die Regelung des Verhältnisses zur NATO. Ziel sei gewesen, keine Strukturen zu duplizieren, aber Synergien zu schaffen durch die Nationen, die Mitglied in der EU und der NATO seien gemäss des Mottos „Für, mit und in der NATO“.

In seinen weiteren Ausführungen ging der Referent auf die besondere Rolle des Eurokorps als einzigem sowohl für NATO als auch EU zur Verfügung stehenden Korpsstab ein – im Gegensatz zu neun anderen in der NATO existierenden vergleichbaren Stäben. Er hob insbesondere die Nähe („Knotenpunkt“, wie er es nannte) zu anderen europäischen Institutionen (z.B. Europaparlament, Europarat) in Strassburg hervor, die es ermögliche, europäische Verteidigungspolitik auf breiter Ebene zu thematisieren.

Anschließend stellte er die Nationen dar, die das Eurokorps bilden. Neben sechs sog. Rahmennationen, die über die Finanzierung und Ausrichtung des Korps entschieden, gebe es noch fünf weitere assoziierte Nationen mit eingeschränkten Rechten in dieser Hinsicht. Wichtig sei aber ungeachtet des Status eine sichtbare Kohäsion und Solidarität.

Einzigartig sei auch die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums für Einsätze – das „Gemeinsame Komitee“ –, in dem neben den Generalstabschefs der Rahmennationen auch Vertreter der jeweiligen Außenministerien mitwirkten.

Anschließend folgten Ausführungen zu Organisation, Ausrüstung und Infrastruktur des ca. 1000 Personen umfassenden Korpstabes.

Der erste Teil seines Vortrages wurde beschlossen mit einem Überblick über Einsätze und Bereitschaftsgestellung für EU und NATO seit 1998 im Spektrum humanitärer bis hin zu möglichen Artikel 5 Operationen. Er hob die Fortschritte hervor, die seit der Krimbesetzung 2014 in dieser Hinsicht erreicht wurden. Der Vortragende betonte aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd gerade der Wechsel zwischen den „Auftraggebern“ EU und NATO für das Eurokorps sei.

Zusammenfassend betonte er die einzigartige Struktur, die multinationale Zusammensetzung und die jederzeitige Verfügbarkeit für EU und NATO als wesentliche Charakteristika des Eurokorps.

In dem zweiten Teil stellte er seine Überlegungen zu einer europäischen Armee dar. Hier präsentierte er bewusst keine fertigen Konzepte, sondern befasste sich mit den Fragen zu einer solchen Armee unter der Überschrift „Was ist zu entscheiden?“ Die

Bandbreite seiner Gedanken erstreckte sich von der Definition “Europa“ über Strukturen, nukleare Dimension, Beistandsverpflichtung hin zu Entscheidungen über Einsätze. Generalmajor a.D. Blotz konzedierte, dass er mehr Fragen als Antworten zu diesem komplexen und komplizierten Sachverhalt habe, aber damit zur Diskussion der Problematik anregen und beitragen wolle.

In der anschließenden Q&A-Runde wurden im Wesentlichen die Ausgestaltung und Realisierung der europäischen Autonomie, das Verhältnis zu den USA als größtem Truppensteller für die NATO und die Notwendigkeit eines verstärkten europäischen Beitrages zur gemeinsamen Verteidigung thematisiert.

Insgesamt war der Vortragende in seinen Antworten hinsichtlich einer europäischen Autonomie aufgrund nationaler politischer und wirtschaftlicher Eigeninteressen skeptisch und hielt sie angesichts der Komplexität für nicht realistisch. Es gehe zunächst um europäische Fähigkeiten, nicht um eine gemeinsame Armee. Er unterstrich aber erneut die Notwendigkeit eines verbesserten „burden sharing“ der Europäer mit den USA.

Generalmajor a.D. Blotz hat aus seinen eigenen Erfahrungen mit dem Eurokorps engagiert einen tiefen, fundierten und umfassenden Einblick in die Thematik einer europäischen Verteidigung gegeben. Er konnte klar, verständlich und anschaulich die heutigen Probleme und die zukünftigen Hindernisse auf dem Weg zu einer gemeinsamen Armee nachvollziehbar darlegen. Man merkte ihm sein großes Engagement in dieser Frage an.

Der Vortrag im Format pdf ist unter "Download der Einladung" bereits für Sie eingestellt.

Diese Veranstaltung kann bei YouTube unter Gesellschaft für Sicherheitspolitik nachverfolgt werden.

Text: Joachim Schulz, Pressebeauftragter GSP Bonn

 

 

 

 

 

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