Sektion Bonn
Weltbeben: Chinas Neue Seidenstraße
Christiane Heidbrink, Link

Tagungszentrum Hardthöhe in Bonn

Das Team der Sektion Bonn. Claudia Maria Klemm und Christiane Heidbrink (Zweite von links) © Richhard Rohe

Referentin Christiane Heidbrink ©Roland Heckenlauer

Dank an Christiane Heidbrink durch den Sektionsleiter Richard Rohde. © Roland Heckenlauer
Berichterstattung zum Vortrag „Weltbeben: Chinas Neue Seidenstraße“
Frau Christiane Heidbrink, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center for Global Studies (CGS) der Universität Bonn und Sprecherin der Jungen GSP, Sektion Bonn, trug im Rahmen eines Präsenzvortrages mit Live-Übertragung Zoom (ca. 100 Teilnehmer) zum Thema „Weltbeben: Chinas neue Seidenstraße“ vor.
Sie griff dabei drei Schwerpunkte auf. Zunächst widmete sie sich der Frage „Was ist die Neue Seidenstraße?“. Mit einem einführenden Propagandavideo, das aus chinesischer Sicht für die „Belt and Road Initiative“ (BRI), also die Seidenstraße, werben soll, führte sie zur Geschichte der BRI, den beteiligten Staaten und dem Investitionsvolumen aus. Dabei verwies sie darauf, dass die BRI nicht eine, sondern eine Vielzahl von verschiedenen Straßen umfasse (z. B. die Arktische, die Digitale, die Maritime oder die Gesundheitsseidenstraße). Darüber hinaus bestünden auch Aktivtäten im Bildungsbereich durch Vergabe von Stipendien an ausländische Studierende. Als weiterer Aspekt wurde der globale – auch von der Corona-Pandemie nicht verschont gebliebene - Investitionsumfang betrachtet, der mit Schwerpunkt in Asien läge. Afrika und Europa folgten auf den Plätzen. In Deutschland sei die BRI z.B. mit Duisburg als Endpunkt einer transkontinentalen Eisenbahnstrecke auch prominent vertreten, obwohl Deutschland der Initiative nicht beigetreten sei. Eine Diskussion hierzu finde bei uns nicht statt; die nationale Sicherheitsstrategie gehe darauf nicht ein. Die Vortragende vertieft zudem die wirtschaftlichen Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten Deutschlands und Chinas.
Im Weiteren ging Frau Heidbrink auf die Konditionalitäten ein, unter denen China die stets geheimen Verträge mit anderen Staaten schließe: wie z.B. Anerkennung der Ein-China-Politik, Nutzung chinesischer Ressourcen und Standards oder Finanzierung durch chinesische Banken und Kreditinstitute. In diesem Zusammenhang behandelte die Referentin bei der neuen BRI alte Sorgen hinsichtlich des chinesischen Einflusses im militärischen, politischen, wirtschaftlichen oder normativen Bereich.
Den zweiten Teil ihrer Ausführungen widmete Frau Heidbrink dem Einfluss der Pandemie und des Ukraine-Krieges. Zuvorderst seien der Rückgang der Investitionen Chinas einerseits und die massiven Rückzahlungsprobleme in viele BRI-Staaten andererseits zu nennen. Anhand eines Beispiels aus Kambodscha zeigte sie die finanzielle Dimension, die politischen Interessen der nationalen Eliten und die sozialen Folgen von BRI-Projekten auf. Die Wirklichkeit vor Ort stehe zum Teil in deutlichem Widerspruch zum chinesischen Narrativ. Hierbei seien jedoch Investitionen in Infrastrukturen in vielen Gesellschaften vor Ort willkommen, doch gibt es auch etliche Rückschläge bei der Planung und Umsetzung der BRI-Projekte. Scheiternde Großprojekte verschärfen die Schuldenproblematik in den Zielländern ebenso wie internationale Kritik an Chinas Initiative. Insgesamt sei Peking als Konsequenz zu kleineren, leichter umsetzbaren und nachhaltigeren Projekten übergegangen.
Als Folgen des Ukraine-Krieges sah die Vortragende eine deutliche wirtschaftliche Annäherung Russlands und Chinas, das eindeutig in der Handelsbilanz davon profitiere. Der Krieg habe zudem zu einer Umleitung der chinesischen Warentransporte nach Europa vom Northern Corridor zu dem Middle Corridor geführt, ohne Russland ganz zu umgehen, dessen Rolle bei den postsowjetischen Durchgangsländern aber schwäche. Bei der ebenfalls genutzten alternativen Seeroute bestehe aber immer die Gefahr der Sperrung im Falle von Konflikten.
Zuletzt ging Frau Heidbrink auf die Zukunft der BRI ein. Hier stellte sie fest, dass die Opposition des Westens gegen die BRI und China stärker werde. Es bestehe insbesondere in den sozialen Medien ein zunehmend aggressiver Wettbewerb der Systeme. Die BRI diene China dabei als Sinnbild einer positiven Außendarstellung. In vielen Ländern Afrikas z.B. sehe die Bevölkerung Defizite in der Umsetzung der BRI bei ihren eigenen Eliten, nicht bei China. Die BRI sei auch nach 10 Jahren Bestehens nicht tot. China werde weiter bestrebt sein, seinen eigenen Wohlstand durch Erschließung neuer Absatzmärkte und Lieferanten zu sichern und seinen politischen Einfluss zu stärken. Dieses sei umso wichtiger als China angesichts eines explodierenden einheimischen Schuldenstandes und fehlender Rückzahlungen aus den Vertragsstaaten Sorge vor Instabilität habe. Der Westen habe hier eine Chance zum gemeinsamen Ansatz bei Investitionen oder zum Engagement beim möglichen Rückzug Chinas in Drittländern.
In der anschließenden Diskussion wurden u.a. Chinas wirtschaftliche und demografische Probleme als mögliche Konfliktursachen mit dem Westen, die Bedeutung amerikanischer Schulden für das Reich der Mitte, wirtschaftliche Abhängigkeiten Europas, Chinas Verhältnis zu Indien und zu Indo-Pazifischen Nachbarn sowie die Rolle Russlands beleuchtet.
Frau Heidbrink hat mit ihrem erkennbar großen Fachwissen ein komplexes und mit Emotionen beladenes Thema umfassend, sachlich und detailliert, aber doch für den Laien sehr verständlich aufbereitet. Dabei hat sie auch Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und so dem Zuhörer die Möglichkeit gegeben, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ihre ungezwungene und offene, aber doch stringente Vortragsweise nahm die Zuhörer mit und regte diese zu einer lebhaften Aussprache und einem interessanten Meinungsaustausch an.
Text: Joachim Schulz, Pressebeauftragter GSP Bonn