Sektion Schwerin

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Donnerstag, 18.10.2018 - 19:30

Nordkurier-Pressebericht zum Sicherheitspolitischen Gespräch im Schweriner Schloss "Russland und der Westen - eine schwierige Beziehung"

Zwei Nato-Generäle und ein Oberst aus Russland: Mission Versöhnung

Vortrag und Diskussion

Wer hat recht? Wer hat rechter? Wer hat am rechtesten? Wer mit diesen Fragen in ein Friedensgespräch geht, kann eigentlich gleich weiter im Grabenkrieg verharren. Im fürstlichen Ambiente der Orangerie im Schweriner Schloss – dort wo die eine oder andere Hochzeit gefeiert wird – sollten am Donnerstagabend ranghohe Militärs und Sicherheitsexperten den Versuch starten, zarte Bande neu zu knüpfen. Im Podium vor voll besetzten Reihen: ein Russe und drei Deutsche. Oberst Andrey Siwov ist Militärattaché in der Berliner Botschaft, ihm zur Seite sitzt Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb, der seinerseits bis zum August Militärattaché in Moskau war. Das ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil Militärattachés meist im Ruf stehen, ihren jeweiligen heimatlichen Geheimdiensten zu Diensten zu sein. Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik und das Bundeswehr-Landeskommando MV haben außerdem noch Johannes Varwick, Professor für internationale Beziehungen an der Uni Halle, und Generalleutnant a.D. Kersten Lahl eingeladen. Das Thema ist hochexplosiv: Wie weiter zwischen der Nato und Russland, dem Westen und Putin, auf einem Minengelände aus gegenseitigen Vorwürfen und unterschiedlichen Sichtweisen? Wie weiter in der Krim-Krise, mit dem Syrienkonflikt, der wieder einsetzenden Rüstungsspirale?

Lahl, früher auch mal Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, moderiert die Runde: „Suchen wir Sicherheit mit Russland oder sind wir gezwungen, Sicherheit vor Russland zu suchen? Der Westen unterstellt Russland eine feindliche Politik und wir erkennen in Russland ein rückständiges Land mit nach unseren Maßstäben teilweise totalitären Strukturen“, macht sich der Generalleutnant an die Schlachtfeld-Analyse. Und er stellt auch fest: Russland rüste trotz knapper Kassen zwar auf – reiche aber bei weitem mit seinen Militärausgaben nicht an das westliche Bündnis heran. Allein der Nato-Partner USA bringe es auf 700 Milliarden Euro – Russland gerade mal auf 70 Milliarden, die zugegebenermaßen aber auch eine Verdopplung innerhalb der letzten zehn Jahre seien. Aber von einem Kalten Krieg wie einst sei man noch weit entfernt: Jetzt komme es darauf an, sich gegenseitig zuzuhören und sich in die Lage des anderen zu versetzen. „Wenn jeder nur auf seinen Vorteil schaut, sind Konflikte unausweichlich“, warnt Lahl.

Der russische Oberst sieht die Schuld allein beim Westen

Generalskollege Reiner Schwalb reicht ebenso eine Hand über den Graben – wenn auch mit Bauchgrimmen: „Wir brauchen jetzt vielleicht einen schmutzigen Deal mit Russland.“ Gemeint sei damit, anzuerkennen, dass die Krim fortan zu Russland gehöre. Auch die Ukraine müsse das akzeptieren. Schwalb geht einen zusätzlichen Schritt: Russland brauche die Gewissheit, dass die Nato-Erweiterung nun ein Ende habe. Aber der Militär stellt ebenso klar: Aus seiner Sicht habe Russland die Krim völkerrechtswidrig annektiert. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe man sich eindeutig darauf geeinigt, die existierenden Grenzen jedes Staates anzuerkennen. Putin schaffe es zudem nicht, dass die umliegenden Staaten mit Russland aufgrund eines überzeugenden Systems freiwillig kooperierten. Stattdessen erzwinge man Kooperationen mit militärischer Gewalt. Schwalb erinnert auch an das größte Nato-Manöver seit Ende des Kalten Krieges, das kommende Woche in Norwegen startet. Rund 50000 Soldaten trainieren dort den Bündnisfall – also die Abwehr eines Angriffs auf einen oder mehrere Nato-Partner. Der Ex-Militärattaché in Moskau sorgt sich. Möglicherweise sei bei solchen Manövern doch mehr Zurückhaltung geboten, die Wirkung auf den Nachbarn sei wichtig.

Nach den zwei deutschen Generälen ist jetzt der russische Oberst dran. Doch versöhnliche Worte sucht man bei dem Botschaftsmitarbeiter vergeblich. Seine Vorwürfe kommen wie aus der Pistole geschossen, die Position scheint unverrückbar: Schuld am Schlamassel ist allein der Westen. Andrey Si-wov startet in der jüngeren Geschichte. „Wir dachten an einen gemeinsamen Sicherheitsraum bis nach Wladiwostok und bekommen haben wir – den Jugoslawienkrieg.“ Dann seien zwei Nato-Erweiterungswellen gefolgt, dann der Einmarsch in den Irak, der zur Zerstörung eines unabhängigen Staates geführt habe. „Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 hat unser Präsident Putin seine Besorgnisse vorgetragen – eine Reaktion darauf gab es nicht“, setzt Siwov seine Attacke fort. Die Anhäufung von Waffen an den russischen Grenzen führe zurück in den Kalten Krieg. Bliebe noch das leidige Thema Krim. Eine innerrussische Angelegenheit sei das, so der Oberst, der zugleich überzeugt ist: „Wir haben alles gemacht, was möglich ist, um das Minsker Abkommen zu erfüllen. Das betrifft auch die Verhandlungen mit Kiew.“ Ein bisschen darf der Beobachter bei diesen Worten schon verwundert sein: Hat Selbstkritik nicht mal zum Selbstverständnis im Riesenreich gehört? Das ist offenbar dann doch schon etwas länger her. Bei längerem Nachdenken erschließt sich dem Beobachter aber noch eine weitere tiefe Wahrheit, an die er sich als gelernter DDR-Bürger nun wieder erinnert: Kritik nutzt nur dem Klassenfeind. Hat schon das Komitee für Staatssicherheit, bei dem Putin einst diente, gewusst. Die Ex-Nato-Generäle aber müssen sich ihrerseits fragen lassen, ob sie auch so frei von der Leber weg über Fehler des Westens geredet haben, als sie noch nicht Ex waren.

Interessen der ostdeutschen Länder sind eine untergeordnete Frage

Uni-Professor Varwick hat zumindest für den Konflikt um die kriegsversehrte und amputierte Ukraine einen Vorschlag: eine UN- Blauhelmmission im Osten des gebeutelten Landes zwischen den Mühlsteinen der Militärgiganten. Sei Russland mit einem solchen Einsatz einverstanden, könne man damit auch einen Abbau der Sanktionen verbinden. Das sei entscheidend, nicht Wirtschaftsinteressen einzelner, beispielsweise die der ostdeutschen Bundesländer: „Das ist eine untergeordnete Frage.“

Auch nach diesem Abend ist der Stellungskrieg nicht beendet. Das hat wohl auch niemand erwartet. Aber immerhin: Die verfeindeten Parteien reden miteinander. Der eine mehr, der andere weniger. Es muss ja nach einer Scheidung nicht gleich wieder Versöhnungs-Hochzeit gefeiert werden. Eine strategische Partnerschaft würde schon reichen.

Ort: Orangerie des Schweriner Schlosses - Lennéstraße 1 , 19053 Schwerin
Organisator: Herr Dipl. Ing. Hagen Pittelkow , Sektionsleiter hagenpittelkow@web.de
Lornsenstraße 4a, 25548 Kellinghusen  04822 / 4793

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