Sektion Bremen

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Donnerstag, 07.06.2018 - 19:00

Die Deutsche Marine - Aufgaben, Lösungen, Grenzen

Deutschland liegt in der Mitte Europas. Es ist eingebunden in die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Strukturen des Kontinents und unterliegt, wie alle anderen europäischen Nachbarn und Partner, herausfordernden Rahmenbedingungen, um Wachstum und Wohlstand zu sichern. Es ist rohstoffarm und die Arbeit ist vergleichsweise teuer. Daher ist Deutschland besonders auf den Import von Rohstoffen und den Export von technologischem Know-How, hochwertigen Waren und Fertigprodukten angewiesen, um dauerhaft nationalen Wohlstand und Wachstum zu sichern. Seine hohen Exportüberschüsse sind ohne den freien Außenhandel, die ungehinderte Nutzung der Hohen See und den freien Zugang zu den Märkten der Welt undenkbar. Aufgrund seiner Wirtschaftsleistung fällt Deutschland im europäischen Raum eine ökonomisch dominante Rolle zu. Damit einher geht eine zunehmend größere sicherheitspolitische Verantwortung, zumal die Politik der USA gegenüber Deutschland und seinen europäischen Partnern unberechenbar wird. Militärisch ist Deutschland, gemessen an seinen ökonomischen Möglichkeiten zurückhaltend. Es setzt auf Allianzen, Partnerschaften und Diplomatie. Im Ergebnis heißt das, Deutschland geht nicht ohne Europa und Europa geht nicht ohne Deutschland.
Vortrag und Diskussion
Referent: Kapitän zur See Dipl.-Päd. Klaus Heermeier , Unterabteilungsleiter Ausbildung, Marinekommando PAO
Ort: Haus Schütting - Am Markt 13 , 28195 Bremen
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Dipl. Päd. Rüdiger Krause , Sektionsleiter gspbremen@gmail.com
Breslauer Straße 3a, 28876 Oyten  04207 / 688038


Globale Szenarien

Mit seinen europäischen Partnern steht Deutschland den Herausforderungen der Globalisierung und der Digitalisierung gegenüber. Die Konfliktpotentiale des Nahen Ostens, der arabischen Welt, Afrikas und Asiens erreichen Europa und Deutschland in den unterschiedlichsten Formen und lösen Krisen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen aus. Gleiches gilt im Cyber-Raum. Die Cyberangriffe auf den Bundestag und die Telekom belegen die weltweite Verwundbarkeit der digitalen Strukturen. Informationsoperationen fremder Mächte oder geldgierige Unternehmen haben nach Wirkung und Ausmaß zu bisher nicht gekannten Manipulation der Öffentlichkeit geführt, z.B. im US Wahlkampf und vermutlich bei der BREXIT-Abstimmung in England.

Mit seiner Macht- und Militärpolitik übt Russland Druck auf die NATO und die EU aus. In kombinierten Land-, Luft- und Seeübungen beindrucken die russischen Streitkräfte durch überraschende Potentiale, wie mobile Mittelstreckenraketen oder ausgefeilte Fähigkeiten der elektronischen Kampfführung in der Luft oder unter Wasser. Besonders die Baltischen Staaten und Polen sehen sich bedroht. So rückt die Ostsee als maritimer Operationsraum wieder ins Blickfeld.

Die Türkei entfernt sich zunehmend von Europa, das in der Flüchtlingsfrage von ihr abhängig bleibt. Bei den arabisch-afrikanischen Anrainern des Mittelmeers drängen unterschiedliche islamistische Terrorgruppen in das nach dem „Arabischen Frühling“ entstandene Machtvakuum und destabilisieren die Staaten. Sie sind kaum in der Lage, den Schleuser- banden und Menschenhändlern das Handwerk zu legen und den Flüchtlingsstrom aus Zentralafrika über das Mittelmeer zu kontrollieren.

In Asien setzt China unter Missachtung internationaler Rechtsprechung seine Ansprüche im südchinesischen Meer durch, sichert sich weltweit wichtige Ressourcen und demonstriert die Einsatzfähigkeit seiner „grauen“ Flotte durch internationale Besuchsdiplomatie. Der NATO- Bündnispartner USA stellt seine wirtschaftlichen Interessen über alles, beschädigt vorsätzlich den Freihandel und scheint Europa sich selbst zu überlassen.

Die drei Aufträge der Deutschen Marine

Vor dem Hintergrund dieses globalen Szenarios mit höchst realen sowie diffusen Bedrohungen durch staatliche und terroristische Akteure nimmt die Deutsche Marine ihre Aufgaben an der europäischen Nordflanke, insbesondere in der Ostsee, an der europäischen Südflanke und im Indischen Ozean wahr. Die gewaltsame Annektion der Krim und der hybride Krieg Russlands gegen die Ukraine haben in der Nato und in Europa zu einer neuen Bedrohungseinschätzung geführt. Dementsprechend sind die Streitkräfte an den Erfordernissen der Landes- und Bündnisverteidigung neu auszurichten.

Doch anders als im Kalten Krieg ist Deutschland nicht mehr Frontstaat. Geostrategisch wird es rückwärtiges Gebiet und Drehscheibe für Verstärkungen der exponierten östlichen Partner. Kräfte kann Deutschland hingegen nur im geringen Umfang stellen, da es mit dem Aussetzen der Wehrpflicht seine militärische Aufwuchsfähigkeit eingebüßt hat. Es gibt keine Eventualfallplanungen mehr, keine Leistungssicherstellungsgesetze, keinen Zivilschutz und anderes mehr. Es gilt also, die Verteidigungsfähigkeit als gesamtstaatliche Aufgabe wiederherzustellen. Für die Deutsche Marine heißt Landes-und Bündnisverteidigung vor allen Dingen die Fähigkeit zur Kontrolle des Operationsraum Ostsee zu gewinnen.

Terrorismus, Despotismus, Bürgerkrieg, Armut, Klimawandel und Hungersnöte bleiben die schrecklichen Kennzeichen des globalen Krisenbogens von West-Afrika, Nord-Afrika, Levante, Horn von Afrika, Naher u. mittlerer Osten über Vorderasien bis hin nach Fernost und China. Damit bleibt die Konflikt- und Krisenvorsorge für die Deutschen Marine eine dauerhafte Aufgabe. Krisen- und Konfliktvorsorge bedeutete in der Vergangenheit, mit einer schrumpfenden Flotte immer mehr internationale Einsätze zu bedienen. Die Folge waren hohe Belastungen von Personal und Material und der Verlust von Kernfähigkeiten im Bereich der Seekriegsführung.

Letztlich ist der Schutz der Handelswege und der der Freiheit der Meere eine unabdingbare Voraussetzung der Prosperität unserer exportorientierten Wirtschaft. Deren Rohstoffe und Fertigerzeugnisse werden zu 90% auf dem Meer transportiert, vielfach auf dem Indischen Ozean. Wenngleich die Anrainernationen mit Blick auf China und die Piraterie über beträchtliche Seestreitkräfte verfügen, so gehört dieser Raum dennoch zu Deutschlands Interessengebieten, in denen es gilt, die Entwicklungen zu beobachten und partnerschaftliche Beziehungen zu pflegen.

Personal, Material, Ausbildung

Wie in allen Organisationsbereichen der deutschen Streitkräfte, zwingen Aufgabenfülle und die Verfügbarkeit der Einsatzmittel auch die Marine zur priorisierten Aufgabenwahrnehmung. Hier sind deutlich unterschiedliche Prioritäten zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Marinekommando auszumachen. Priorisiert das Ministerium die multinationalen Verpflichtungen in der Ägäis, gegen Schleuserbanden vor der Nordafrikanischen Küste (SOPHIA), vor dem Libanon (UNIFIL) und am Horn von Afrika (ATALANTA) fordert das Kommando in Rostock vordringlich die Stärkung der Einsatzausbildung und eine forcierte Personalgewinnung. Einsatzausbildung heißt, die operativen und seemännischen Fähigkeiten wieder auszubilden, die es ermöglichen, die „maritimen Nabelschnur“ von der Ostsee in die Nordsee, den Atlantik und das Nordmeer offen zu halten. Nach Lage der Dinge gilt es in diesen Räumen Präsenz zu zeigen und Entschlossenheit zu demonstrieren. Das muss sich im Übungs- und Ausbildungs- geschehen der Marine widerspiegeln. Die Konfliktlinie entwickelt sich entlang der Verfügbarkeit von Personal und Material. Mit der gegenwärtigen Anzahl schwimmender Einheiten hat die Deutsche Marine einen historischen Tiefststand erreicht. Im Gegenzug ist anzumerken, dass die Modernisierung der Flotte greift und sie seit 25 Jahren erstmals wieder wachsen wird.

Mit den Typenklassen Fregatte 125, Korvette 130 und den Mehrzweckkampfschiff 180 werden zwischen 2017 und 2028 fünfzehn neue, moderne Einheiten in Dienst gestellt werden, die den vielfältigen Operationsräumen und Einsatzspektren entsprechen.

Zukünftiger Operationsraum Ostsee

Geographisch ist die Ostsee ein Randmeer, geostrategisch dagegen ein komplexes und forderndes Umfeld, das sich nach dem Kalten Krieg vom Meer der Trennung zum Meer der Verbindung gewandelt hat. Ihr Meeresboden, ist übersäht mit Pipelines und unterseeischer Vernetzungen. Küstennahe Offshore-Installationen liefern Energie und der See- und Luftraum wird für Handel, Kommunikation und kulturellem Austausch intensiv genutzt. Für alle Anrainer und innerhalb der EU ist sie ein Handelsraum von strategischer Bedeutung. Wenngleich eine konventionelle Bedrohung durch Russland eher unwahrscheinlich ist, sind hybride Szenarien, wie z.B. auf der Krim, gegen die baltischen Staaten nicht gänzlich auszuschließen. Im Rahmen komplexer maritimer Manöver und Joint Operationen hat Russland seine militärischen Fähigkeiten mit hochentwickelten Anti Access bzw. Area Denial Fähigkeiten - u.a. moderne weitreichende Seezielflugkörper, Marschflugkörper zur Landzielbekämpfung von See, mobile FK-Batterien, Layered Air Defence und Elektronischer Kampfführung - erheblich aufgestockt und seine Übungstätigkeit auf See und im westlichen Militärbezirk forciert.

Dieser möglichen Herausforderung soll durch den Impuls „Kooperation und Maritime Sicherheit im Ostseebereich“ (BALTIC COOPERATION) begegnet werden. Ziel ist es, das fragile maritime Kräftegleichgewicht in der Ostsee wiederherzustellen. An der Initiative beteiligen sich Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, die baltischen Staaten und Polen. Die Kooperation mit unseren Bündnispartnern bietet die Möglichkeit, Lasten zu teilen und Aufgabenpakete zu bündeln, die die Nationen nach Ausbildung und Ausrüstungsstand auch leisten können. Deutschland kann und wird mit den in Beschaffung befindlichen Einheiten dazu einen wesentlichen Beitrag leisten können und müssen. Dazu sind die nationale Ausbildung und internationale Übungstätigkeit auf den Einsatzraum abzustimmen und permanent an die politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten anzupassen. Die diplomatische Annährung an Russland bleibt die wünschenswerte Option.

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