Sektion Bremen

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Donnerstag, 20.06.2019 - 19:00

Nordkoreanischer Drahtseilakt - Kim Jong-un und die großen Mächte

Vortrag und Diskussion
Referent: Prof. Dr. Michael Staack , Professor für Politikwissenschaft an der Helmut- Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg.
Ort: Haus Schütting - Am Markt 13 , 28195 Bremen

Von Rüdiger Krause

Welche Optionen hat Nordkorea nach dem Scheitern des Gipfels von Hanoi im Februar 2019? Muss es zunehmende internationale Sanktionen, schwerwiegenden Auswirkungen auf die Bevölkerung oder Erschütterungen des über drei Generationen unverhohlen diktatorisch-autokratischem Familien Regimes befürchten? Professor Dr. Michael Staack ging diesen Fragen vor der Gesellschaft für Sicherheitspolitik in Bremen nach.

Hanoi musste scheitern müssen! Es sei, so Staack, vollständig unterlassen worden, dieses Treffen zwischen Kim Jong-un und dem US Präsidenten Trump in Hanoi am 27.02.19 so vorzubereiten, wie es den internationalen Standards entspräche. Ursächlich seien die Meinungsverschiedenheiten in der Trump-Administration ebenso wie die von der US-Seite eingebrachten Maximalforderungen, die ohne Zwischenziele nicht erreichbar seien. Obwohl dem ersten Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un in Singapur im Juni 2018 verschiedene Bemühungen gefolgt seien, sei, neben anderem, das von den Grundsätzen der traditionellen diplomatischen Herangehensweisen abweichende Verhalten der US-Seite ursächlich für das Scheitern des Treffens in Hanoi. 

Vor allen Dingen sei es versäumt worden, den Begriff der Denuklearisierung so zu klären, dass in den Hanoier Gesprächen ein gemeinsames Verständnis hätte zugrunde gelegt werden können. Es blieb offen, was Denuklearisierung beinhalten solle. Aus amerikanischer Sicht wäre das die vollständige Aufgabe aller atomaren Fähigkeiten Nordkoreas - eine für Nordkorea nicht annehmbare Maximalforderung. Diese Fragen seien in Konsultationen beider Seiten im sogenannten 1.5 Format zwar erörtert worden, ohne jedoch genügend Substanz für ein Gipfeltreffen zu erbringen. Gleiches gälte auch für die Sanktionen, denen Nordkorea sich ausgesetzt sieht. Es sei weitgehend unklar geblieben, wann, wie und welche Sanktionen aufgehoben würden. Obwohl Nordkorea die in Singapur beschlossenen Vereinbarungen bis zum Treffen in Hanoi erfüllte und auch den Ausgleich zu seinem südlichen Nachbarn suchte und mit ihm eine Vereinbarung zur militärischen Entspannung herbeiführte, steuerte die Trump-Administration auf einen schnellen Deal zu und scheiterte.  

Der US-Iran Konflikt sei ein weiterer Einflussfaktor für die politische Lagebewertung in Pjöngjang, so Staack. Um maximalen Druck auf das Regime in Teheran ausüben zu können, kündigten die USA völkerrechtswidrig den Atomvertrag. Pjöngjang lernte daraus, dass die Unterschrift der USA nichts wert und die EU kein ernstzunehmender politischer Akteur sei. Als Partner böten sich nach Staack dann nur noch das (ungeliebte), mit den USA in eine Handelskrieg verstrickte, China und der russische Nachbar an, der auf verschiedenen Ebenen seine Konflikte mit den USA und Europa austrüge. Nach Staacks Einschätzung sei die gegenwärtige weltpolitische Konstellation gefährlicher als im Kalten Krieg - ausgelöst durch umfangreiche repressive Maßnahmen wie Sanktionen und Handelsembargos, vermeidlich schnelle Deals und fehlende Kommunikation und fehlendes Vertrauen zwischen den Mächten und deren politischen Akteuren.

Die nukleare Weltordnung spiele hier, so Staack, eine herausragende Rolle. Obgleich international geächtet, blieben atomare Fähigkeiten für Pjöngjang unverzichtbar bis sie durch andere Sicherheitsgarantien ersetzt werden könnten. Die seien aber im gegenwärtigen globalen Hegemonialkonflikt zwischen China und den USA kaum absehbar. Wenngleich die USA und China das gleiche Ziel verfolgten, die atomare Abrüstung Nordkoreas zu befördern, so bliebe es mit seinen atomaren Fähigkeiten im globalen, wie im regionalen Maßstab für beide Mächte ein entscheidender Faktor. 

Der Erhalt des Regimes dominiere die Politik Nordkoreas. Schon bescheidene wirtschaftliche Verbesserungen und die Atomwaffen stabilisierten es nach innen wie nach außen. Mit China als Verbündetem und Handelspartner sowie eigenen Atomwaffen könne es die Konfrontation mit den USA suchen und bliebe ein bedeutender regionaler und globaler Machtfaktor. Als lernendes System habe das Regime in Pjöngjang Erfahrung im Umgang mit Sanktionen und könne Staat und Gesellschaft moderat modernisieren und weiterentwickeln.

Der US-Präsident sei in einer weniger komfortablen Lage. Er brauche die schnellen Erfolge, die er versprach. Gelingt es ihm, mit der Denuklearisierung Nordkoreas freie Hand gegen den Iran zu gewinnen und gleichzeitig Russland und China einzudämmen?

Chinas Interesse sei es, einen „Krieg vor der Haustüre“ ebenso zu vermeiden, Nordkorea weiterhin einzuhegen sowie einen unter amerikanischem Einfluss erzwungen Regimewechsel in Pjöngjang oder ein Wiedervereintes Korea zu vermeiden.  Dazu gelte es, die Denuklearisierung Nordkoreas so behutsam voranzutreiben, dass das Thema die USA beschäftigt halte. Generell sei Chinas Rolle in diesem Konflikt positiv, so Staack.

Russlands Putin hat Kim Jong-un in dem von Pjöngjang nicht weit entfernten Wladiwostok empfangen. Die Botschaft dieses Treffens, das weitgehend ergebnislos verlief, sei jedoch eindeutig. Das Regime könne auf die Sympathien Russlands setzen, wenn es um Allianzen gegen die USA ginge.

Auch Südkorea wolle einen Konflikt vermeiden und keine Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel haben. Doch fehle es an einer gemeinsamen Strategie mit Japan und den USA. Für die Europäer sieht der Professor in diesem Konflikt keine Rolle.

Professor Dr. Staacks Fazit ist denn auch sehr anschaulich: Kim Jong-un ist zurück auf der politischen Bühne. Seine Lehre aus dem US Vorgehen gegen den Iran ist, dass der Besitz von Atomwaffen wirkungsvoller ist als eine völkerrechtlich verbindliche Übereinkunft mit den USA. Chinas Diplomatie hat deutlich gemacht, dass eine Konfliktlösung vor seiner Haustür nur mit ihr vollzogen werden könne. Russland zeigt seine Nordkorea Sympathien, doch hält es sich bedeckt. Der tragische Verlierer im Poker um die Gunst der Großen ist Südkorea. Es ist, mehr denn je, dem Wohlwollen der USA ausgeliefert und die Hoffnung auf einen vereinten koreanischen Staat scheint zunächst in die ferne Zukunft gerückt zu sein.

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