Sektion Bremen

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Samstag, 20.11.2021 - 09:30

6. Bremer Symposium zur Sicherheit: Naher Osten – Konfliktfeld ohne Ende, Konfliktursachen, Lösungsstrategien, Auswirkungen auf Europa

Hybrid-Veranstaltung in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung Bremen (09.30 h - 16.00 h)

Vortrag mit begrenzter Teilnehmerzahl + Videokonferenz

Der Mittlere und Nahe Osten ist einerseits eine Wiege der menschlichen Zivilisation und hält andererseits zugleich die Welt als gefährliches Pulverfass in Atem.

Seit über einem Jahrhundert belasten Bürgerkriege und Kriege, Aufstände und Revolutionen, Umstürze, religiöse Spannungen und ökonomische Probleme diese Region. Frieden ist in der gesamten Region nicht in Sicht.

Die Vielfalt und Komplexität der politischen, gesellschaftlichen, religiösen, wirtschaftlichen und ethnischen Konflikte in diesen Staaten, Gesellschaften und untereinander hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit Europas, insbesondere auch durch das Einwirken und die sehr unterschiedlichen Interessen fremder Mächte. Der teilweise Rückzug der USA hat die Lage nicht einfacher gemacht, ist jedoch für Europa mit besonderer Verantwortung verbunden.

  • Aus welchen Gründen kommen der Mittlere und Nahe Osten nicht zur Ruhe?
  • Gibt es Lösungsansätze und Strategien, die Konfliktpotenziale in diesem Raum zu regeln oder gar zu lösen?
  • Was wird von Europa erwartet? Welche Leistungen kann und will Europa erbringen?

Das 6. Bremer Symposium will interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Vielfalt und Komplexität der gegenwärtigen Lage und Hintergründe für die explosive Situation in diesem Raum vermitteln. Hochrangige und ausgewiesene Experten aus Politik und Wissenschaft entwickeln an ausgewählten Beispielen ein verständliches Bild der gegenwärtigen Situation und der aktuellen Herausforderungen über die sie mit Ihnen, als interessierte Bürgerinnen und Bürger, ins Gespräch kommen wollen.

Organisatoren:      Herr Oberstleutnant a.D. Peter Radig, Leiter Landesbereich II,  Herr Oberstleutnant a.D. Rüdiger Krause, Leiter Sektion Bremen

Programm

09:30    Begrüßung

  Dr. Ralf Altenhof, Landesbeauftragter   der Konrad - Adenauer Stiftung, Bremen
  Peter Radig, Leiter Landesbereich II  Niedersachsen / Bremen der GSP

09:40   Einführung

  GenLt a.D. Kersten Lahl, Vizepräsident der GSP

  Impulsvorträge

10:00   Analyse 1:   Konflikte im Nahen und Mittleren Osten –   Ursachen und Auswirkungen für Europa - eine   Analyse

  Dr. Kinan Jaeger, Politologe, Geograph und Publizist;   Lehrauftrag an der Univ. Bonn (Politische Wissensch.),   Freier Dozent für Fort- und Weiterbildung 

11:00   Pause

11:15  Analyse 2:   Schritte und Strategien zur Lösung/Minimierung   der Konflikte im Nahen Osten

  Prof. Dr. Eckart Woertz, Prof. für Zeitgeschichte   und Politik des Nahen Ostens an der Universität   Hamburg und Direktor des GIGA-Instituts für Nahost-  Studien in Hamburg

12:15  Mittagspause – Einladung zum Imbiss

13:15  Keynote:   Die Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens   für Europa – Chancen und Risiken 

Ahmad Mansour, Dipl.-Psychologe; Islamismus-Experte; Namensgeber und Geschäftsführer von MIND prevention (Projekte und Initiativen zur Förderung von Demokratie und Toleranz sowie Bekämpfung von Extremismus). (1973 – 2009)

14:15  Pause

14:30    Panel -   alle Vortragenden; Diskussion im Plenum 

  Naher Osten – Konfliktfeld ohne Ende?  Was ist zu   tun?

  Moderation: Julia Weigelt, Fachjournalistin für   Sicherheitspolitik .

16:00  Verabschiedung



von links: Kinan Jaeger, Ref., Ahman Mansour, Ref.; Eckart Woertz, Ref.; Julia Weigelt, Mod.; Peter Radig, Org.; Kersten Lahl, Ref.; Valentiô Lipardi, Tech..


„Der Nahe Osten – ein Konfliktfeld ohne Ende?“

Bremen. Das 6. Symposium zur Sicherheit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am 20. November setzte mit dem Themenschwerpunkt Naher und auch Mittlerer Osten auf ein Dauerthema, das von geostrategischer Bedeutung auch für uns Europäer als direkte Nachbarn ist. Sicherheitspolitische Experten und der Keynote-Sprecher Ahmad Mansour brachten in der Hybrid-Veranstaltung in Bremen ganz unterschiedliche Aspekte ein, die nicht nur die zugeschalteten Schüler eines Stader Gymnasiums zu Diskussionen anregte.

GSP-Vizepräsident GenLt a.D. Kersten Lahl eröffnete das Symposium mit einer Einordnung des Themas und nannte fünf Ursachen für das „breite Konfliktfeld“: Der Kampf um die Vorherrschaft in der Region zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, eine religiöse Dimension, wo „drei monotheistische Religionen aufeinanderprallen“ und dem sunnitisch-schiitischen Konflikt, die „ethnische Vielfalt“ mit seinen Freiheitsbewegungen, wie etwa die ungelöste Kurdenfrage sowie innerstaatliche Protestbewegungen („Arabischer Frühling“) mit Bürgerkriegen in der Folge. Lahl nannte die Konflikte „brandgefährlich“ für Europa, da sie Terrorismus, unkontrollierte Zuwanderung und Verknappung lebenswichtiger Ressourcen mit sich brächten. Er nannte auch „andere Akteure mit Großmachtambitionen“, die die Konflikte für Stellvertreterkriege zugunsten globaler geostrategischer Vorteile missbrauchten. Zu Israel sagte er: Die Sicherheit des israelischen Volkes und des Staates Israel bleibe für Deutschland Staatsräson. Sein Fazit: Statt Strategie gelte „Durchwurschteln“ und schlimmeres verhindern wollen, „vielleicht der derzeit einzig gangbare Weg“.

Der in Damaskus geborene Politologe und Publizist Dr. Kinan Jaeger, Universität Bonn, eröffnete seinen Beitrag mit der Beschreibung der heutigen Lebensumstände in Damaskus. Strom, Wasser, Benzin oder Zucker gäbe es kaum, nur unregelmäßig oder reglementiert. Auch wenn wir durch Medien nichts darüber erführen, „wird in Syrien im Bürgerkrieg weiter gestorben.“ In Afghanistan, Irak und Libyen sei es nicht viel besser und wirtschaftlich stehe der Libanon „an der Wand“. „Wir haben eine Situation im Nahen und mittleren Osten, die sollte uns in Europa sehr zu denken geben sollte.“ Stattdessen hätten wir als direkter Nachbar „offenbar kein Konzept und keine Strategie“. Das Machtvakuum in Syrien habe Russland genutzt und Syrien zu einem Vasallenstaat gemacht und militärisch für „Friedhofsruhe“ gesorgt.

Wenn wir uns nicht in Syrien engagierten „produzieren wir ein neues Armenhaus am Mittelmeer, das zweite neben dem Gazastreifen.“ Nicht nur deshalb sieht er den Wiederaufbau Syriens als Aufgabe Europas an. Es gehe auch darum, bei den Zivilpersonen verloren gegangenes Vertrauen in den Westen und vor allen in Europa, wieder aufzubauen. Das sei auch wichtiger als die Befürchtung, mit Geldern auch Diktatoren zu unterstützen. Bislang sei man jedoch „nicht willens oder in der Lage, Geld zu generieren“.

Der Politloge nannte „Gefahrenpunkte“ für Europa: Russland hat durch seine Marine- und Luftwaffenbasen in Syrien seinen Einfluss im Mittelmeerraum erweitert, ebenso wie die Chinesen, mit der „neuen Seidenstraße“ und Verträgen mit Italien und Libyen. Gleiches gelte für die Türkei und den Iran. Jaeger fragte: Wenn der Iran über eine Atombombe verfüge und Israel präventiv zuschlage: „Was machen wir dann?“, denn „dann kommt die Staatsräson zum Tragen.“ Ein Machtvakuum in Afghanistan nicht auszufüllen, bedeute, China freie Hand zu lassen. „Die Chinesen versuchen mit allen Mittel machtpolitisch in Richtung des Golfes vorzudringen.“ China benötige Energie. Wenn wir untätig bleiben, sei wohl eine direkte Pipeline über Afghanistan zum „prädestinierten Partner“ und fünftgrößten Ölproduzent Iran, die Folge.

Die größte Bedrohung der amerikanischen Sicherheit sei eine Supermacht China. Deshalb sollte sich Europa mit den USA eine Strategie überlegen – auch für den gesamten Mittelmeerraum. Dieser „ist unser strategischer Vorhof, wenn wir den verloren geben, dann sind wir selbst schuld.“ Sein Fazit: Im großen Kampf der Mächte falle Europa zunehmend „hinten runter“ und werde außerdem von der Türkei und Belarus „zunehmend erpresst“.

„Wandel durch Handel“ könnte eine Strategie für Europa sein, sagte Jaeger und warb für die Revitalisierung des 1995 ins Leben gerufene „Barcelona-Prozesses“ mit der Idee einer Freihandelszone im Mittelmeerraum sowie Maßnahmen für Arbeit, Bildung und Soziale Sicherheit. Das könnte sein: die Ausbildung junger Menschen aus der Region in Europa, Anreize für hier ausgebildete Flüchtlinge, als Lehrpersonal in die Heimat zurückzugehen, sofern möglich, Rüstungsfirmen bei der Alimentierung von Flüchtlingen beteiligen, Städtepartnerschaften und Stipendienprogramme mit der arabischen Welt und ein Konzept für ein Rentensystem und soziale Absicherung zu entwickeln.

Die europäischen Staaten seien „immer Teil“ der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten hob Prof. Dr. Eckart Woertz, Politologe an der Universität Hamburg und Direktor des GIGA-Instituts für Nahoststudien, hervor. Sei es durch die Kolonialgeschichte und ihre Auswirkungen bis heute oder durch Waffenlieferungen europäischer Rüstungsfirmen. Die Art der Konflikte hätten sich in den vergangenen Jahren allerdings verändert. Bezeichnend heute: Asymmetrische Konflikte mit nicht staatlichen Akteuren, Söldner, wie russische „Wagner-Gruppe“ und die deutsche Sicherheitsfirma „Asgaard“, unklare territoriale Trennungen und die zunehmende Zahl ziviler Opfer. Die Konfliktfelder seien ein „Wachstumsmarkt“, weniger finanziert von Staaten als vielmehr private Akteure. Woertz sieht aber auch Chancen für die Region: Grüner Wasserstoff und die Energiewende: „Da gibt es Kooperationspotential.“

Der arabisch deutsch-israelische Psychologe Ahmad Mansour sprach in seiner Keynote von einer „kognitiven Verzerrung“ der Europäer im Verständnis der Menschen in der Nahost-Region. Wir Europäer seien nicht in der Lage, mit Blick auf den Nahen Osten, unsere „europäische Brille“ abzusetzen. Angefangen nach Ende des 1. Weltkrieges mit der Gründung der Nationalstaaten im Nahen Osten durch die Briten und Franzosen. Diese „Idee der Moderne“, wie Mansour es nannte, sei auch ein Versuch der Säkularisierung gewesen, in der sich Völker nicht mehr über ihre Religiosität, sondern über die gemeinsame Sprache definieren sollten. Diese in Europa erfolgreiche Idee hat, so Mansour, „im Nahen Osten nicht funktioniert.“ Dabei wurde der Panarabismus mit den Zielen Säkularisierung, Liberalisierung, Wohlstand und Fortschritt von allen arabischen Staaten unterstützt, einschließlich dem Ziel, Israel zu besiegen. Der Tod des Panarabismus folgte jedoch 1967 mit „dem arabischen Trauma“, die Eroberung Gazas und der Sinai-Halbinsel durch Israel.

Dieser Misserfolg des Panarabismus führte zu einer Suche nach Alternativen und fand sie in den humanitären Strukturen der islamistischen Muslimbrüder, erklärte Mansour. Da, wo der Staat im sozialen Bereich versagte, engagierten sie sich erfolgreich. Anders als der Panarabismus konnte der Islamismus auch politische Erfolge erringen, etwas im Iran, in Afghanistan oder der Erfolg der Hisbollah im Libanon über Israel. Das vereinende Element sei heute deshalb nicht mehr der Nationalstolz und die arabische Identität, sondern die muslimische mit der Umma (muslimische Gemeinschaft), wo die Loyalität nicht einem Staat, sondern dem eigenen Stamm gelte. Mansour: „Diese Formation sagt fast alles über den Nahen Osten und wird Europa in den nächsten Jahrzehnten massiv beschäftigen.“ Der Islamismus „ist die heute stärkste Alternative zum Panarabismus“ und finde auch in Europa zunehmend Sympathisanten. Der Psychologe warnte vor einer langsamen ideologischen Unterwanderung der westlichen Gesellschaft.

Für Israel und die sunnitischen Regimes ist die Ausbreitung des Irans die größte Gefahr. Dazu zählt der zunehmende, auch ideologische Einfluss des Irans in der Region, die Bemühungen um den Bau einer Atombombe, und speziell für Israel, das mehrfach erklärte Ziel des Irans, Israel zu vernichten. Die gemeinsame Angst vor dem Iran führten in der Region zu neuen Allianzen zwischen Israel und der arabischen (Golf-)staaten in Form von echten Friedensabkommen und Kooperationen. Besonders die Golfstaaten suchten nach Alternativen zur USA als Schutzmacht, nicht zuletzt, nach deren Untätigkeit in Syrien, die zu einer „unfassbaren Präsenz“ Russlands in Syrien führte, sowie deren Verrat der Kurden.

Mansour nannte die Europäer „naiv“, wenn sie in Bezug auf das Verhindern einer iranischen Atombombe auf Verhandlungen mit dem Iran setzten. „Wenn man die israelische Politik verstehen will, muss man zurück nach Deutschland kommen. Die DNA dieser Bevölkerung ist darauf aufgebaut: „Nie wieder“. Das bedeutet stark sein und da, wo Vernichtungswille existiert, diesen zu vernichten oder zumindest zu schwächen, ob das im Iran oder im Gaza ist.“

 

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