Sektion Delmenhorst

Sektion Delmenhorst

Mittwoch, 22.08.2018 - 19:30

Afrika - Demographie, Klimawandel, Migration

Afrika - Ein Kontinent im Aufbruch. Afrikaexperte rückt weitverbreitetes Zerrbild des schwarzen Kontinents zurecht.
Vortrag und Diskussion
Referent: Dustin Dehéz , Managing Partner bei Manatee Global Advisors
Ort: "Oase Haus Adelheide" (Soldatenheim), (vor Delmetal-Kaserne), - Abernettistraße 43 , 27755 Delmenhorst
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Rolf Dieter Wienand , Sektionsleiter delmenhorst@gsp-sipo.de
Donnermoor 48, 27777 Ganderkesee  04222 / 950221

Afrika im Aufbruch - Johannesburg - Foto: Lars Haefner, Lizenz: CC BY-SA 3.0


Gehören zu den "New African Leaders". Die Präsidenten Yoweri Museveni, Uganda und Paul Kagame, Rwanda - Foto: Wikipedia, Quelle: Government of Rwanda


Problemfall Mali - Foto: Ferdinand Reus, Lizenz: CC BY-SA 2.0


Eingeladen hatten die Sektion und der Standortälteste Delmenhorst, unterstützt vom örtlichen VdRBw, und diesmal auch von der RegioVHS Ganderkesee-Hude. Vortragssaal war traditionsgemäß die OASE im Haus Adelheide. Gleich zu Beginn seines Vortrags nutzte der Referent, Dustin Dehéz von der Manatee Global Advisors GmbH, vor 60 Zuhöreren die im Thema genannten Schlagworte Demographie, Klimawandel und Migration, um mit vor allem in Deutschland bestehenden Vorurteilen gründlich aufzuräumen. So sei das kolportierte Bevölkerungswachstum unrealistisch hochgerechnet, weil keine verlässlichen Grunddaten vorliegen; so sei die Migration auf dem afrikanischen Kontinent selbst zu finden und nur ein geringer Prozentsatz strebe nach Europa – die Angstschürer in Politik und bei den Verschwörungstheoretikern spielten mit unhaltbaren Zahlen zu „Migrationsströmen“. So sei die Annahme, wenn es den Leuten gut ginge, blieben sie am Ort, durch weltweite Empirie widerlegt: vielmehr wachse im Wohlstand die Mobilität. So sei der Kontinent mitnichten „verloren“, allerdings seien starke Entwicklungsunterschiede sehr wohl vorhanden – übrigens genauso in Europa. Die Medien in Deutschland und auch die Politik seien auf dem Kontinent so unterrepräsentiert, dass ein nur sehr lückenhaftes Bild ermöglicht werde. So sei das Flüchtlingsaufkommen aus Eritrea dem Umstand geschuldet, dass das Land „das Nordkorea Afrikas“ sei, eine Wehrpflichtdauer von 20 Jahren habe und die Bürger durchaus mal als Sklaven nach Saudi-Arabien verkauft würden. Der kürzlich geschlossene Frieden mit Äthiopien, der den einzigen, sehr verlustreichen, Krieg zwischen Staaten in Afrika beenden soll, sei ein Hoffnungsschimmer. Nebenbei bemerkt: die Überweisungen von nach Europa gelangten Afrikanern zurück in die Heimatländer übersteigen den deutschen Beitrag an Entwicklungshilfe.

Ein einheitliches Bild ist angesichts der mehr als 50 Staaten auf dem Kontinent ohnehin nicht möglich. Prosperierend sind die an den Küsten mit ihren Millionenstädten, abgehängt und in Zerfallsgefahr sind die ohne Zugang zum Meer. Die meist präsidialen Systeme unter „New African Leaders“ erlauben laut Verfassung nur zwei Amtsperioden. Hiergegen wird gerne verstoßen, wenn sich die Präsidenten zu Despoten entwickeln und keine Gewaltenteilung zulassen. Bei uns wird von „Wahlen“ berichtet und von Verlierern, die das Ergebnis nicht anerkennen und „afrikanische Lösungen“ versprechen. Wenn in einzelnen Staaten bis zu 56 Ministerien eingerichtet sind, um Klientel zu bedienen, aber kaum für die Bevölkerung arbeiten, ist das zwar schlimm, aber weltweit nicht ohne Beispiel. Passend dazu sind die Armeen in diesen Staaten nicht dafür ausgebildet, ihr Land zu verteidigen, sondern dafür, das Regime und die Hauptstadt zu sichern, oft auch ethnisch manipuliert. Andererseits gibt es seit 2001 eine Afrikanische Union mit erheblich erweiterten Befugnissen gegenüber dem Vorbild Europäische Union, insbesondere zum Einsatz von Militär, um Bürgerkriege und den meist religiös bestimmten Terrorismus einzudämmen, weil regionale Fähigkeiten zur Konfliktbewältigung fehlen. Dass einerseits die dafür aufgestellte internationale Brigade nur wenig einsatzbereit ist, ist mit vergleichendem Blick auf die wenig besseren europäischen Verhältnisse nicht verwunderlich, und andererseits stellen die Afrikaner einen wesentlichen Anteil an Militär für UNO-Missionen. Natürlich behindert die große Anzahl der Mitgliedsstaaten in der AU effektive Lösungen, aber auch in Europa bei deutlich weniger Mitgliedern.

Größtes Problem und damit Herausforderung ist das Fehlen von Infrastruktur, die innerafrikanischen Handel ohne die derzeit immensen Kosten ermöglichen würde, gefolgt von überbordender Bürokratie rund um die Hauptstädte und völlig fehlender staatlicher Präsenz draußen in den riesigen Gebieten des „platten Landes“, aktuell besonders deutlich am Beispiel Malis festzumachen. Wenn 600 Millionen Menschen, also knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Kontinents, keinen Zugang zu elektrischem Strom haben, ist Bildung, Arbeit, Teilhabe unmöglich. Hier wirkt sich der bereits bestehende Klimawandel zusätzlich aus: die mit Beginn der Selbständigkeit der Staaten aufgebaute Stromerzeugung, der vorhandenen Flüsse wegen meist als Wasserkraftwerke, wird zunehmend durch nicht mehr ausreichende Pegelstände stark beeinträchtigt, verstärkt durch zunehmenden Bedarf sowohl der wachsenden Bevölkerung als auch des Wirtschaftswachstums. Gegensteuern kann man nur mit gewaltigem Investitionsaufwand, den die Staaten alleine nicht leisten können.

China tritt als Großinvestor auf und baut Straßen und Schienenwege, argwöhnisch beobachtet von Indien. Die Türkei, zunehmend religiös agierend, unterhält ihre weltweit größte Botschaft in Mogadischu, ersetzt von Lufthansa aufgegebene Strecken im afrikanischen Luftverkehr, leistet Ausbildungs- und Militärhilfe und gibt größere Entwicklungshilfe, auch infrastruktureller Art, als Deutschland, das sicher wichtige Themen bearbeitet und Vorschläge macht, aber noch zu wenig Wirtschaftliches beisteuert, gebunden natürlich auch an die Afrikapolitik der EU, die nach erfolgtem Brexit noch „französischer“ werden wird und eher französischen Interessen dient. Geld ist in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit genügend vorhanden, und auch sind genügend Projekte benannt. Es fehlt (noch) eine Strategie, um die bestehenden Chancen eines wirtschaftlichen Engagements in Afrika zu nutzen. Die Herausforderung scheint jedoch erkannt.

Nach der abschließenden Fragerunde erhielt der Referent kräftigen Applaus und vertiefte in kleiner Runde das Thema.

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