Sektion Delmenhorst

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Mittwoch, 26.06.2019 - 19:30

Russland – Partner oder Bedrohung?

Vortrag und Diskussion
Referent: Brigadegeneral a.D. Dipl.-Ing. Reiner Schwalb , ehemaliger Leiter Militärattachéstab bei der Deutschen Botschaft in Moskau

Geboren 1954 in Hessen trat Reiner Schwalb nach dem Abitur 1973 in die Bundeswehr (Heer, PzGrenTr) ein.
Im Rahmen der Offizierausbildung studierte er Bauingenieurwesen mit dem Abschluss Dipl.-Ing. (univ.). Nach der Zeit als KpChef im Jägerbataillon 113 und der zweijährigen Generalstabsausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr war er Abteilungsleiter Logistik im Stab der Panzergrenadierbrigade 10, Weiden. Es folgten: 1990-1991 Kanadische Generalstabsausbildung, 1991-1993 Verwendung im NATO-Stab Heeresgruppe Mitte, Heidelberg, 1993-1995 Kommandeur Panzergrenadierbataillon 182, 1995-1999 Tutor an der Führungsakademie der Bundeswehr, 1999-2000 Austauschreferent im britischen Verteidigungsministerium, 2000-2002 Leiter Taktikzentrum des Heeres, danach Studium der Politikwissenschaften in Washington,D.C., 2004-2007 Stv. Abteilungsleiter Einsatz im Führungsstab der Streitkräfte, 2007-2009 Deutscher Verbindungsoffizier im Hauptquartier für Transformation der NATO (ACT, Norfolk, VA). Nach der Sprachausbildung Russisch war er schließlich von Nov. 2011 bis Aug. 2018 Verteidigungsattaché an der deutschen Botschaft in Moskau.

Ort: "Oase Haus Adelheide" (Soldatenheim), (vor Delmetal-Kaserne), - Abernettistraße 43 , 27755 Delmenhorst
Organisator: Oberstleutnant a.D. delmenhorst@gsp-sipo.de
04222 / 950222

von Rolf Dieter Wienand, GSP-Sektionsleiter Delmenhorst

Russland ist ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium“. (Winston Churchill)

Ist Russland für uns Bedrohung oder Partner?

Antwort auf diese Frage wollten 139 Zuhörer am 26.06.2019 bei der Vortragsveranstaltung der Sektion, wie immer in Kooperation mit dem Standortältesten der Bundeswehr und dem Reservistenverband, von Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb erhalten, der knapp sieben Jahre als Verteidigungsattaché an der deutschen Botschaft in Moskau arbeitete und aus erster Hand aus seinen Erfahrungen und Reiseerlebnissen berichten konnte.

Er stellte heraus, dass Russland heute noch unter drei Traumata leidet: Napoleons und Deutschlands Überfälle auf das Land trotz bestehender Verträge. Konsequenz: Verträge sind nichts wert. Der Befund wird verstärkt durch das im Chaos endende westliche Vorgehen in Libyen, das unter anderen Voraussetzungen durch Russlands Enthaltung im Sicherheitsrat erst möglich war. Das dritte Trauma ist die nicht aufgearbeitete Oktoberrevolution 1917. Hier hatte Deutschland Lenin nach Russland reisen lassen, um im Ergebnis einen Russland demütigenden Separatfrieden zu erreichen.

Alles Ungute kommt also aus dem Westen. Und auch die Dekadenz. Und Umsturzversuche wie auf dem Maidan.

Das Wiedererstarken der Orthodoxie in Russland als dem einzig wahren Verfechter der (christlichen) Werte mit dem „Dritten Rom“ Moskau bestimmt das Denken und führt zu den drei Hauptzielen russischer Politik: Sicherheit nach außen, Stabilität nach innen, auf Augenhöhe mit den Weltmächten sein. Dazu gehört auch, über dem Recht internationaler Gerichte zu stehen. Wirtschaftsentwicklung ist auch notwendig, denn Russland ist nach wie vor abhängig von seinen Energieexporten, aber den ersten Zielen untergeordnet.

„Wenn bei uns der „Tatort“ läuft, schauen die Russen im TV „Panzerbiathlon““: intensives Hinwirken auf Patriotismus unter Einbeziehung aller Ethnien, die nicht „Russen“, aber „Russische“ sind, und Stolz auf die eigene Stärke, vor allem die nukleare, sollen der Welt zeigen, dass man Russland zu respektieren habe. Sehen muss man auch, dass das Land sozusagen 1000 Jahre Diktatur hinter sich hat und Errungenschaften wie Liberalismus oder Demokratie fehlen. Die kurze Jelzin-Ära mit dem Versuch, Demokratie zu lernen, endete in Hunger und Chaos. „Retter“ war und ist Putin mit starker Hand; das erklärt seine Zustimmungswerte in der Bevölkerung.

Das „Nullsummenspiel“, wonach es für mich gut ist, wenn ich dem anderen schade, ist eine Denkweise, die die hybriden Aktionen gegen "den Westen" erklärt. „Win-win“ wird nicht gedacht.

Das Denken in „Sicherheitsglacis“, wonach zum Beispiel die Ukraine niemals der EU oder gar der NATO angehören darf und wonach „eingefrorene“ Konflikte wie zum Beispiel in Moldawien verhindern, dass sich ein Land allzusehr dem Westen öffnen kann, widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht und ist nicht partnerschaftlich.

„Einkreisungsängste“ wie zum Beispiel in Kaliningrad seien vorhanden, die baltischen Staaten aber haben die auch. Auflösbar ist das Dilemma nur durch vertrauensvolles Zusammenwirken, nicht aber durch noch so viel Militär oder Beenden des INF-Vertrages.

Am Beispiel der Ukrainekrise bis zur völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, die das bis dahin gute west-östliche Verhältnis schlagartig beendete, zeigte der Referent anhand eigener Anschauung auf, wie Propaganda wirken soll bis zur Missverständnisse provozierenden Erkenntnis, wahr sei das, was man als wahr empfinde.

Was ist mit der Bedrohung? Die Ukraine ist nicht einverleibt, die baltischen Staaten entwickeln sich dem Westen zugehörig sehr gut, der russische Mitteleinsatz fürs Militär ist geringer als der deutsche, die Cybergefahr ist erkannt, die Großübungen sind Routine und Demonstration nach innen, die wirtschaftliche Stärke ist unzureichend.

„Rhetorisches Abrüsten“, gelassenes Abwarten unter Wiedereröffnung der Gesprächskanäle auf allen Ebenen, auch in der Zivilgesellschaft, müssen wieder zu einem partnerschaftlichen Umgang miteinander führen – mit diesem Appell schloss der Referent seinen mit viel Applaus bedachten Vortrag, ergänzt um detailreiche Antworten in der Fragerunde.


Hier finden Sie zu der Veranstaltung auch einen Pressebericht von Sebastian Hanke "Einblick in die russische Seele" im KREISBLATT AM SONNTAG vom 14.07.2019 zum download.


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