Sektion Delmenhorst
Europäische vs Nationale Interessen – die Zukunft der EU
- eine Veranstaltung des Hermann-Ehlers-Bildungsforum Weser-Ems (HEBF) der Konrad-Adenauer-Stifung, des Verbandes der Reservisten und der GSP Sektion Delmenhorst
Dr. Stefan Gehrold ist mit Unterbrechung seit 2017 Leiter des Hermann-Ehlers-Bildungsforum Weser-Ems der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vor seinem Einsatz in Oldenburg führte Dr. Gehrold bereits andere Büros (Zagreb, Prag, Dakar und Brüssel) der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vom September 2018 bis Juni 2019 war er Mitglied des Europäischen Parlaments. Neben seiner Arbeit für die Stiftung ist Dr. Gehrold ein engagiertes Mitglied inverschiedenen Arbeitsgruppen der Europapolitik. Er studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Passau und Freiburg sowie an der Universidade Católica do Porto (Portugal).
Er promovierte an der Universität Münster.
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vom Autorenteam der Sektion Delmenhorst
Damit wird der Frust über „Europa“ nicht geringer!
„Europäische vs Nationale Interessen – Die Zukunft der EU“ war das Thema des Vortrags, den die Sektion am 23.10.19 veranstaltete. Dies erfolgte wie immer in Kooperation mit dem Standortältesten der Bundeswehr und dem örtlichen Reservistenverband – dieses Mal aber auch mit der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Eingangs zeigte Dr. Stefan Gehrold, ehemaliges MdEP, an Beispielen aus den Europawahlen der letzten Wahlperioden Veränderungen im Wahlkampf der Parteien auf. So wird die „Anti-EU“-Ausrichtung in manchen Mitgliedsstaaten immer aggressiver, ein nationalistischer Grundton herrscht vor. In der Folge lässt die Zustimmung der Bevölkerung zur EU nach. Dies wird mit einer nicht den Interessen der EU-Bevölkerung folgenden Politik begründet. Verdeutlicht werden diese Behauptungen anhand der (verfehlten) Migrationspolitik, dem Verhalten der Europäischen Zentralbank in der Zinspolitik und dem (vermeintlichen) „Diktat aus Brüssel (und Berlin!)“.
Europaweite Umfragen belegen, dass das Spitzenkandidaten-Prinzip für die Wahl des Kommissionspräsidenten zu einer deutlich höheren Zustimmungsquote führt. Die Wahlbeteiligung stieg in der Folge, die Akzeptanz zu Europa nahm zu. Das war so bei Juncker vs Schulz in 2014 und setzte sich bei der Wahl im Mai 2019 fort. Damit schienen die Rechte des Parlaments nach Lissaboner Vertrag tatsächlich gestärkt und Legitimation verbreitert. Dem Anspruch, dass die Regierungschefs dem Parlament einen Kommissionspräsidenten „im Lichte der Wahlergebnisse“ vorzuschlagen hätten, wie es der Lissaboner Vertrag vorsieht, stand dies nicht entgegen.
Allerdings brachten die beiden letzten Wahlen deutliche Verluste für die „Parteien der Mitte“ und Zugewinne für die „Ränder“, auch für Splittergruppen, die jeweils nur ein Mandat errangen. Den Einwurf eines Zuhörers, warum den keine Sperrklausel wie z.B. bei Wahlen in Deutschland eingeführt sei, war schnell beantwortet: deutsche parlamentarische Inaktivität hat das verhindert.
Verständlich führte der Referent anhand von Schaubildern der Wahlergebnisse die Kombinationsmöglichkeiten im Parlament vor. Er leitete daraus ab, dass eine gesetzgeberische Mehrheitsbildung sowohl im Parlament als auch im Rat sehr schwierig und zeitraubend geworden ist. Verstärkt wird das Problem noch durch Verzögerungen in der nationalen Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten.
Dies führt zu der oft gestellten entmutigenden Frage „Was machen die da eigentlich in Brüssel und Straßburg?“
Schlussendlich wird parlamentsintern auch noch der deutsche Spitzenkandidat Manfred Weber in Frage gestellt und in einer – zumindest für Außenstehende – fragwürdigen „Tafelrunde“ von Regierungschefs eine Kommissionspräsidentin präsentiert. Diese stand nicht zur Wahl und ist außerhalb Deutschlands unbekannt. Das Parlament wählt sie aber, mit denkbar knappem Ergebnis.
Dieses Verhalten ist für das Vertrauen in die Bestandskraft von Verträgen und demokratische Legitimation von Mandatsträgern alles andere als förderlich.
Das darf nicht die Zukunft der EU sein. In dieser Einschätzung stimmten Referent und Zuhörer uneingeschränkt überein.
Mit kräftigem Applaus bedankten sich die Zuhörer bei Dr. Gehrold, der mehr als die 38 Erschienenen verdient gehabt hätte.