Sektion Delmenhorst
Indien - Land der Träume oder Land der Träumer?
Herr Panten war während seiner Dienstzeit auch beim ehemaligen FlaRakBtl 35 in Delmenhorst eingesetzt.
Er war Verteidigungattache in Indien und Nepal und ist Buchautor.
Donnermoor 48, 27777 Ganderkesee 04222 / 950221
Eigenbericht zum Vortrag Uwe Panten „Indien - Land der Träume oder Land der Träumer?“
am 24.11.2021 vor der Sektion und ihren Gästen, alle brav im „Zwei G-Modus“
Unser Referent Uwe Panten hat Indien als Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Indien und als Teilnehmer am indischen Generalstabslehrgang intensiv kennen- und lieben gelernt. Die vielfältigen Kontakte mit anderen Lehrgangsteilnehmern – die meisten selbstverständlich Inder – und seine zahlreichen Reisen durch das Land „bis in den hintersten Winkel“ haben ihm einen tiefen Einblick in das Leben der indischen Gesellschaft gewährt. Sein Buch „„Impossible –India -Indien: Unmöglich!“ wurde nach der Veranstaltung zahlreich nachgefragt.
Indien ist zehnmal größer als Deutschland, dehnt sich jeweils 3.000 km in Länge und Breite, hat geschätzte 1,4 Milliarden Einwohner und alle vier Wochen etwa eine Million mehr. 19 Sprachen sind zugelassen. 30% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Und dennoch hält das Land an einer Vision fest: es strebt einen Großmacht-Status an, auch wenn es lange bis dahin dauern sollte. Es sieht sich als „Land Gottes“ mit „Verschiedenheit in der Einheit“. Dieser „Mindset“ ist der Schlüssel zum Verstehen indischer Denk- und Handlungsweisen, die mit dem westlichen Verständnis von Kultur und Gesellschaft kaum vereinbar ist.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Die indische Elite konzentriert sich auf sogenannte Leuchtturmprojekte, um die Leistungsfähigkeit des Landes im Weltmaßstab darzustellen. Dazu gehören Weltraumtechnik, Ingenieurwissenschaften, Kernenergietechnik und IT mit dem größten zivilen satellitenbetriebenen Kommunikationsnetz. Die weltbesten Programmierer aber finden im eigenen Land keine adäquate Anstellung und sind gezwungen, auszuwandern. Der angeblich so riesige indische Markt hat wenig Kaufkraft. Die Hochtechnologie trägt nur zu 3% zum BIP bei.
An drei Beispielen wurde die Crux des Landes deutlich. Wasser und Strom sind oft nur unregelmäßig verfügbar, Wasser muss mindestens 20 Minuten abgekocht werden. Vorratshaltung nach unserem Muster mit Kühlung ist kaum möglich, weil der notwendige Strom fehlt und mit Dieselgeneratoren nicht vollständig ersetzt werden kann.
Drei Klumpen Rattenkot in einer Packung Mehl sind kein Grund zur Besorgnis wegen Hygiene. Der jetzige Premier Modi, ein extremer Einzelgänger und hinduistischer Nationalist, als neuer „Heiland“ bei Dienstantritt gefeiert, wollte einem anderen massiven hygienischen Problem beikommen: fehlende Toiletten überall.. Also wurden massenhaft Löcher in die Erde gegraben, ohne Wasseranschluss und ohne Abfluss. Das Ergebnis war nach kurzer Zeit ruchbar – aber er hat sein Versprechen gehalten.
Dass Korruption als gesellschaftsfähig und auch notwendig gilt, ist Realität. Machtgewinn ist erstes Motiv. Auch das gehört zum „Mindset“.
In der anschließenden lebhaften Fragerunde ging der Referent auf das Verhältnis Indiens zu Pakistan (permanente Feindschaft), den Kaschmir-Konflikt (wer die Gegend kennt fragt sich, ob es dort nur um das Prinzip geht), die Rolle der indischen Armee (eher marginal) und das Verhältnis zu China (herausfordernde stetig wachsende Konkurrenz) ein. Ziemlich ausführlich beschrieb er die Rolle der Frau, vor allem in der Landbevölkerung, als offiziell hochgeachtet und in „Bollywood“-Filmen glorifiziert, in der Realität aber kaum respektiert und ohne Würde nach unseren Vorstellungen. Die Meldungen über Vergewaltigungen und „Versklavung“ im Hause der Schwiegermutter sind beredt.
Fazit: Man muss sich auf Indien einlassen, sonst kann man in diesem exotischen Land nicht leben und arbeiten.
Der kräftige Schlussapplaus war Lohn für einen gelungenen Abend.