Sektion Elbe-Weser

Sektion Elbe-Weser

Mittwoch, 19.06.2019 - 19:00

Indien, Land der Träume oder Land der Träumer, Atommacht oder Armenhaus, Weltmacht oder Entwicklungsland?

Indien ist immer noch das große und weitgehend unbekannte Land: Land der Träume oder Land der Träumer, Atommacht oder Armenhaus, Weltmacht oder Entwicklungsland? Mit viel Empathie, aber auch mit wachem und unverstelltem Blick lässt uns Uwe Panten an dem teilhaben, was er in über vier Jahren in Indien und unter Indern gesehen und erlebt hat und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
Vortrag und Diskussion

Referent: Oberst a.D. Uwe Panten

Oberst a. D. Uwe Panten, Jahrgang 1945, verheiratet, durchlief ab 1967 die Ausbildung zum Offizier der Flugabwehr der Luftwaffe, anschließend Verwendungen als Zugführer in FlaRak Einheiten. Es folgten die Generalstabsausbildung an der FüAkBw in Hamburg, eine Cheftätigkeit bei der 4. FlaRaBtl 36 in Schiffdorf, Verwendungen als Leiter G3-Abt in der Luftwaffendivision in Aurich und Birkenfeld, Referententätigkeit auf der Hardthöhe, sowie Branch Chief Air Defence im NATO Hauptquartier Allied Forces Command Northern in Kolsaas. Das Angebot, beruflich für über vier Jahre nach Indien zu gehen, überrascht ihn, aber er nimmt es an. Vorbereitungszeit in Deutschland: Über 15 Monate, davon allein neun Monate Sprachausbildung Hindi, zusammen mit seiner Ehefrau. In Indien Teilnahme an einem hochkarätigen Jahreslehrgang mit Top-Vortragenden aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft; dazu Mitarbeit in zahlreichen Seminaren zu innerindischen Spezial- und asienweiten Konfliktthemen.
Danach drei Jahre angefüllt mit Reisen bis in die entlegensten Winkel von Indien, Kontakte mit allen Ebenen der indischen Gesellschaft. Unzählige Einzelgespräche, Vorträge, Besprechungen, Verhandlungen, Absprachen und gesellschaftliche Veranstaltungen. Nach Rückkehr bis zu seiner Pensionierung 2005 Verwendung im rumänischen Verteidigungsministerium als Adviser.

Ort: EWE - Kundencenter Bremervörde, rückwärtiger Eingang - Marktstraße 20 , 27432 Bremervörde
Organisator: Oberstleutnant a.D. werner-hinrichs@web.de
04761 / 70121

Der Vortrag in der EWE fand reges Interesse.

Indien – ein unbekanntes Land      Autor: Hans Dieter Kück

Bremervörde (hdk). Ist Indien ein Land der Träume oder besser ein Land der Träumer, Armenhaus, oder aufstrebende Atommacht, eine Weltmacht oder ein Entwicklungsland? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Vortrages von Uwe Panten, Oberst a.D. und ehemaliger Verteidigungsattaché in Indien, der im Kundencenter der EWE. Der ehemalige Luftwaffenoffizier sprach auf Einladung der Sektion Elbe-Weser der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.

Uwe Panten stellt eingangs seiner Ausführungen im nahezu ausgebuchten Vortragssaal fest, dass man Zeit brauche und ein möglichst repräsentatives indisches Umfeld, um Indien zu verstehen. Indien ist anders und kann eben nur unvollkommen theoretisch erklärt werden. Indien muss man erschauen und mit all seinen Sinnen erleben, um es auch nur einigermaßen in seinem Charakter erkennen zu können.

Panten erläuterte in seinem kurzweiligen Vortrag die Vorbereitungszeiten, die er und seine Frau durchlaufen mussten, bevor man in Delhi die neue Wirkungsstätte beziehen konnte. Die guten Kontakte zu indischen Offizieren habe das Kennenlernen von Land und Gebräuche vereinfacht.

Hinsichtlich der Größe des Landes kann nur mit Schätzungen gearbeitet werden,  da es keinerlei statistische Ämter gäbe. Man schätzt die Einwohnerzahl auf ca. 1, 2 Milliarden Menschen, vielleicht sind es aber auch mehr. Das Land ist etwa 10 x größer als Deutschland. Der Referent stellte fest, dass nur ca. 5 % der Bevölkerung die englische Sprache gut sprechen können. Über 70% der Inder leben auf dem Land. Das erklärt auch die hohe Analphabeten-Rate und müsse bei politischen Reformvorhaben und deren Durchsetzung berücksichtigt werden.

Etwa 30% der Inder leben unterhalb der sog. Armutsgrenze. Ein Begriff der an der täglich verfügbaren Geldmenge festgemacht werde. Auf dem Dorf seien das ca. 27 Eurocent und in der Stadt ca. 33 Eurocent (pro Tag versteht sich). Wer weniger habe gelte als arm. Hinsichtlich der Lebensmittel gäbe es eigentlich keine Mangelware. Die Märkte seien gut bestückt. Allerdings sei jede Missernte bis zum Endverbraucher sofort zu spüren. Es gäbe kaum funktionierende Kühlhäuser.

Eingehend befasste sich der Redner auch mit der politischen Situation. Die Wahlen im Mai habe die rechtsorientierte Hindupartei mit einer stabilen Mehrheit unter Premierminister Modi an die Macht gebracht. Modi gelte als extremer Einzelgänger, wobei der Referent verschiedene Projekte seines Programms vorstellte. Eine Vision habe aber auch Modi, wie schon jeder seiner Vorgänger: der Traum von Indien als Großmacht, ähnlich wie China, USA und früher die UDSSR.

Im Technologiebereich werde auch tatsächlich schon vereinzelt Weltniveau erreicht. Panten nannte hier die Erfolge der indischen Weltraumerforschung oder den Softwareentwicklungsbereich. Indien sei auch führend, was die Ausbildung von Ingenieure betrifft. Kein anderes Land bilde mehr aus. Das Problem sei, dass die Top-Kräfte das Land verlassen, da Indien keine Zukunft für sie vorweisen könne.  Die übrigen finden wegen zu geringer Qualifikation keine Anstellung.

Alle Projekte in der Wirtschaft würden unter einem inner-indischen Syndrom leiden und dies sei dafür verantwortlich, da viele Programme, militärisch oder zivil nicht oder nur schleppend vorankommen. Die Inder selbst nennen es „mind-set“, die Denkweise der Inder. Es fehle das, was Deutschland prägt: Herangehensweise an Probleme, berufliche Ethik, Ehrgeiz, Wille, Durchhaltevermögen, Teamwork, Genauigkeit und u.a. Pünktlichkeit. Die Inder sehen Deutschland hier als leuchtendes Beispiel. Allerdings sehen sie Indien auch frühestens in 30-bis 50 Jahren auf dem Weg zur Großmacht.

Eine wichtige Baustelle zur Veränderung des „mind-set“ sah der Redner in der Stellung der Frau. Eingehend schilderte er die Stellung der Frauen. Der Weg von der geachteten Position einer Frau endet spätestens am Tag nach der Hochzeit. Die neue Frau, die in aller Regel zur Familie des Mannes zieht, ist dann nur noch eine Gehilfin ihrer Schwiegermutter.

Ausführlich befasste er sich auch mit der Infrastruktur des Landes, egal ob Strom oder Wasser. Indiens gesamte Infrastruktur sei so marode, dass sie eine positive wirtschaftliche Entwicklung nicht nur hemme, sondern auch überlebensnotwendige Investitionen erfordere.  Besonders auffällig sei dies auch im Unterschied zwischen Land und Stadt. Hier erlebe man häufig eine Versetzung vom 21. Jahrhundert in das Mittelalter. Hierzu gehören auch die Verfügbarkeit von Wasser. Sie sei das größte Problem. Das Wasser sei zumeist von miserabler Qualität und selbst tiefstes Grundwasser extrem belastet. Eine funktionierende Gesundheitsvorsorge auf dem Land existiere nicht.

Indien sei offen für überraschende Entwicklungen, aber der so sehr gewünschte Weg zur Großmacht könne bei Beibehaltung bestehender Entwicklungstendenzen auch der Weg in eine soziale Katastrophe sein. Ein Großmachtstatus auf Kosten der Grundbedürfnisse der Bevölkerung werde nicht möglich sein. Indiens Aufstieg zur Weltmacht werde deshalb noch lange auf sich warten lassen, so der Redner abschließend.

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