Sektion Elbe-Weser
Geopolitik 2020 - Die Schlüsselregion INDO-Pazifik und globale Dominanz im 21. JHD
Dr. Nikolaus Scholik, geb. 1945, Obst i.R. ET 1966, JgS/EFK 1; 1973-2010 Milizoffizier. Oktober bis Dezember 2003 Auslandseinsatz EUFOR/Concordia; von Oktober 1967 bis April 2012 in der Privatwirtschaft tätig. Berufsbegleitendes Studium an der Universität Wien/Institut für Politikwissenschaft von Oktober 2002 bis Mai 2012. Mag. phil. im Jänner 2008, Dr. phil. im Mai 2012. Seitdem AIES Senior Advisor.
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Internationale Politik ist kein Wunschkonzert
von Axel Loos
Auf Einladung der Bremervörder Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) referierte am vergangenen Dienstag, den 18. Februar, Dr. Nikolaus Scholik über die Bedeutung des indo-pazifischen Raumes für die Geopolitik des 21. Jahrhunderts. Den im Kundenzentrum der EWE versammelten Zuhörern versprach Dr. Scholik, der eigens aus Wien angereist war, eine kurzweilige, anstrengende und für Europa schmerzhafte Veranstaltung, war doch bei der gerade beendeten Münchner Sicherheitskonferenz von „Westlessness“, also der mittlerweile marginalisierten Rolle des Westens auf dem internationalen Parkett die Rede.
Woher kommt aber diese Einschätzung? Wolle man die Gründe verstehen, müsse man, so Scholik, die Welt so betrachten, wie sie ist, nicht wie man sie gerne hätte. „Realpolitik ist kein Wunschkonzert“ meinte der Politikwissenschaftler dazu. Die internationalen Gewässer haben dabei eine besondere strategische Bedeutung, überhaupt stelle die Geographie einen bestimmenden Faktor dar. 70% der Erde ist von Wasser bedeckt, 80% der Menschen leben in einem 100km breiten Streifen entlang der Meeresküsten, und 90% des Welthandels werde auf dem Wasserwege abgewickelt. Vor dem Hintergrund einer fehlenden überstaatlichen Ordnungsmacht müsse jedes Land seine nationalen Interessen gegenüber den anderen Staaten auf die ein oder andere Weise durchsetzen. Hierzu bedürfe es entsprechender Fähigkeiten, nicht nur militärischer Art. Bestes Beispiel seien die USA, die immer noch die internationale Führungsrolle für sich reklamieren, die mit sogenannter „Soft Power“ diesem Anspruch gerecht werden. „Wir alle tragen Jeans und keinen Kimono“ brachte es Dr. Scholik auf die einfache Formel. Der globale demographische Wandel führe dazu, dass die Geschicke der Welt nicht mehr beiderseits des Atlantiks entschieden werden. Europa drohe noch dazu massiv, zu einer Randerscheinung abzusteigen, es fehle an Konzepten, Mitteln und vor allem Aktionsbereitschaft. Andere Länder hätten dagegen eine viel ambitioniertere Vorstellung von ihrem Platz im globalen Konzert, allen voran die USA, China und Rußland. Hinzu gesellt sich vor allem noch Indien, die trotz geographischer Vorteile noch nicht dazu in der Lage sind, ihr Potential auszuschöpfen.
Trotz regelmäßig angekündigten Niedergangs seien die USA die einzige Nation, die fähig ist, genug ernstzunehmende Militärfahigkeiten einerseits und „Soft Power“ andererseits aufzubieten, um in der politischen Champions League mitspielen zu können. Ausgetragen wird der globale Wettbewerb auf dem Pazifik und dem Indischen Ozean. „Beide Meere gehören zusammen“ unterstrich Scholik. Und dort schicke sich China an, seinen Machtanspruch geltend zu machen. Beide Länder täten dies auf unterschiedliche Weise, und Dr. Scholik machte die Zuhörer mit seiner Analyse der jeweiligen „Grand Strategy“ bekannt. Diese werde jedoch durch die Intransparenz der chinesischen im Gegensatz der amerikanischen Führung erschwert. Klar sei jedoch, dass China die einst als universell betrachteten Regeln des internationalen Zusammenlebens zunehmend in Frage stellt und seine eigene Sicht auf die Dinge selbstbewußt vertritt. Hier seien Begriffe wie Neuer Sozialismus, Chinesische Souveränität oder „Tian Xia“, den China dem westlichen, auf demokratischen Prinzipien Konzept einer regelbasierten Gemeinschaft entgegensetzt. Chinesische „Soft Power“ werde unter anderem mit dem Projekt „Neue Seidenstraße“ realisiert, aber zu seiner Strategie gehören auch „World Class Armed Forces“. Was die USA betreffe, werde in der Wissenschaft alles zwischen einem Neo-Isolationismus und politischer Dominanz basierend auf militärischer Stärke diskutiert.
Wie sehen nun die Weltklasse-Streitkräfte im internationalen Vergleich aus? Entscheidend seien hier die operativen Mittel auf See und hier wiederum die Anzahl der Flugzeugträger. Diese dürfe man nicht als einzelne Schiffe betrachten, sondern als mächtiger Kampfverband, der über seine militärische Funktion auch ein Mittel der Diplomatie darstelle. Was China betrifft, so erkennt man hier, dass es seinen Weg als eine langfristige Strategie versteht, denn es verfügt nur über einen einzigen Flugzeugträger aus russischer Produktion, wobei es sich lediglich um ein Schulschiff handelt. Dagegen bieten die USA zehn dieser Waffensysteme auf. Allerdings müsse sich China nicht schämen, andere Staaten stehen in diesem Hinblick auch nicht besser da. Rußland dampft mit nur einem Flugzeugträger über‘s Meer, Frankreich hat auch nicht mehr aufzubieten, und England will in fünf Jahren bereit für eine Versuchsphase sein. Indien hat seinen Flugzeugträger aus derselben Werft wie Rußland und China, was keineswegs ein Qualitätsmerkmal darstelle. Lediglich Japan verfüge mit zwei Hubschrauberträgern über gewisse ernstzunehmende Kapazitäten.
Wie schätzt Dr. Scholik nun den indo-pazifischen Brennpunkt ein? Einen militärischen Konflikt hält er auf absehbare Zeit für unwahrscheinlich, aber eine Garantie gäbe es dafür nicht. Die Eskalation eines unbedeutenden Konflikts reiche aus, zumal mit Nord-Korea ein destabilisierender Fakor gegeben ist. Andererseits spreche die hohe wirtschaftliche Verflechtung für eine Kooperation beider Staaten, denn auf die ein oder andere Weise sei die Politik vom Wohlstand seiner Bürger abhängig. Für Europa bedeute dies, wolle es hier mitgestalten sei eine eigenständige Außenpolitik inklusive militärischer Komponente unabdingbar.
Mit diesem Ausblick schloß Dr. Scholik seinen Vortrag und stand den interessierten Zuhörern noch für Fragen Rede und Antwort, um dann am nächsten Morgen vor Schülern der BBS zu sprechen.
Bericht des ANZEIGERS und der Bremervörder Zeitung zum Vortrag