Sektion Elbe-Weser

Sektion Elbe-Weser

Donnerstag, 27.02.2020 - 09:00

Krisenregion Vorderer Orient - Pulverfass an der Peripherie Europas?

Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Libyen, Syrien und jetzt der Iran - die Lage in der südöstlichen Nachbarschaft der EU gleicht einem Pulverfass. Das zunehmend eigenmächtige Handeln der USA in Nahost spaltet mehr und mehr das westliche Bündnis. Profiteure könnten am Ende China, Russland oder der Iran sein, die bereits begonnen haben, den Mittelmeeraum strategisch unter sich aufzuteilen. Um weiteren Schaden abzuwenden, muss sich die EU dringend neu positionieren, zumal eine Wiederwahl Trumps nicht auszuschließen ist.
Dr. Kinan Jaeger versucht, die Hintergründe und Handlungsoptionen im Mittelmeerraum aufzuzeigen.
Seminar

Programmablauf:

            09:00 Uhr        Krisenregion an der Peripherie Europas (Der Konfliktraum Naher Osten) - eine Einführung
            10:30 Uhr        Kaffeepause, kleiner Snack
            11:00 Uhr        Der Syrien-Konflikt, Motive der Beteiligten und die Rolle der EU
            12:30 Uhr        Mittagessen
            13:30 Uhr        Die USA und der Iran - droht ein neuer Krieg in der Region?
            15:00 Uhr        Kaffee und Kuchen
            15:30 Uhr -   17:00 Uhr    Den anderen verstehen lernen - Mentalitätsunterschiede zwischen Orient  und Okzident und ihre Wirkungen auf unser Zusammenleben und Okzident und ihre Wirkungen auf unser Zusammenleben
 

Referent: Dr. Kinan Jaeger

Dr. Kinan Jaeger, geboren 1966 in Damaskus ist ein deutscher Politologe, Geograph und Publizist. Nach seinem Abitur 1985 studierte Jaeger von 1986 bis 1991 Geographie sowie Politik- und Islamwissenschaft an den Universitäten in Bonn, Brisbane, Toronto und Kapstadt. Anschließend erfolgte von 1992 bis 1994 im Rahmen eines Graduiertenstipendiums der Friedrich-Naumann-Stiftung seine Promotion.

Seit 1996 unterrichtet Dr. Jaeger im Rahmen eines Lehrauftrags am universitären Bonner Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie zu Fragen des Nahostkonflikts und der internationalen Sicherheitspolitik. Zu seinen fachlichen Forschungsschwerpunkten zählen vor allem Themen rund um die Politik und Kultur Syriens, des Libanons, des Iran und Israels. Weiterhin beschäftigt er sich mit der Entwicklung des Islam in Deutschland sowie Aspekten des Parlamentarismus, der Demokratieforschung und der deutschen Außenpolitik.

Ort: Ostel Jugendhotel Bremervörde gGmbH - Feldstraße 9 , 27432 Bremervörde
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Werner Hinrichs , Sektionsleiter Elbe-Weser werner-hinrichs@web.de
Jütlandstraße 30, 27432 Bremervörde  04761 / 70121


 von Axel Loos

Die Bremervörder Sektion der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP)  hat am Donners­tag, den 27. Februar, nun bereits zum dritten Mal ein sicherheitspolitisches Tagesseminar auf die Beine gestellt. Im Fokus stand dabei der Vordere Orient und hier vor allem Syrien, das nun schon über acht Jahren unter einem Bürgerkrieg zu leiden hat. Als Referenten konnte die GSP Dr. Kinan Jaeger, Politologe und Geograph gewinnen, der sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus persönlicher Sicht über die Region berichten kann. Jaeger besitzt nämlich die deutsche wie die syrische Staatsangehörigkeit, seine Familie ist auf beide Länder verteilt, so dass er sich als „Wandler zwischen den Kulturen“ versteht.

Über die Ursachen des Bürgerkrieges wurde schon viel berichtet. Die unterschiedlichen beruflichen  Hintergründe der Teilnehmer, deren Fülle an Interessensgebieten sowie das interakive Format der Veranstaltung ermöglichten eine Vertiefung und Abrundung des bis­her gewonnenen Bildes über den Konflikt und seine Bedeutung für die Region und auch für Deutschland. So ist es leicht zu erklären, dass auch Interessierte aus Achim und Bre­men den Weg in die Ostestadt auf sich nahmen, um an einer anregenden und intensiven Tagesveranstaltung teilzunehmen.  Die erwähnte Authentizität des Referenten und die per­sönliche Erfahrung eines Teilnehmers als syrischer Flüchtling aus dem Bürgerkriegsgebiet lieferten Erfahrungen aus erster Hand.

Um die Lage Syriens besser zu verstehen beleuchtete Dr. Jaeger noch einmal die Entste­hungsgeschichte Syriens als Ergebnis aus der Neuordnung der Region auf dem Berliner Kongress 1878 und der Aufteilung des Osmanischen Reiches durch das Sykes-Picot-Ab­kommen 1916, das alleine die Interessen der Siegermächte ohne Rücksicht auf die politi­sche und ethnische Gemengelage vor Ort widerspiegelt. So erklärt es sich, dass nationale Identitäten weniger ausgeprägt sind als beispielsweise in Europa und dagegen ganz ande­re Sphären Zusammenhalt bewirken, nämlich die Religion aber allem voran die Familie. Jaeger beschrieb sehr eindringlich, welche existentielle Rolle hierbei die ökonomischen Verhältnisse spielen. „Ohne Arbeit kein Einkommen, ohne Einkommen keine Heirat, ohne Heirat keine Familie - und ohne Familie ist man ein niemand!“ stellte der Politologe die Verhältnisse in arabischen Ländern dar. Der Bürgerkrieg hat den Agrarstaat Syrien ruiniert und der jungen Bevölkerung, die rund zwei Drittel der Einwohner ausmacht, jegliche Per­spektive geraubt, so dass die meisten nur noch weg wollen. Überhaupt, sei die ökonomi­sche Ungerechtigkeit in der arabischen Welt äußerst ausgeprägt, wobei auch das Miss­trauen untereinander einen wichtigen Grund darstellt. Syrien, wie alle Länder dieser Regi­on, unterhält mehr wirtschaftliche Beziehungen mit westlichen Staaten als dies die arabi­schen Länder untereinander tun.

Zu Beginn der Herrschaft Bashar al-Assads sah es so aus, dass es Hoffnung auf ein bes­seres Leben inklusive politischer Teilhabe bestünde. Dr. Jaeger selbst hat im Rahmen sei­ner amtlichen Öffentlichkeitsarbeit Assad persönlich durch den Reichstag geführt und ihn dabei aus nächster Nähe erlebt. Doch Assad konnte sich in seinem Land nicht durchset­zen und schwenkte schnell auf die Linie der Hardliner ein, was den Referenten nicht ver­wundert, funktioniert das Herrschaftssystem einer Diktatur nach anderen Regeln als in einer Demokratie. Dazu stellt Syrien noch die Wiege des Pan-Arabismus dar, der längst nicht von allen Ländern der Region geteilt wird. Die anfänglichen Proteste gegen die Re­gierung eskalierten schnell zu einem regionalen Konflikt und dieser zu einem handfesten Stellvertreterkrieg mit Russland und den USA an der Spitze. Überhaupt zeichnet sich die dortige Lage durch ein diffuses Bild aus. Eine Vielzahl an Akteuren mit unterschiedlichen Motiven, wechselnde Allianzen, der Einsatz von Massenvernichtungswaffen und die beina­he bemitleidenswerte Rolle der Vereinten Nationen führen dazu, dass dieser Konflikt auf seinen zehnten Jahrestag zusteuert. Dr. Jaeger macht sich wenig Illusionen auf eine Ver­handlungslösung. „So lange nur eine Partei glaubt, sie könne in diesem Konflikt noch et­was gewinnen, wird es keinen Waffenstillstand geben“ machte er die Realität deutlich. Doch ein Waffenstillstand ist die Voraussetzung für einen Wiederaufbau. Die Frage, die sich für Europa und hier vor allem für Deutschland stellt, ist die nach den eigenen Interes­sen in der Region, und was beiden ein Frieden in Syrien wert ist. Dr. Jaeger gelang es da­bei, den Teilnehmern deutlich zu machen, dass neben der Ruhe vor der eigenen Haustür oder humanitären Gründen es maßgeblich um den Einfluss der Groß- und Regionalmäch­te auf den Mittelmeerraum geht. Die Ölversorgung ist für Deutschland aus anderen Län­dern sichergestellt, aber eine Macht, für die die Golf-Region im Hinblick auf den Ölnach­schub eine existentielle Bedeutung hat, kam hier noch gar nicht zur Sprache: auch China spielt im Vorderen Orient mit und versucht seine Einflußsphäre in die Alte Welt auszudeh­nen.

Im Laufe des Tages wurde klar, dass der Frieden in Syrien einen hohen Preis verlangen wird. Europa und allen voran Deutschland wird einen erheblichen finanziellen Beitrag leis­ten müssen. Für Dr. Jaeger muss das nicht unbedingt eine Katastrophe bedeuten, denn aus einem prosperierenden Syrien sind auch wieder wirtschaftliche Impulse zu erwarten, von den politischen Dividenden ganz zu schweigen. Trotzdem sind wohl noch einige un­überwindbar erscheinenden Hürden zu meistern . Wie gehen wir mit Diktatoren um? Kommt Stabilität vor Demokratie? Wie verhalten wir uns der Türkei gegenüber, die die Flüchtlinge als Druckmittel benutzt? Wie gehen wir mit den zu erwartenden Forderungen Russlands nach Zugeständnissen um? Soll der Westen die Annektion der Krim akzeptie­ren? Die Liste ließe sich leider noch beliebig fortführen, ohne dass Aussicht auf eine be­friedigende Antwort bestünde. Der Westen wird, wenn er für die unmittelbar betroffene Be­völkerung etwas tun will und sich zur Verantwortung für die Stabilität im eigenen Vorhof bekennt wohl noch einige Kröten schlucken müssen.

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