Sektion Aachen-Heinsberg
Der Ukraine Krieg und die Sicherheit Nordeuropas
Die politische Bedeutung des Ostseeraums nach den NATO-Beitritten von Finnland und Schweden

Referent: Privatdozent Dr. Michael Jonas , lehrt und forscht an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr, Hamburg, und am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS)
2009 wurde er am Historischen Institut der Universität Helsinki mit einer Arbeit zu den deutsch-finnischen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg promoviert. Im Frühjahr 2016 habilitierte er sich an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität. Zugleich ernannte ihn die Univer-sität Helsinki zum Associate Professor.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Geschichte der internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts und der Geschichte Nordeuropas. Zu seinen Veröffentlichungen gehören die Monographien 'NS‐Diplomatie und Bündnispolitik 1935‐1944. Wipert von Blücher, das Dritte Reich und Finnland' (2011, finn. Übersetzung 2010) und 'Scandinavia and the Great Powers in the First World War' (2019) sowie eine Vielzahl von Fachaufsätzen und weiterer Arbeiten, zuletzt die Gastbeiträge 'Dauerhaft neutral oder geteilt' (FAZ, April 2022) und 'Die eigentliche Zeitenwende: Finnland und das finnisch-russische Verhältnis seit dem 19. Jahrhundert' (auf dekoder.org, Juni 2022).
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Veranstaltung in Kooperation und auf Einladung der Europa-Union, Geilenkirchen
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelte Sicherheitsarchitektur des europäischen Kontinents fundamental ins Wanken gebracht. Dies lässt sich selbst in Regionen ablesen, denen der direkte Bezug zum Krieg eigentlich abgeht – nirgendwo schärfer als im nördlichen Ostseeraum. Als Reaktion auf die russische Invasion vom 24. Februar 2022 gaben sowohl Finnland als auch Schweden ihre unterschiedlichen Formen von Neutralität auf und beantragten gemeinsam die Mitgliedschaft in der NATO. Dies bricht im Falle Schwedens mit einer der älteren Neutralitätsgeschichten des Kontinents, im Hinblick auf Finnland mit einer aus dem Kalten Krieg herstammenden Form der Selbst-Neutralisierung und militärischen Bündnisfreiheit. In beiden Fällen waren diese Prägungen zwar seit den 1990er Jahren zunehmend erodiert, allerdings ohne dass sich dabei der Beitritt zur westlichen Verteidigungsallianz als durchsetzungsfähige politische Option erwiesen hätte. Mit dieser noch unabgeschlossenen Entwicklung entsteht ein sicherheits- und verteidigungspolitisch von Grund auf gewandelter Ostseeraum. Aus einem Binnenmeer gänzlich unterschiedlicher außen- und sicherheitspolitischer Orientierungen dürfte perspektivisch – von der Exklave Kaliningrad und dem äußersten Ende des Finnischen Meerbusens einmal abgesehen – ein mehr oder minder einheitlicher Sicherheits- und Operationsraum der NATO werden.
In seinem Vortrag bettet der Nordeuropa-Historiker Michael Jonas diese Entwicklungen in ihren weiteren zeitlichen Horizont und in die Geopolitik der Region ein. Er leitet dabei die verschiedenen sicherheits- und verteidigungspolitischen Ansätze und Traditionen der nordischen Staaten historisch her und zeigt auf, wie diese nicht zuletzt unter dem Eindruck der Putin’schen Aggression zunehmend konvergieren. So entsteht ein dichtes Panorama nordischer Sicherheitspolitik, das zugleich in die jüngere Geschichte und Gegenwart Nordeuropas einführt.