Immer noch ist der europäische Blick auf Afrika geprägt von einer Fokussierung auf Krisen und Konflikte. Doch dieser Blick ist zu einseitig. Ja, es gibt Staaten, die auch heute von bewaffneten Konflikten, humanitären Krisen und politischer Instabilität betroffen sind. Allein in den letzten zwei Jahren gab es Putsche in Mali, Burkina Faso und Guinea. In Äthiopien haben die militärischen Auseinandersetzungen in Tigray das Land schwer getroffen. In Sudan ist die demokratische Transition ins Stocken geraten. Der islamistische Terrorismus geißelt weiterhin insbesondere den Sahel und Teile Ostafrikas.
Gleichzeitig gibt es Staaten mit enormem Wirtschaftswachstum, einer starken Zivilgesellschaft und einer hohen Innovationskraft. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung der afrikanischen Staaten auf 2,5 Mrd. Menschen fast verdoppeln und ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Der Anteil am Welthandel wird zunehmen. Die geplante und von Deutschland stark geförderte afrikanische Freihandelszone AfCFTA hat bereits heute das Potential, einen gemeinsamen Markt mit einem kombinierten Bruttoinlandsprodukt von bis zu 3,4 Billionen US-Dollar zu schaffen. Gleichzeitig stehen wir am Beginn eines neuen Investitionszeitalters in Afrika: Allein die EU und ihre Mitgliedstaaten kündigten dieses Jahr ein Investitionspaket von 150 Milliarden Euro im Rahmen ihrer Global Gateway Initiative an.
All diese Entwicklungen werden Auswirkungen auf Europa haben. Der Wohlstand und die Sicherheit beider Kontinente sind unmittelbar miteinander verknüpft. Globale Herausforderungen – allem voran der Kampf gegen den Klimawandel – können ohne Afrika nicht bewältigt werden.
Eine enge Partnerschaft zwischen Europa und Afrika ist daher unabdingbar. Selbstverständlich ist sie nicht. In der neuen multipolaren Welt können afrikanische Staaten zwischen mehreren Partnern wählen. China und Russland versuchen gezielt, ihren Einfluss in Afrika auszudehnen. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine hat sich dies noch einmal verstärkt.
Europa steht somit vor großen Herausforderungen. Es muss seine Werte selbstbewusst vertreten, ohne in alte Formen von Paternalismus zu verfallen. Es muss sich seiner historischen Verantwortung während des Kolonialismus stellen und gleichzeitig eine in die Zukunft gerichtete Partnerschaft pflegen. Es muss seine eigenen Instrumente weiterentwickeln, um selbst ein attraktiver Partner für Afrika zu sein.
Die „11. Schaumburger Plattform“ soll dazu beitragen, diese Herausforderungen zu diskutieren und einen neuen Blickwinkel auf die geopolitische Rolle Afrikas und seine Bedeutung für Europa zu ermöglichen.

(Katja Keul, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Schirmherrin)