Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler
Der Westen ist tot, es lebe Europa?
Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Direktoriums des Instituts für Europäische Politik. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Zuletzt veröffentlichte er seinen neuen Essay zu diesem Themenkomplex: Das Ende des amerikanischen Zeitalters. Deutschland und die neue Weltordnung, Zürich 2019 im Orell Füssli-Verlag.
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von Klaus Kretzschmar
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) konnte für dieses interessante und hochaktuelle Thema wieder einen guten Bekannten als Referenten gewinnen. Herr Prof. Dr. Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Direktoriums des Instituts für Europäische Politik und beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.
Nach der Begrüßung der Gäste durch den Sektionsleiter, Oberst a.D. Josef Schmidhofer, begann Prof. Jäger seine Ausführungen mit einigen interessanten Thesen: „Der Westen ist tot.“ Diese Einschätzung hört man häufig von Politikern nachdem Ausstieg der Amerikaner aus einer Vielzahl internationaler Vereinbarungen und einer Abwendung von Europa. Die USA in ihrer jetzigen Form ist nicht mehr die Weltmacht, die aufbaut, sondern sie zerstört (Beispiele: Afghanistan, Syrien, Welthandel). Die internationale Ordnung steht vor einem Umbruch, aber es ist unklar wohin der Weg gehen soll. Die USA verliert immer mehr von ihrem Status als alleinige Weltmacht, auch wenn sie nach wie vor über die größten wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen verfügt. Unter einem Präsidenten Trump, werden die Amerikaner immer weniger ihrer jahrzehntelangen Rolle als zuverlässige Ordnungsmacht in der Welt gerecht. Diese Erkenntnis setzt sich auch immer mehr in Europa durch. Aber, was kann und will Europa tun? Erste Versuche, in der EU einen Gegenpol zu den USA zu schaffen, waren von wenig Erfolg gekrönt. Die Stärke des Dollar als bestimmende internationale Währung in Verbindung mit den nach wie vor ausgeprägten bilateralen Beziehungen der USA zu vielen Staaten der Welt, haben klare Grenzen aufgezeigt. Hinzu kommt, dass Europa nicht mit einer Stimme spricht, sondern oft nationale Interessen ein gemeinsames Handeln verhindern. Das gilt auch für Deutschland, dass auf Grund seiner politischen und wirtschaftlichen Stärke eigentlich in Europa eine Führungsrolle übernehmen müsste. Aber dazu fehlt es den deutschen Politikern derzeit am Gestaltungswillen und der notwendigen Bereitschaft aller Parteien dabei über Parteiinteressen hinaus mitzuwirken. Die andere Seite ist die Skepsis vieler europäischer Nationen gegenüber einer solchen Rolle Deutschlands. Fazit dieser Überlegungen: Europa ist derzeit nicht in der Lage, auf die durchaus erkannte Gefahr für die internationale Stabilität angemessen zu reagieren und die destabilisierende Politik Trumps „Amerika first“ zumindest zu relativieren.
Jäger ging dann nach der wenig hoffnungsvollen Analyse der Lage darauf ein, welche Handlungsmöglichkeiten Europa hat. Dazu nannte er zuerst die Notwendigkeit, Wunsch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die Europäer haben allzu lange geglaubt, so schlimm, wie Trump es verkündet, wird es schon nicht kommen. Zweites Problem: die Europäer haben zu lange geglaubt, sich auf die USA verlassen zu können und daraus ableitend den Aufbau eigener Fähigkeiten vernachlässigt. Europa könnte seine Handelswege nicht aus eigener Kraft schützen; die Sicherheitslage in Europa ist fragil; Europa verfügt über keine nennenswerte eigene Verteidigungsfähigkeit; bei Lösung internationaler Konflikten spielt Europa eine unbedeutende Rolle.
Abschließend stellte Prof. Jäger fest, dass die USA kein Interesse an einer Supermacht im eurasischen Raum haben. Dieses geostrategische Ziel muss Europa nutzen, um im eigenen Interesse, das Verhältnis zu den Amerikanern zu verbessern.
Der Vortrag hat bei den etwa 90 Zuhörern viel Nachdenklichkeit hinterlassen. Der Referent hatte aber von Anfang an betont, dass er keine Patentlösungen anbieten würde.
Zum Download finden Sie hier den Nachbericht der Veranstaltung in der Rhein-Zeitung (vom 23.10.2019, Seite 17) und in Blick aktuell (vom 24./25.10.2019, Seite 30)