Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler

Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler

Dienstag, 17.01.2023 - 19:30

Ist der König nackt? - Präsident Macrons zweite Amtszeit

Ein Aufatmen ging durch Europa, als der französische Präsident Emmanuel Macron im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen am 24. April 2022 mit über 58 Prozent der Stimmen gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen siegte. Allerdings konnten seine Partei und ihre Bündnispartner keine stabile und verlässliche Mehrheit in den Wahlen zur Nationalversammlung erringen.
Vortrag (Präsenz) + Webinar

Wie kann der wiedergewählte Präsident unter diesen Bedingungen seine innenpolitischen, wirtschafts- und sozialpolitischen Reformvorhaben durchsetzen? Drohen Politikblockaden und vorzeitige Neuwahlen? Oder zeigt sich Macron und die ihn unterstützende relative Mehrheit in der Nationalversammlung in der Lage, Kompromisse über Parteigrenzen hinweg zu schmieden, eine in Frankreich bislang wenig geübte Praxis? Welche Auswirkungen haben die Wahlen auf seine Außen- und Europapolitik und das Verhältnis zum wichtigsten Partnerland, der Bundesrepublik? Kann der innenpolitisch geschwächte Macron eine Führungsrolle auf europäischer und internationaler Bühne einnehmen und erfolgreich für seine Vorstellungen europäischer Souveränität und strategischer Autonomie werben?

Auf diese Aspekte wird Prof. Dr. Joachim Schild in seinem Vortrag eingehen und anschließend Ihre Fragen beantworten. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Trier und hat dort die Professur für Vergleichende Regierungslehre mit Schwerpunkt auf der Politik der Europäischen Union und der V. Französischen Republik. Dabei forscht und publiziert er zu den deutsch-französischen Beziehungen in der EU, zur französischen Europapolitik und zu Fragen der politischen Ökonomie europäischer Integration.

Als neues Buch erscheint im Frühjahr: Joachim Schild und Dirk Schmidt. The end of naivety. EU and US Foreign Economic Policy Responses to China, London: Routledge 2023 (i.Vb.

 

Referent: Prof. Dr. Schild , Politikwissenschaftler an der Universität Trier und hat dort die Professur für Vergleichende Regierungslehre mit Schwerpunkt auf der Politik der Europäischen Union und der V. Französischen Republik

Er forscht und publiziert zu den deutsch-französischen Beziehungen in der EU, zur französischen Europapolitik und zu Fragen der politischen Ökonomie europäischer Integration.

Ort: Hotel am Weinberg - Hauptstraße 62 , 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
Organisator: Dipl.-Ing. Josef Schmidhofer sektionsleiter-neuenahr@gsp-sipo.de
0177 / 5629488

Prof. Dr. Joachim Schild


Ist der König nackt? – Präsident Macrons zweite Amtszeit

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die zweite Veranstaltung der Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) im Jahr 2023 widmete sich diesem Thema. Sie fand am 17. Januar 19.30 Uhr im Hotel am Weinberg als Präsenzveranstaltung statt, konnte aber auch am heimischen Bildschirm verfolgt werden. Referent war Herr Prof. Dr. Joachim Schild von der Universität Trier.

Wie der Sektionsleiter Oberst a.D. Josef Schmidhofer in seiner Begrüßung feststellte, war Schild bereits im April 2018 zum Thema der Präsidentschaft Macrons Gast in der Sektion. Es wurde also mit Interesse erwartet, wie die erste und der Beginn der zweiten Amtszeit des französischen Präsidenten durch den Referenten bewertet würden.

Prof. Schild zeigte gleich zu Beginn seines Vortrages am Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Jahr 2022 auf, dass Macron zwar die Wahl gewinnen konnte, aber es ihm trotzdem an klaren Mehrheiten zum Regieren fehlt. Zudem büßten die gemäßigten Parteien am linken und rechten Spektrum deutlich an Stimmen ein. Auch die Soziologie der Wahl zeigte interessante Ergebnisse. So konnte Macron insbesondere bei älteren Wählern mit höherer Schulbildung und in leitenden Funktionen Stimmen gewinnen. Die Widersacherin Marine Le Pen punktete mehr bei kleinen Angestellten, Arbeitern und Wählern mit geringerer Schulbildung. Diese wenigen Beispiele zeigen  die tiefe Spaltung in der französischen Gesellschaft, die dann auch oft öffentlich ausgetragen wird.

Wie sieht nun die Wirtschaftsbilanz von Macrons bisheriger Politik aus? Hier kann man eine durchweg positive Entwicklung erkennen. Es wurden rund 1 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen, die Jugendarbeitslosigkeit konnte deutlich gesenkt werden , und die Arbeitslosigkeit war 2022 kaum noch ein Wahlkampfthema. Hinzu kommt, dass es Macron gelungen ist, den Prozess der Entindustrialisierung zu stoppen und insbesondere im Bereich der unteren Einkommen einen deutlichen Zuwachs zu erzielen.

Aber es gibt auch nach wie vor umstrittene Projekte, bei denen der Präsident nicht im gewünschten Maße vorangekommen ist. Dazu zählen die Arbeitsmarktreform und die Arbeitslosenversicherungsreform,  die Bahnreform, die verschobene Rentenreform und die Reform der Vermögenssteuer. Macron lastet nach wie vor der Ruf des „Präsidenten der Reichen“ an.

Welche Herausforderungen stehen nun vor der II. Präsidentschaft Emmanuel Macrons. Dazu zählt vor allem die verschobene Rentenreform. In Frankreich sind in der Altersgruppe 60 bis 64 Jahre nur 33 % erwerbstätig (Deutschland 61 %, europaweit 46%). Eine weitere Baustelle bildet die Reduktion von Haushaltsdefiziten, des Schuldenstandes und des Außenhandelsdefizites.  Die aktuellen Proteste insbesondere der Gewerkschaften zeigen, dass Macron noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss, um zumindest Teile seiner durchaus notwendigen und berechtigten Reformen umsetzen zu können. Erschwerend in dem gesamten Prozess wirkt sich die fehlende Parlamentsmehrheit bei der Gesetzgebung aus. Hier bedarf es vor allem einer engeren Zusammenarbeit mit dem Senat und auch dem Versuch, einer Kooperation mit der Republikanischen Partei.

Abschließend ging der Referent noch auf einige außen- und europapolitische Aspekte ein. Er hob dabei hervor, dass die innenpolitischen Auseinandersetzungen die Machtstellung des französischen Präsidenten in außenpolitischen Fragen wenig beeinträchtigen. Im Ukrainekrieg spielt Frankreich eine aktive Rolle bei Rüstungslieferungen und internationaler Unterstützung. Die Kritik einiger europäischer Partner an Macrons Diplomatie gegenüber Russland steht dabei im Hintergrund. Auch auf europäischer Ebene spielt Frankreich eine wichtige Rolle, was nicht zuletzt auch seinen Ausdruck in einer engeren Zusammenarbeit mit den Südstaaten finden soll.

Trotz zeitweiliger Verstimmungen (Rüstungskooperation und -export , Gaspreisdeckel u.a.  ) sind die deutsch-französischen Beziehungen nach wie vor der wichtigste Stabilitätsfaktor für Europa.

Die hohe Zahl an Interessenten bei der Präsenzveranstaltung und die abschließenden Fragen und Diskussionsbeiträge zeigten, dass die Sektion mit dem Thema wieder genau die richtige Wahl getroffen hatte.

Bildunterzeile: Prof. Dr. Joachim Schild

Foto: Elmar Gafinen
Text: Klaus Kretzschmar

Hier finden Sie einen Beitrag der RHEIN-Zeitung vom 30.01.2023 zur Veranstaltung.

 


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