Sektion Fulda
Paulus. Das Trauma von Stalingrad.
Ein wehrgeschichtlicher Vortragsabend mit Dr. Torsten Diedrich
von Sektionsleiter Michael Trost
Wie in den vergangenen Jahren hatte die Sektion Fulda auch diesem Jahr zu einem Wehrgeschichtlichen Thema eingeladen.
Dieses Mal konnte Sektionsleiter Michael Trost zum Thema „Paulus. Das Trauma von Stalingrad“, Dr. Torsten Diedrich, Historiker und Wissenschaftlicher Direktor am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam begrüßen.
Der Vortrag des Paulus-Biographen zur Persönlichkeit des „Verlierers von Stalingrad“, Generalfeldmarschall Friedrich Paulus fand ein breites Interesse und füllte den Saal im Hotel „Jägerhaus“ bis zum letzten Platz.
Paulus kindheitliche und jugendliche Prägung
Diedrich hatte für seine Biographie und ebenso für seinen Vortrag einen sozialpsychologischen Ansatz gewählt und erklärte die Persönlichkeit von Friedrich Paulus aus seiner kindheitlichen und jugendlichen Prägung im Erziehungsverständnis des wilhelminischen Kaiserreiches. Hier wirkten strenge Orientierung der Kinder auf Gehorsam und „Funktionieren“ im Sinne der Gesellschaft. Der junge Friedrich wurde auf Erfolg getrimmt, er sollte der Stolz der kleinbürgerlichen Familie sein und Friedrich rang mit Intelligenz, Fleiß und Obrigkeitsanlehnung um diesen Erfolg. Zudem wollte er Offizier werden, ein höchst angesehener Beruf, galt der Offizier doch als „1. Stand“ in der Gesellschaft, die Uniform verkörperte Macht, Männlichkeit und Mut und die Geschichtsbücher priesen Helden, Schlachten und den ruhmreichen Heldentot. Doch auch die Armee lehrte Kaisertreue und Gehorsam, die weit vor Gewissen und Verantwortungsbewusstsein rangierten
Der biographische und militärische Werdegang von Friedrich Paulus in Kaiserreich und Weimarer Republik bis hin zum Oberbefehlshaber der 6. Armee verdeutlicht stellvertretend für eine ganze Offiziersgeneration die Prägung, das Selbstverständnis und den Umgang mit Befehl und Verantwortung der deutschen Militärelite im nationalsozialistischen Deutschen Reich.
Verhängnisvolle Trennung von militärischer und politischer Verantwortung
Paulus und sein stärkster Gegner im Kessel: Walther von Seydlitz
Diedrich zeigte eine verhängnisvolle Trennung zwischen militärischer und politischer Verantwortung auf, die einen Vernichtungskrieg wie den in der Sowjetunion erst möglich machte. Um dies noch stärker offensichtlich zu machen, reflektierte Diedrich parallel auf die Entwicklung des Generals der Artillerie Walther von Seydlitz, der in Stalingrad gegen Paulus strengster Befürworter des Ausbruchs der eingekesselten Armee gegen den Befehl Hitlers plädierte. Paulus hatte berechtigte Gründe, den Ausbruch nicht zu wagen, auch weil die 6. Armee im Kessel 8 sowjetische Armeen band, deren Kräfte die gesamte deutsche Süd-Front hätten zum Einsturz bringen können. Mit dem Blick zurück wissen wir, dass nur der sofortige Ausbruch die 6. Armee gerettet hätte, eine rechtzeitige Kapitulation jedoch auch Tausende deutscher Soldaten, die so grausam im Kessel verhungerten oder erfroren oder in Kriegsgefangenschaft entkräftet und krank bereits auf dem Weg in die Lager verstarben. Sie starben wegen der verbrecherischen Befehle Hitlers und der Verantwortungslosigkeit Görings, aber auch, weil ihr Oberbefehlshaber Paulus den Mut nicht fand, gegen Hitlers Befehl zu kapitulieren.
Seydlitz konsequent Präsident im BDO, Paulus zögerliches Mitwirken
In der Gefangenschaft wendeten sich Paulus und Seydlitz gegen Hitler. Seydlitz konsequent, er wollte das deutsche Volk aufrütteln, den Krieg zu beenden und Hitler zu stürzen. Dafür war er bereit in sowjetischer Gefangenschaft den Bund Deutscher Offiziere (BDO) als Präsident zu führen. Paulus blieb zögerlich. Er war erst nach dem Attentat gegen Hitler vom 20 Juli. 1944 bereit, im BDO gegen Hitler aufzutreten. Von seiner Mitschuld am Untergang der 6. Armee seelisch stark belastet, wollte er wiedergutmachen und einen Beitrag zur Reintegration eines friedlichen deutschen Staates in die europäische Gemeinschaft leisten. So trat er Anfang 1946 als Zeuge der Anklage bei den Nürnberger Prozessen auf und brandmarkte den Überfall auf die Sowjetunion als verbrecherischen Krieg, zu dem er für die Planung mit verantwortlich war.
1953 wurde Paulus in die DDR repatriiert und kämpfte hier bis zu seinem Tod 1957 gesteuert durch die Staatspartei, die SED, für eine demokratische Wiedervereinigung Deutschlands.
An die wiederum sehr gut besuchte Veranstaltung schloss sich eine lebhafte Fragerunde an, die unter anhaltendem Applaus mit einem herzlichen Dank an den kompetenten Referenten endete.