Sektion Fulda

Sektion Fulda

Mittwoch, 24.10.2018 - 19:30

Ist die Innere Sicherheit in Gefahr und unsere Polizei überfordert? Referent: Rainer Wendt, Bundesvorsitzender DPolG

Vortrag und Diskussion
Referent: Rainer Wendt , Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG)
Ort: Hotel "Jägerhaus", Wintergarten - Bronnzeller Straße 8 , 36043 Fulda-Bronnzell
Organisator: Herr Oberstleutnant d.R. Michael Willi Trost , Sektionsleiter
Schimmelstraße 12, 36043 Fulda  0661 / 402882

Engagierter Vortrag des DPolG-Bundesvorsitzenden Rainer Wendt – Foto: Gisbert Hluchnik


Volles Haus im Wintergarten: Viele Bürger sind besorgt über die Innere Sicherheit – Foto: Gisbert Hluchnik


Dank an den Referenten für seinen überzeugenden Vortrag – Foto: Gisbert Hluchnik

„Ist die Innere Sicherheit in Gefahr und unsere Polizei überfordert“? Zu diesem Thema sprach Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft vor 60 interessierten Zuhörern im Hotel „Jägerhaus“ in Bronnzell. Eingeladen hatte die Sektion Fulda der „Gesellschaft für Sicherheitspolitik“, deren Vorsitzender, Michael Trost, den Redner begrüßte und ihn beglückwünschte zum jüngst verliehenen Preis für couragierte Publizistik der Dr. Jörg Mutschler-Stiftung.

Einleitend berichtete Wendt über zwei kürzlich stattgefundene Vortragsveranstaltungen, die sehr konträr verlaufen seien. Bei einem Vortrag vor der CDU-Ratsfraktion in Lübeck hätten störende Jugendliche des Saales verwiesen werden müssen, worauf sie beim Verlassen des Hauses den Feueralarm auslösten, sodass die Veranstaltung habe abgebrochen werden müssen. Demgegenüber seien Jugendliche einer Schulklasse in Frankfurt a.M. sehr kultiviert aufgetreten und hätten kluge und differenzierende Fragen gestellt. Der Referent resümierte, dass Deutschland zwar in Gefahr, aber noch nicht verloren sei, so lange es so nachdenkliche und kluge junge Leute gäbe.

Der Feststellung der Innenminister der Länder, dass Deutschland sicherer geworden sei, hielt Wendt entgegen, seine Kollegen der Polizei berichteten von deutlich schwächer besuchten abendlichen Veranstaltungen. Dies bedeute, dass in der Bevölkerung kein gesteigertes Sicherheitsgefühl gewachsen sei. Auch die großen Betonblöcke auf Zufahrten zu Weihnachtsmärkten oder sonstigen Veranstaltungen zeugten davon, dass sich etwas verändert habe. An diese Zustände und den damit einher gehenden Verlust an Freiheit dürften wir uns nicht gewöhnen.

Mit Blick auf die Kriminalitätsstatistiken fragte der Referent sarkastisch, ob man den Opfern einer Vergewaltigung sagen wolle, dass sie statistisch erst in etwa fünf Jahren dran gewesen wären oder den Angehörigen eines Mordopfers, dass so etwas sehr selten vor komme?

Innere Sicherheit sei mehr als Abwesenheit von Kriminalität. Um Innere Sicherheit zu produzieren brauche man Personal, Technik und Gesetze, die den Sicherheitserfordernissen gerecht würden.
Angesichts des Personalabbaus bei den Polizeien des Bundes und der Länder in den letzten zwanzig Jahren von fast 17.000 Stellen geschehe da jetzt einiges zur Schaffung neuer Planstellen.

Sofern jedoch neue Polizeitechnik wie z.B, die Verbindungsdaten-bank oder neue Gesetze, wie das Bayrische Polizeiaufgabengesetz eingeführt würden, erhebe sich auf der Linken des politischen Spektrums jeweils sofort Geschrei. Wendt vertrat die Auffassung, dass ein schwacher Staat die Sicherheit seiner Bürger aufs Spiel setze. So erstatteten häufig vergewaltigte Frauen keine Anzeige, weil sie kein Vertrauen mehr in den Staat hätten.

Ein schwacher Staat, der nichts mehr auf die Reihe bekomme, so führte der Referent aus, mache seinen Bürgern zusätzlich Angst. Pflegekräfte und Kindertagesstätten fehlten, die Bauruine des Flughafens Berlin werde durch die Polizeidirektion Magdeburg-Nord ergänzt als das marodeste Dienstgebäude der Republik. Obwohl bereits in 2011 der dortige Innenminister eine grundlegende Renovierung zugesagt habe, sei bis heute nichts passiert. Die Polizeidirektion 6 in Berlin sei innen und außen mit Netzen versehen, um den herunterfallenden Putz aufzufangen. So bestehe bei öffentlichen Gebäuden und Schulen ein Sanierungsstau in Milliardenhöhe. Wie solle da die erforderliche Digitalisierung auch der Polizei gelingen, um einen direkten und reibungslosen, für die Polizeiarbeit dringend nötigen Daten- und Informationsaustausch zu ermöglichen, fragte der Referent. Die Bedrohungslage gegenüber den Zeiten der Rote Armee Fraktion habe sich entscheidend geändert. Diese habe Personen aus der Spitze von Politik, Wirtschaft und Sicherheitsbehörden bedroht und habe Verurteilung und Haft gefürchtet. Opfer des heutigen Terrorismus könne dagegen jeder werden und die Täter würden den eigenen Tod nicht scheuen.

Wendt verwies auch auf die geänderte Rechts- und Gesetzeslage, wonach im polizeilichen wie im Verwaltungshandeln nur erlaubt sei, was im Gesetz stehe, während früher lediglich nicht gegen das Gesetz gehandelt werden durfte, d.h. was nicht drin stand, war grundsätzlich erlaubt. Hinzu komme der strenge EU-Datenschutz und das Fehlen eines bundeseinheitlichen Polizeiaufgabengesetzes, weil jedes Bundesland auf seiner insoweit bestehenden Gesetzgebungshoheit bestehe.

Die Polizei solle hinterher alles gewusst haben, aber vorher nichts erfahren, brachte Wendt die Situation auf eine griffige Formel. So würden der Polizei seitens der Politik erforderliche und effektive Ermittlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung gestellt oder sie zeige sich insbesondere gegenüber linken Straftätern äußerst nachsichtig. Folglich sei die Quellen-Kommunikationsüberwachung abgelehnt, andererseits nach dem G 20-Gipfel in Hamburg lediglich die Kennzeichnung der Polizeibeamten als Maßnahme ergriffen worden. Die Schließung der Roten Flora als Sammelpunkt der Szene gehe im Parteienstreit unter und bestehe weiter. Nach Ereignissen wie in Hamburg würden nicht selten Untersuchungsausschüsse zur Aufklärung des Handelns der Polizei gefordert, er wünsche sich einmal einen Untersuchungsausschuss der sich mit Politikversagen beschäftige.

Der Referent schloss mit der Feststellung, der Staat müsse ein Ordnungsfaktor sein, der da sei, wenn man ihn brauche und kein Dienstleistungsunternehmen, das monatlich Geld überweise oder von uns Geld haben wolle. Es gehe uns gut, aber er wolle, dass es auch noch den Kindern und Enkeln gut gehe. Dafür seien verantwortungsvolle und weitsichtige Politiker erforderlich.

An die Ausführungen schloss sich eine rege Diskussion an.

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