Sektion Fulda

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Donnerstag, 22.03.2018 - 19:30

Russland nach den Präsidentschaftswahlen: Stand und Aussichten der Außen- und Innenpolitik

Vortrag und Diskussion
Referent: Dr. Christian Wipperfürth , Publizist, Berlin

Dr. Wipperfürth hat nach Schule und Ausbildung zum Bankkaufmann Grundwehrdienst geleistet und danach Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie in Bonn studiert. Zwischen 1992 und 1998 hat er für das Europäische Parlament und den Deutschen Bundestag gearbeitet. 2001 bis 2004 hat sich Dr. Wipperfürth als Assistant Professor für Internationale Beziehungen an der Universität St. Petersburg/Russland insbesondere mit Fragen aktueller russischer Außenpolitik und den deutsch-russischen Beziehungen beschäftigt. Seit 2005 als Publizist tätig widmet sich Dr. Wipperfürth schwerpunktmäßig der aktuellen russischen Außenpolitik, den deutsch/europäisch-russischen Energiebeziehungen und den russisch-chinesischen Beziehungen.

Ort: Hotel "Jägerhaus", Wintergarten - Bronnzeller Straße 8 , 36043 Fulda-Bronnzell
Organisator: Herr Oberstleutnant d.R. Michael Willi Trost , Sektionsleiter
Schimmelstraße 12, 36043 Fulda  0661 / 402882

RUsslandexperte Dr. Christian Wipperfürth zu Gast bei der Sektion Fulda - Foto: Gisbert Hluchnik


Wieder einmal volles Haus im Wintergarten - Foto: Gisbert Hluchnik


Sektionsleiter Michael Trost dankt dem Referenten mit einem guten Tropfen - Foto: Gisbert Hluchnik

Bei einer sehr gut besuchten Veranstaltung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Sektion Fulda, sprach im Hotel Jägerhaus in Bronnzell der Berliner Publizist Dr. Christian Wipperfürth über die „Aussichten russischer Innen- und Außenpolitik nach den Präsidentschaftswahlen“.

Referent wandte sich zunächst den inneren Verhältnissen Russlands zu, indem er an die für die russische Bevölkerung traumatischen 1990er Jahre anknüpfte. In dieser Zeit verlor der überwiegende Teil der russischen Bevölkerung durch die Währungsreform von 1993 und die extrem hohe Inflation seine gesamten Ersparnisse. Gleichzeitig mussten sie erleben, dass eine kleine Minderheit extrem reich wurde und ihr Vermögen ins westliche Ausland schaffte. Das Bruttoinlandsprodukt und die Bruttoanlageinvestitionen sanken ab 1989 bis 1998 auf einen historischen Tiefstand. Die Mühsal dieser Jahre blieb für die Menschen nicht ohne Folgen. So sank die Lebenserwartung der Bürger in weniger als 10 Jahren von 65 Jahren bis 1994 auf unter 58 Jahre.

Soweit sich insbesondere nach der Jahrtausendwende bis zu einem Knick in 2007/08 und dann bis 2014 ein wirtschaftlicher Aufschwung einstellte, war dieser nach den Worten des Referenten auf den zwischenzeitlich um das zehnfach gestiegenen Ölpreis zurückzuführen, der hunderte von Millionen Euro ins Land gespült habe. Ursache für die wirtschaftliche Erholung sei somit nicht, wie der Referent meinte, die Präsidentschaft Putins gewesen, die dieser in 2000 angetreten hatte. Das politische System Russlands hält der Referent für stabil. Allerdings misstraue die Bevölkerung der Elite. Politische Experimente wolle die Mehrheit der Bevölkerung nicht wiederholen, sie bevorzuge Stabilität, auch wenn diese unbefriedigend sein möge.

Außenpolitisch hätten sich Russland und der Westen auseinander entwickelt. Russland sei konservativer geworden und misstraue mit Verweis auf Afghanistan, den Irak und den sog. Arabischen Frühling der Weisheit westlicher Außenpolitik. Eine irgendwie geartete Neuschaffung der ehemaligen UdSSR sei nicht geplant, meinte der Referent, und hält auch einen Übergriff auf das Baltikum für ausgeschlossen, weil sich der Kreml keinesfalls mit der NATO anlegen wolle. Anders verhalte es sich nach Einschätzung von Dr. Wipperfürth mit der Ukraine. Dort sei ein direktes Eingreifen russischer Truppen denkbar, denn nach allgemeiner russischer Auffassung, die Putin teile, seien Russen und Ukrainer ein Volk. Der Referent prognostizierte, dass Russland mit der Ukraine einen sehr langen Atem haben werde, einen längeren als der Westen, und warten werde, bis die Ukraine an ihren eigenen Widersprüchen zusammenbrechen würde.

Hinsichtlich der Rüstungsausgaben legte der Referent dar, dass diese bis 2015 sehr stark gestiegen wären und 2017 um 12% gefallen seien. Sie nähmen zukünftig den gleichen prozentualen Anteil vom Bruttosozialprodukt ein wie in den USA, lägen damit also absolut weit unter den Rüstungsausgaben der USA, die zehnmal soviel aufwendeten.

Die Frage, wie es jetzt nach den Wahlen weiter gehe, beantwortete der Referent dahingehend, dass Putin sich zwischen den liberalen Kräften, die weniger Staat und mehr Rechtsstaatlichkeit wollten, und den Konservativen nicht festlege oder nach allen Seiten blinke. Die russische Geschichte sei in den letzten 100 Jahren so blutig, chaotisch und so wechselhaft gewesen, dass die meisten Russen vom alten System nichts mehr wissen wollten. Sie stellten sich die Frage, wie es nun weiter gehe und wer nach Putin komme.

Wie zuvor schon in Russland würden jetzt auch im Westen Äußerungen von Unzufriedenheit oder einzelne Wahlergebnisse auf ausländische, speziell russische Einflussnahme zurückgeführt. Es gäbe einige Belege dafür, dass Russland das versucht habe, ausschlaggebend seien sie jedoch nicht gewesen.

Um Verdächtigungen und Meinungsverschiedenheiten in diesem und anderen Bereichen zu klären, sollten der Westen und die Russen nach Auffassung des Referenten Gespräche über Cyber-Maßnahmen führen. Die USA und China hätten dies bereits erfolgreich getan, nachdem Washington mehrfach Vorwürfe gegenüber Peking erhoben hatte. Außerdem solle Deutschland dringend dafür eintreten, dass die USA und Russland wechselseitig Inspektoren schickten, um die gegenseitigen Vorwürfe hinsichtlich des Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zu untersuchen.

Der Vortrag von Dr. Wipperfürth stieß bei den Zuhörern auf hohes Interesse, wie sich bei der anschließenden regen Diskussion zeigte.


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