Sektion Saar

Sektion Saar

Donnerstag, 04.04.2019 - 19:00

Die internationale Ordnung im Wandel – was bedeutet das für die Europäische Union?

Vortrag und Diskussion
Referent: Prof. Dr. Thomas Jäger , Universität Köln
Ort: Offizierheim Saarlouis neben der Graf-Werder-Kaserne - Wallerfangerstraße 33 , 66740 Saarlouis

In den letzten Jahren hat im Prinzip weltweit, aber insbesondere auch in Europa und in Deutschland die Sorge über eine gedeihliche und friedvolle Entwicklung des Miteinanders der Menschen, der Völker und der Staaten zugenommen. Altgewohntes geht verloren und neue Herausforderungen und Gefahren beherrschen das Denken und Fühlen der Menschen und der Politik.

Zeit und Anlass für die GSP-Saar, sich mit Hilfe des auch aus den Medien bekannten Referenten Dr. Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln, zu befassen.
Mit der Zeitenwende 1989/1990 und mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes wähnte sich die westliche Welt in einer anbrechenden Epoche stabilen und dauerhaften Friedens, friedlichen Ausgleichs aufkommender Konflikte und weltweiter Akzeptanz und Ausbreitung westlicher Demokratie-Vorstellungen und –Grundsätze. Die schon reflexartig einsetzende Einforderung einer „Friedensdividende“ – man fühlte sich ja „nur noch von Freunden umzingelt!“ – führte insbesondere in Deutschland zu teilweise massivem Abbau der staatlichen Vorkehrungen für Innere und Äußere Sicherheit. Die negativen Folgen treten heute in vielen Bereichen offen zu Tage.
In dieser Situation wirken das Erodieren oder gar der Verlust altgewohnter und liebgewonnener Verlässlichkeiten besonders schmerzlich.

Damit ist man automatisch bei der (bisherigen?) Weltmacht Nr. 1, den USA, die unter dem derzeitigen Präsidenten Trump bei weitem nicht mehr der über viele Jahrzehnte gewohnte Garant einer ordnenden Krisenvermeidungs- und Krisenbewältigungspolitik ist. Das begann zwar nicht erst mit Trump, hat aber mit seiner oftmals irrationalen und sprunghaften, Gegner wie Freunde verunsichernden „Politik“ erheblich zur Instabilität der bisherigen Weltordnung beigetragen.
Die nach dem Trauma der Anschläge vom 11. September 2001 durchgeführten US-Einsätze im Irak, Afghanistan und Libyen wurden ohne ein politisches Konzept für die Zeit nach dem Militäreinsatz durchgeführt, hinterließen zerstörte Strukturen und waren Ursache und Ausgang für chaotische Zustände in den jeweiligen Bereichen, unter deren Folgen die Welt noch heute zu leiden hat. Die USA waren und sind derzeit nicht in der Lage, ihre Überlegenheit in Ordnung umzusetzen.
Trump versöhnt und einigt nicht, sondern spaltet im Innern wie auch international, um daraus Vorteile für Amerika zu erzielen. Unter Trump ist die NATO jetzt nach 70 Jahren erfolgreicher und friedenssichernder Funktion nur noch eine Worthülse ohne verlässliche Beistandsgarantie. Der Westen ist nicht mehr das Machtzentrum – er fragmentiert schon allein aus sich heraus durch schier unüberwindbar scheinende Widersprüche.

Dabei wissen die Nutzer dieser sozialen Medien nicht – oder sie verdrängen schlichtweg diese Tatsache – dass die Masse der binnen weniger Minuten hunderttausendfach verbreiteten und dann mit „Like“ versehenen Meinungen und „Fakten“ nicht von menschlichen Individuen produziert wird, sondern von Robotern, sogenannten „Social Bots“. Wichtig ist und haften bleibt, dass zu einem/r Umstand/Ereignis/politischen Maßnahme eine bestimmte Meinung – und die ist praktisch ausschließlich negativ! – von Hunderttausenden/Millionen „Gleichgesinnten“ geteilt wird.
Leider ist die vorurteilslose Übernahme in den sozialen Medien verbreiteter Meinungen als „die Wahrheit“ oder das „wahre Leben“ nicht nur auf die sogenannten bildungsfernen Bevölkerungsschichten begrenzt, wenngleich sie dort am stärksten ausgeprägt sind.
Und: unabhängig vom sozialen Umfeld zählt bei Wahlen bekanntlich jede Stimme gleich!

Russland strebt unter Putin alte Größe und Weltmachtbedeutung aus seligen Sowjetischen Zeiten an. Russland fürchtet Demokratie wie der Teufel das Weihwasser. Jedes Mittel scheint recht zu sein, wie Vertrags-und Völkerrechtsbruch, Vergiftung von russischen Opponenten auf fremdem Territorium, Cyberkriminalität in staatlichem Ausmaß gegen andere Staaten, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, Destabilisierung des Westens, insbesondere der Europäischen Union mit dem letztlichen Ziel, diese zu zerschlagen und die einzelnen Staaten von Russland abhängig zu machen und insbesondere die osteuropäischen Märkte zu erschließen. Russland braucht eine prosperierende wirtschaftliche Basis, wenn es den großen Militärbereich als Basis seiner Weltmachtambitionen erhalten will.

Die Herausforderungen durch China scheinen (derzeit noch) ganz anders geartet zu sein.
An dieser Stelle soll China im Kontext des Themas nur kurz beleuchtet werden. Die Sektion Saar wird sich Anfang Juni näher mit China befassen.
China rüstet zwar auf, hält sich aber (noch) militärisch zurück, ist aber wirtschaftlich äußerst aggressiv. Die Nahziele der Chinesischen Führung sehen zunächst das wirtschaftliche Gleichziehen mit den führenden Wirtschaftsnationen vor. Dabei werden keine Skrupel an den Tag gelegt, den noch bestehenden technologischen Rückstand durch legale (Firmen-beteiligungen oder deren Aufkäufe) oder illegale Methoden (Patentraub, “Abkupfern“) schnellstmöglich auszugleichen. China hat es klug und geschickt verstanden, die ihm durch Trumps irrationale Politik geöffneten Spielräume zu nutzen, die eigne Machtposition und den Einfluss nicht nur regional, sondern zunehmend auch weltweit auszubauen.
Das Vehikel dafür ist das Neue Seidenstraßenkonzept des weltweiten Ausbaus der Handelswege und deren Vernetzung und Absicherung durch ein Stützpunktsystem.
Das Ziel der chinesischen Führung unter Xi Jingping ist die Erlangung der Weltmachtposition Nr.1. Als Zieldatum dafür gilt der 100.ste Gründungstag der Volksrepublik China, der 01. Oktober 2049.

Was bedeuten diese Veränderungen in der Welt nun für die Europäische Union? Zunächst ist festzustellen, dass die EU es in den letzten 25 Jahren versäumt hat, sich in die Lage zu versetzen, auf diese neuen Herausforderungen gut gerüstet reagieren zu können. Die EU und die NATO sind nicht im besten Zustand. Die EU wird innerlich durch eigene Probleme geschwächt. Da ist an erster Stelle das BREXIT-Problem zu nennen, aber auch die Zunahme rechter, rechts-nationaler und populistischer Parteien und Gruppierungen schwächen mit ihrem anti-europäischen Kurs die Handlungsfähigkeit der Union ebenso wie die inneren Entwicklungen in Polen, Ungarn, auch in Österreich und Italien. Es gibt keine einheitlichen Vorstellungen in der EU über Demokratie. Deutschland wird von vielen als Führungsnation gesehen, hat aber ernstlich noch nie im tieferen Sinne des Wortes geführt.

Die NATO wird vom Präsidenten der USA in Frage gestellt, was die übrigen Mitglieder zwingt, mehr selbst für ihre eigene Sicherheit und Verteidigung zu tun. Ansätze zu einer gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind bisher über dieses Stadium des Ansatzes nicht hinausgekommen. Die Forderung Trumps (auch vorher schon von Obama) nach Aufstockung der Verteidigungsausgaben auf 2 % des BIP ist zwar einerseits berechtigt, ist aber mit dem 2 %-Ziel purer Fetischismus. So erfüllt zwar das wirtschaftlich schwache Griechenland diese Norm, leistet aber bei weitem nicht einen Beitrag wie Deutschland zur NATO und zu internationalen Friedenseinsätzen. Zum einen ist das Ziel in der vorgesehen Zeit (bis 2024) technisch sinnvoll überhaupt nicht machbar und würde zum anderen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands und des daraus resultierenden Aufblähens des deutschen Verteidigungshaushalts (um über 20 Mrd €!) zu erheblichen Verwerfungen innerhalb Europas führen.
Aber nicht die Auflösung vom EU und NATO sind die Lösung, sondern deren Stärkung durch abgestimmte und sinnvolle Reformen zur jeweiligen Effizienzsteigerung. Nur im Verbund sind die anstehenden und künftigen Herausforderungen zu bewältigen. Nationale Alleingänge sind kontraproduktiv, lösen keine Probleme und führen letztlich nur in die Abhängigkeit.

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