Sektion Saar

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Freitag, 25.05.2018 - 19:30

Fesseln der Vergangenheit - Russland und das Erbe der Sowjetunion

Vortrag und Diskussion
Referent: Dr. Manfred Sapper , Chefredakteur der Zeitschrift "Osteuropa"
Ort: Offizierheim Saarlouis neben der Graf-Werder-Kaserne - Wallerfangerstraße 33 , 66740 Saarlouis
Organisator: Oberst a.D. Klaus Zeisig kzeisig@web.de
06873 / 66 83 59

Zum Thema „Russland und das Erbe der Sowjetunion“ referierte der langjährige Chefredakteur der Zeitschrift „Osteuropa“, Dr. Manfred Sapper aus Berlin, der schon aus dieser Funktion heraus auf besondere Kenntnisse über Russland zurückblicken kann.

Am 07. Mai trat Wladimir Putin seine vierte, zwischenzeitlich nach Änderung der Verfassung auf 6 Jahre bis 2024 begrenzte, Amtszeit als Präsident Russlands an, und vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Russland sind Zweifel zumindest erlaubt, ob dies seine letzte sein wird. Und gerade hat Putin diese Zweifel genährt, indem er andeutete, dass Medwedew 2024 sein Nachfolger werden könnte. Damit deutet sich das gleiche „Spiel“ wie schon 2008 an, als für Putin nach zwei Amtszeiten als Präsident eine dritte nach der Verfassung nicht möglich war. Putin ist jetzt 65 Jahre alt und erfreut sich offensichtlich einer guten und robusten Gesundheit!

Obwohl Russland sich seinerzeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung bekannt hatte und 1996 dem Europarat beigetreten war, dessen Mitglied es heute noch ist, zeugen diese „Posten-Spielereien“ wahrlich nicht von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – Schatten der Vergangenheit?!

Dennoch waren gerade die 90er Jahre von Aufbruch und Euphorie über den Durchbruch von Rechtsstaatlichkeit und Liberalismus in Russland gekennzeichnet. Die jahrzehntelange Konfrontation schien überwunden. Russland wurde in den NATO-Kooperationsrat aufgenommen. Die spätere Behauptung der russischen Führung, es habe zwischen dem Westen und Russland „keinen Dialog auf Augenhöhe“ gegeben, muss in den Bereich der Legendenbildung verwiesen werden.

Bei der Entwicklung einer neuen Staats- und Gesellschaftsform in Russland begann das „Dilemma der Gleichzeitigkeit“ zu wirken: Gleichzeitig waren ein neues Politisches System, ein neues Wirtschaftssystem und ein neues Gesellschaftssystem aufzubauen. Im Gegensatz zu ähnlichen Aufgabenstellungen nach epochalen Umbrüchen wie z.B. in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg, wo ein im Grunde gesundes Wirtschaftssystem die tragende Grundlage für die Entwicklung eines gesunden Staats- und Gesellschaftssystem war, waren diese Voraussetzungen in Russland – noch bis zum heutigen Tag – nicht gegeben.

So sind die zentralen Pfeiler der Sowjetunion weitestgehend erhalten geblieben. Da ist an 1. Stelle die Armee zu nennen, deren Selbstverständnis sich au s dem „großen vaterländischen“ Sieg über Deutschland und gegen die Konterrevolutionäre speiste – ein Umstand, der trotz verschuldeter millionenfacher toter Russen zum Verständnis der Wiederbelebung eines neu erwachten Stalin-Kults beiträgt.

Als weiteres Element sind die Geheimdienste zu sehen aus denen Putin hervorgegangen ist und deren überzeugter Anhänger er heute noch ist. In der DDR hat er als junger KGB-Offizier auch gelernt, wie wichtig es ist, praktisch alle Teile der Gesellschaft und insbesondere auch der Wirtschaft und des Militärs mit Geheimdienst-Methoden zu durchdringen und zu kontrollieren. Während früher die Geheimdienste wenigstens noch durch die KPdSU kontrolliert wurden, verschmelzen sie heute mit der Wirtschaft. Selbstbereicherung, Korruption und Oligarchie bis in die allerhöchste Führungsebene sind die Folgen. Das reichliche Vorhandensein von Rohstoffen ist einerseits ein Segen, bedeutet aber andererseits einen Fluch, weil es nur Korruption hervorbrachte und die Entwicklung einer gesunden und sich selbst tragenden Wirtschaftsstruktur bis zum heutigen Tage verhinderte.

Die dritte tragende Säule sind die Bereiche Justiz und Polizei.

Das waren die tragenden Säulen des „Systems Sowjetunion“, so wie sie heute die zentralen Elemente des „Systems Putin-Russland“ sind. – Fesseln der Vergangenheit!

Alle derzeitigen führenden Figuren sind durch den Kommunismus geprägt. Sie kennen praktisch nur ein Schwarz-Weiß-Denken. Jeder Angriff auf die Führungselite und jede Bedrohung derer Privilegien wird als Bedrohung und Angriff auf Russland gedeutet (Trump lässt grüßen!).

Nicht ein Positiv-Denken, bei dem z.B. ein Mehr an Sicherheit der einen Seite auch ein Mehr an Sicherheit der eigenen Seite bedeutet, bestimmt das Denken der russischen Führungselite, sondern prägend ist ein Null-Summen-Denken, bei dem ein Mehr an Sicherheit der einen Seite ein Weniger bei der anderen bedeutet. Demokratie wird verbunden mit der negativen wirtschaftlichen Entwicklung. Schuld sind immer die Anderen!

Die Abwendung vom westlichen Liberalismus ist autoritären Systemen immanent Sie ist in Russland besonders stark ausgeprägt, findet sich ab auch in anderen Staaten wie z. B. Ungarn und Polen.

Putin hat durch seine Konfrontationspolitik gegenüber dem Westen und das hemmungslose Füllen entstandener Lücken (Eingreifen in Syrien) Russland wieder auf Augenhöhe mit den anderen Führungsnationen der Welt gebracht. Er hat den Russen damit auch den lange vermissten Stolz vergangener Zeiten zurückgegeben - eine Erklärung für sein hohes Ansehen in großen Teilen der Bevölkerung trotz aller Mängel und Entbehrungen im Alltag.

Die Mobilisierung gegen den Westen ist die wesentliche Legitimation des Systems. Seit 2012 (Beginn der dritten Präsidentschaft Putins!) ist eine Verhärtung der innergesellschaftlichen Situation zu verzeichnen (Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Repression). Eine Änderung der Verhältnisse ist nicht absehbar. Autoritär-repressive Systeme haben nur das Ziel, sich selbst zu erhalten. Nachfolgeregelungen sind systemfremd. Auf absehbare Zeit sind keine Ansätze erkennbar, die Entfremdung Russlands vom Westen zu überwinden.

Willfährige Bemühungen und Diskussionen, die wegen des Verhaltens Russlands (Krim, Ost-Ukraine, Abschuss Flug MH 70, Unterstützung des verbrecherischen Assad-Regimes in Syrien, Hacker-Angriffe auf westliche Staats-und Verwaltungseinrichtungen, Affäre Skripal) die Sanktionen ohne von Russland zu erfüllende Bedingungen aufzuheben oder zu lockern, wären gegenüber dem russischen Regime absolut kontraproduktiv.

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