Sektion Saar

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Donnerstag, 06.09.2018 - 19:30

Splendid Isolation? - Der Brexit im Realitätscheck

Vortrag und Diskussion
Referent: Dustin Dehez
Ort: Offizierheim Saarlouis neben der Graf-Werder-Kaserne - Wallerfangerstraße 33 , 66740 Saarlouis
Organisator: Oberst a.D. Klaus Zeisig kzeisig@web.de
06873 / 66 83 59

Das auf Betreiben des damaligen Premierministers Cameron in Großbritannien abgehaltene Referendum über den Ausstieg aus der Europäischen Union hinterließ eine gespaltene und zerrissene Gesellschaft. Mit teilweise falschen Behauptungen und hoffnungslos überzogenen Erwartungen hatten die Protagonisten des Austritts eine knappe Befürwortung bewirkt.

Die Regularien der EU sehen für diesen bisher noch nicht dagewesenen Fall nach der offiziellen Willensbekundung des austrittswilligen Staates eine 2-jährige Verhandlungsdauer über die Modalitäten des Austritts und die künftigen Beziehungen vor, an deren Ende der Austritt folgen soll.

Diese Zeitdauer läuft Ende März 2019 ab, das heißt, dass die Verhandlungen über das Wie praktisch bis spätestens November 2018 abgeschlossen sein müssen, um beiden Seiten (EU und GB) noch die notwendige Zeit für die parlamentarischen Beratungsprozesse zu geben. Damit endet zwangsläufig die britische Mitgliedschaft in der EU.

Bisher sind die entscheidenden Verhandlungspunkte, wie z.B. künftige Handelsbeziehungen, Ausgestaltung der künftigen EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland, die von GB gewünschte Trennung zwischen Warenverkehr und Dienstleistungsverkehr (beide von der EU als untrennbar eingestuft), Anerkennung des Europäischen Gerichtshofes bei Streitfragen und Freizügigkeit und künftige Rechtsstellung der EU-Bürger in GB und britischer Staatsbürger in der EU, überhaupt noch nicht geklärt.

Hatte die britische Regierung bisher noch keine klare Verhandlungsposition und klare Verhandlungsziele erkennen lassen, hat sie nun erstmals (viel zu spät?!) mit dem sogenannten „Checkers Deal“ (nach dem Landsitz der/des britischen Prime-Ministers benannt) ihre Vorstellungen präzisiert. Schon allein diese Hinwendung zu einem „weichen“ Brexit hat prompt zu erheblichen innenpolitischen Verwerfungen und zum Rücktritt des bisherigen Brexit-Ministers und des Außenministers geführt.

Hierin sind allerdings viele britische Wunschvorstellungen enthalten, die von der EU schlichtweg als „Rosinenpickerei“ abgelehnt werden müssen. Verständlich erscheint die Auffassung der EU, dass GB nach dem von ihm gewünschten Brexit nicht besser dastehen kann als andere EU-Mitgliedsstaaten, indem es alle wesentlichen Vorteile der bisherigen EU-Mitgliedschaft erhält, ohne die damit verbundenen Pflichten, wie beispielsweise finanzieller Beitrag zu den Kosten der EU, zu tragen. Selbst Nicht-EU-Mitglieder, wie z.B. die Schweiz, müssen zum Erhalt besonderer Handelsbeziehungen Beiträge an die EU zahlen.

Auch hat der Wunsch nach einer seinerzeit propagierten Nutzung der „Special Relationship“ zu den USA zu besonderen und günstigen Handelsbeziehungen GB-USA durch den derzeitigen US-Präsidenten Trump eine harsche Abfuhr erfahren. So haben sich praktisch alle wesentlichen von den Protagonisten des Brexit gemachten Versprechungen wie Nebelschwaden in der Morgensonne aufgelöst.

Sicherlich haben seinerzeit viele Enttäuschte und sich wirtschaftlich abgehängt Fühlende (wie sie es auch im Zuge der Globalisierung in vielen anderen Teilen Europas und der Welt gibt – siehe Wahlergebnisse in anderen europäischen Staaten und insbesondere die Trump-Wahl in den USA) für den Brexit gestimmt.

Bei einem Teil insbesondere der älteren britischen Wählerschaft wabert darüber hinaus auch noch der nie überwundene Schmerz über den Verlust des British Empire (Britannia rules the World!) im Hinterkopf.

Die Ernüchterung und der Katzenjammer in einem zunehmenden Teil der britischen Öffentlichkeit sind groß. Insbesondere die jüngeren Generationen fühlen sich um ihre Zukunft betrogen.

Aber nicht nur Großbritannien wird unter den Folgen des Brexit zu leiden haben.
In ähnlichem Maße trifft das auch die EU und ihre Mitgliedstaaten, hierbei insbesondere auch das exportorientierte Deutschland. Jedoch werden die EU und Deutschland das besser verkraften können. Die britische Wirtschaft wird zusätzlich durch den weitestgehenden Verlust des Börsen- und Finanzplatzes London signifikant getroffen werden, zumal der Finanzsektor mittlerweile einen beträchtlichen Teil der britischen Wirtschaftsleistung abdeckt.

Bei aller (auch berechtigten!) britischen Kritik an dem „Monster EU“ war GB auch immer ein verlässlicher Partner, der in vielen Politikfeldern oft die „deutsche Linie“ unterstützte. Auch sind die Auswirkungen für die die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU überhaupt noch nicht absehbar.

Vor all diesen Hintergründen stellt sich die Frage nach einem Ausweg aus diesem Dilemma, der auch allen Beteiligten hilft, das Gesicht zu wahren.

Erinnern wir uns: das Referendum über einen Brexit war seinerzeit aus einer innerparteilichen Notlage bei den Konservativen heraus durch David Cameron für den Fall versprochen worden, dass die Tories ihn wieder zum Premierminister machten. Die Versprechungen, angesichts derer sich eine knappe Mehrheit beim Referendum für den Brexit entschied, stellten sich als haltlos und leer heraus.

Die Frage, ob und unter welchen Umständen es einen Rücktritt vom Austritt geben kann, ist juristisch nicht geregelt, da es keinen Präzedenzfall gibt, und dementsprechend unklar. Aber warum bringt niemand angesichts der verfahrenen Situation die Kraft und den Mut auf, mit dem bisherigen Verhandlungsergebnis vor den britischen Wähler zu treten und ihn zu fragen „Seht her: das ist das Ergebnis der Austrittsverhandlungen – wollt Ihr unter diesen Umständen den Austritt?“

Auch ein neues Referendum – egal welchen Ausgangs – hinterließe ein zerrissenes Land, würde aber bei diesmal positivem Ausgang (von dem ich angesichts des „Aufwachens“ der jungen Menschen in GB überzeugt bin) die sich besonders für GB abzeichnenden schwerwiegende Nachteile vermeiden.

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