Sektion Saar

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Donnerstag, 27.06.2019 - 19:00

Das Königreich Saudi-Arabien – der gefährlichste Verbündete des Westens?

In der derzeit spannungsgeladenen und hochbrisanten Situation in der Golf-Region mit ungewissem Ausgang referierte die Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt/M, Dr. Iris Wurm, vor der Sektion Saar der GSP über das größte Land in der Region (ca. 34 Mio Einwohner). Es deckt den weitaus größten Teil der Landfläche der Arabischen Halbinsel ab. Aktuell scheint Saudi-Arabien eine Zeitenwende zu erleben, doch die Entwicklungsrichtung, die Begleitumstände und der Ausgang sind noch mit vielen Fragezeichen behaftet.
Vortrag und Diskussion
Referent: Dr. Iris Wurm
Ort: OffzHeim - Wallerfangerstraße 33 , 66740 Saarlouis


von Oberst a.D. Klaus Zeisig, GSP-Sektionsleiter Saar

Um ein Verständnis für die Besonderheiten dieses Staates und seiner Gesellschaft zu entwickeln, sollte man zunächst einen Blick auf die Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen dieses islamischen Königreiches werfen.

Aufgrund seiner immensen Erdöl-Vorkommen ist Saudi Arabien ein sehr reiches Land, das allerdings die Erlöse aus dem Erdöl-Geschäft nicht in Bildung auf breiter Ebene und die Entwicklung einer nachhaltigen und diversifizierten Wirtschaftsstruktur investiert. Für die eigentliche Arbeit im Land werden ca. 11 Mio Arbeiter aus dem asiatisch-arabischen und afrikanischen Raum beschäftigt. Unter diesen Rahmenbedingungen entwickelte sich eine unübersehbare Arroganz der Menschen – insbesondere der reichen Ober- und Mittelschicht – und eine weit verbreitete Korruption. Der Reichtum ermöglicht es aber, ein Füllhorn von Wohltaten (Gesundheitswesen, Sozialsystem, Gesundheitssystem, Steuersystem) auf die Bürger auszugießen, womit natürlich auch deren Wohlwollen gegenüber dem Königshaus erkauft wird.
Nach langen siegreichen Kämpfen gegen die umliegenden Königreiche und Emirate wurde 1932 der neue Einheitsstaat Saudi-Arabien durch Abdul Asis bin Saud gegründet. Seitdem geht die Herrscherwürde immer an einen der vom alten König dafür bestimmten Söhne (in der Regel der älteste Sohn) über. Hiervon wurde auch abgewichen. Und so ist derzeit Mohammed bin Salman an 2 Konkurrenten vorbei der designierte Nachfolger des seit 2015 regierenden, schwerkranken König Salman.

So etwas geschieht nicht immer ganz reibungslos. Übergangene werden meist unter Korruptionsvorwurf „arrestiert“ und aus dem Verkehr gezogen, können sich „freikaufen“, leben ein komfortables und luxuriöses Leben, werden aber zu Kritikern des Aufsteigers und bleiben für den Herrschenden immer eine mehr oder weniger große Gefahr.
Mohamed bin Salman – von den Medien gern unter dem Kürzel „MBS“ geführt und in westlichen Diplomatenkreisen nur „Mr. Everything“ genannt, weil er praktisch für fast alles zuständig ist – hat durch seine eingeleiteten zaghaften Reformschritte die Hardliner und konservativen Kleriker gegen sich aufgebracht.
Ein bezeichnendes Licht, wie die Führung (hier MBS) mit Kritikern umgeht, ist der Fall des kritschen Journalisten Jamal Kashoggi. Nach anfänglichem, grundsätzlichem Leugnen wird nun eine Verwicklung des Königshauses eingeräumt. Die CIA ist überzeugt, dass MBS den Auftrag erteilte, Jamal Kashoggi zu ermorden. Das bereitet insbesondere US-Präsident Trump erhebliche Probleme, aber auch den europäischen Handelspartnern.

Schillernd ist auch das Verhalten der jeweiligen saudischen Führung gegenüber dem internationalen Terrorismus.
Seine Unterstützung islamistischer/sunnitischer Gruppenbasiert auf 2 Pfeilern:

  • auf der wahabitischen Orientierung des Königreichs und der daraus folgenden engen Verknüpfung zwischen der Legitimation des Königreiches und der Staatsreligion und
  • auf der (nicht unbegründeten) dauerhaften Angst des Königshauses wegen seines Bündnisses mit dem Westen als un-arabisch zu gelten.

So wurde die Unterstützung von Al Khaida und Osama bin Laden (selbst ein Saudi) erst aufgegeben, nachdem sich die terroristischen Aktivitäten gegen Saudi-Arabien selbst und die saudische Führung richteten. Weiterhin ungeklärt und offen bleibt die mögliche finanzielle und materielle Unterstützung bei der Entstehung und den Anfängen des sogenannten Islamischen Staates.
Die Beziehungen zu den USA sind mit dem Amtsantritt des 45. US-Präsidenten in eine neue und intensivere Phase getreten. Bei seiner ersten Auslandsreise überhaupt reiste Trump nach Saudi-Arabien, um Milliarden-schwere Waffenverkäufe abzuschließen. Sein Kommentar: „Jobs! Jobs! Jobs!“ Es gab keine Kritik an dem zumindest zwielichtigen saudischen Verhalten in Syrien und Irak und insbesondere nicht an dem desaströsen Kampf im Jemen. Der größte Feind Saudi-Arabiens, und diesbezüglich mittlerweile im Bunde mit den USA, ist der Iran. Der uralte Streit zwischen der Sunnitischen Vormacht Saudi-Arabien und der schiitischen Vormacht Iran wird auch im Kampf um die Vormacht am Golf auf dem Rücken der Menschen und Völker auf der arabischen Halbinsel ausgetragen. Dagegen tritt sogar der Feind-Status Israels aus Sicht der arabischen Welt mit 18 % gegenüber dem Iran mit 53 % in den Hintergrund.

Europa spielt in diesem Spiel der unterschiedlichen Interessen und Kräfte praktisch keine Rolle mehr.
Und mittendrin Deutschland, zerrissen zwischen menschenrechtlichen und politischen Kritiken an Saudi-Arabien selbst und der Destabilisierung der Region durch die einseitige, nicht mehr neutrale Politik der westlichen Führungsmacht USA und den eigenen , insbesondere rüstungswirtschaftlichen Interessen. Aber: trotz zahlreicher öffentlicher Kritik, weiter Geschäfte mit Saudi-Arabien zu betreiben und sich nicht wegen der politischen und Menschenrechtssituation von dem Königreich abzuwenden: es gibt eben einen Unterschied zwischen Realpolitik und idealistischen Wunschvorstellungen.

Wie kann/könnte es weitergehen?
Trumps Ressentiments gegen den Iran bieten die Chancen langfristiger Kooperation mit Saudi-Arabien. Damit wäre auf absehbare Zeit ein wichtiger Verbündeter gesichert. Aber: Im direkten Machtkampf mit dem Iran droht sich Saudi-Arabien zu übernehmen. Der Krieg im Jemen reibt die schwache saudische Armee dauerhaft auf. Auch die Krise mit Katar stärkt eher die Position des Iran.
Andererseits hat MBS aufgrund seines jungen Alters die Chance, sein Land bei richtig angesetzten Reformen für die Zeit nach dem Öl-Boom fit zu machen. Die jetzt von ihm eingeleiteten, längst überfälligen Reformen sind allenfalls ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung - aber: sein Rückhalt in der Königsfamilie ist sehr fragil und sein internationaler Ruf ist beschädigt!
Und: der Ölboom, und damit die Grundlage des Wohlstands im Lande, kann wegen der infolge des Klimawandels erzwungenen Abkehr insbesondere der Industrienationen von der Nutzung fossiler Brennstoffe viel schneller zu Ende sein, als bisher angenommen! Insofern ist das Königreich Saudi-Arabien in mancher Hinsicht ein unangenehmer, in jedem Falle aber ein problematischer Verbündeter des Westerns!


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