Sektion Saar

Sektion Saar

Montag, 23.04.2018 - 19:30

China - eine fragile Supermacht?

Vortrag und Diskussion
Referent: Prof. Dr. Sven Bernhard Gareis

Prof. Dr. Sven Bernhard Gareis ist Honorarprofessor am Institut für Politikwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Im Rahmen seiner Dienstzeit als Offizier der Fernmeldetruppe studierte er an der Universität der Bundeswehr in München Pädagogik, Politikwissenschaften und Soziologie und promovierte dort im Jahr 1989. Nach seiner Dienstzeit folgten wissenschaftliche Verwendungen an diversen Einrichtungen der Bundeswehr. Seit 2011 am George C. Marshall European Center for Studies in Garmisch-Partenkirchen. Seine Verwendungen als Reserveoffizier führten ihn u.a. als Verteidigungsattache nach Peking. 2002 nahm er am Internationalen Lehrgang der Nationalen Verteidigungsuniversität der Volksrepublik China teil.

Ort: Offizierheim Saarlouis neben der Graf-Werder-Kaserne - Wallerfangerstraße 33 , 66740 Saarlouis
Organisator: Oberst a.D. Klaus Zeisig kzeisig@web.de
06873 / 66 83 59

Zum Thema „China – eine fragile Supermacht?“ referierte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Sven Bernhard Gareis, der auf besondere Kenntnisse über China auch als Absolvent eines Lehrgangs an der Internationalen Verteidigungs-Universität Chinas und als mehrmals wehrübender Verteidigungsattaché an der Deutschen Botschaft in Peking zurückblicken kann.

Mit der Ausrufung der Volksrepublik China am 01. Oktober 1949 durch Mao Zedong erwachte das in früheren Jahrhunderten dominante Welt-„Reich der Mitte“ gleichsam zu neuem Leben. Zwar „fraß die Revolution“ analog der aus der griechischen Mythologie stammenden These noch bis tief in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts millionenfach „ihre Kinder“, aber in den letzten ca. 30 Jahren hat China einen rasanten wirtschaftlichen und machtpolitischen Aufschwung genommen.

Seit der Auflösung der bipolaren Welt des Kalten Krieges und dem kurzen Zwischenspiel der von den USA dominierten unipolaren Welt verschieben sich die Machtverhältnisse hin zu einer globalisierten Weltordnung, in der die Verhältnisse der neuen Machtzentren zueinander auch vor dem Hintergrund der Unberechenbarkeiten Trump‘scher Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik noch nicht erkennbar und austariert sind.

In dieser Situation hat sich Xi Jinping in China gerade als „Führer auf Lebenszeit“ mit unvorstellbaren Machtbefugnissen ausstatten lassen (Parteichef, Staatspräsident (auf Lebenszeit?), Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee, Vordenker, Kern der 5. Führungsgeneration). Er steht damit auf einer Ebene mit Mao Zedong und Deng Xiaoping.

China gewinnt wachsenden Einfluss in der Welt: 
- Mit bald 1,4 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichstes Land der Welt, 
- Zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, 
- Offensive Ressourcen- und Energie-Diplomatie insbesondere, aber nicht nur in Afrika, 
- Umfassende Streitkräfte-Reform, 
- Verstärkte maritime Präsenz, 
- Export politischer Ideen.

Xi Jinpings „Chinesischer Traum“ ist die Erneuerung der chinesischen zur führenden Nation der Welt.

Bausteine dazu sind: 
- Die Wiederbelebung der pankontinentalen Seidenstraßen-Idee mit einem mehrere Milliarden Dollar umfassenden Finanz-Volumen, 
- Die Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank mit 57 Staaten als Gründungsmitglieder, 
- Ausübung einer starken Rolle in den Vereinten Nationen, 
- Die besonders starke Ausprägung der Beziehungen unterschiedlichster Art zu Afrika, 
- Die Betonung und zur Schaustellung chinesischer Interessen in der (von China fernen) Arktis.

Als außenpolitische Risiken bilden sich mehrere Felder heraus: 
- Nordkoreas nuklear-ballistische Ambitionen (hier deutet sich eventuell in jüngster Zeit auch wohl dank der Einflussnahme Chinas eine Entspannung an), 
- Die Verletzlichkeit der für China besonders wichtigen Seewege, 
- Die Rivalitäten insbesondere mit Japan (aber auch mit den USA!) um die Vorherrschaft und Interessenssphären im Chinesischen Meer, 
- Die territorialen Streitpunkte mit Chinas Nachbarn.

Durch die rasante Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat sich im Innern eine Vielzahl bisher nicht gelöster Probleme angesammelt und aufgestaut: 
- Die soziale Lage mit den horrenden Unterschieden zwischen stark entwickelten Wirtschaftszentren und unvorstellbarer Armut in nicht entwickelten Landzonen, 
- Das Problem der rund 200 Millionen Wanderarbeiter mit ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen, 
- Die demographische Entwicklung mit den Folgen für Ernährungs- und Energiebedarf, 
- Das Problem der Minderheiten und deren Rechte, 
- Die bisher ausgebliebenen Wirtschaftsreformen, 
- Umweltprobleme mit unvorstellbaren Ausmaßen und erheblichen gesundheitlichen Folgen, 
- Die weit verbreitete Korruption, 
- Fehlende politische Reformen.

Die spannende Frage ist: welche Entwicklung wird China nehmen? Geht der Weg mehr in Richtung Reformen und Öffnung, oder werden zum Zwecke der Machterhaltung des zentralen Systems Liberalisierungsbewegungen mit allen (auch militärischen) Mitteln unterdrückt?

Die wichtigste Aufgabe der chinesischen Führung besteht in der Aufrechterhaltung der politischen Ordnung und der inneren Entwicklung des Landes auf Basis des Machtmonopols der Kommunistischen Partei. Hierbei ist sie maßgeblich vom weiteren wirtschaftlichen Erfolg des Landes abhängig – wird aber auch nicht ohne politische Reformen auskommen können.

Mit zunehmender globaler Verflechtung vor allem im wirtschaftlichen Bereich tritt die VR China in der internationalen Politik aktiver, machtbewusster und mit wachsendem Gestaltungswillen auf.

China bleibt aber auf lange Sicht auf ein kooperatives regionales und globales Umfeld angewiesen. Dieses zu schaffen und zu erhalten ist seine erste außenpolitische Priorität. Vor allem die innenpolitischen Imperative lassen erwarten, dass China grundsätzlich weiter an einer eher kooperativen Außenpolitik festhält, seine weltpolitische Position aber weiter ausbauen und festigen will.

Für eine weiterhin prosperierende Entwicklung braucht China eine harmonische Weltordnung. Dem stehen die territoriale Streitigkeiten mit Nachbarn, die derzeit noch offene Entwicklung der Lage auf der koreanischen Halbinsel mit möglichen Auswirkungen auf die eigenen Ostprovinzen und einer drohenden Machtverschiebung zugunsten der USA gegenüber.

Andererseits bieten die Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit des derzeitigen US – Präsidenten einer besonnenen chinesischen Führung Möglichkeiten, die USA als Weltordnungsmacht abzulösen.


zur Sektion

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:              
Reichstagufer 14, 10117 Berlin  
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.

 

 

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.