Sektion Saar

Sektion Saar

Samstag, 26.10.2019 - 08:30

Deutschland und Europa vor aktuellen Herausforderungen

Sicherheitspolitischen Seminar - Reservistenverband/Landesgruppe Saarland in Zusammenarbeit mit der GSP-Sektion Saar

In der Europäischen Union ist ein neues Parlament gewählt worden. Das neue EU-Parlament ist bereits zusammengetreten. Zum 01. November 2019 wird die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufnehmen. Für die Kommission ist überraschenderweise mit der Deutschen Ursula von der Leyen bisher nur der Posten des/r Kommissionspräsidenten/in nach heftigen parlamentarischen Auseinandersetzungen besetzt worden. Die detaillierte Zusammensetzung der Kommission steht noch aus.

In Europa gärt es.
Der neue Premierminister Großbritanniens will offensichtlich mit Bauernschläue und einem gehörigen Maß an Unverfrorenheit den Brexit vollziehen – koste es, was es wolle.
In Italien spielt der bisherige Innenminister Salvini aus persönlichem Macht-Kalkül mit dem Feuer.
Ungarns Orban will mehr Einfluss für die Visegrad-Staaten auf die EU-Politik gewinnen.
Die Europäische Migrations- und Integrationspolitik gleicht einem Scherbenhaufen.
Und als ob das alles noch nicht reicht:
US-Präsident Trump treibt mit seiner Politik die Weltwirtschaft in eine Krise. Die globalen Einfluss-Bereiche werden an Europa vorbei neu aufgeteilt. Die Sicherheitslage in Nah-Mittel-Ost ist trotz militärischem Sieg über den IS längst noch nicht stabilisiert und droht mit dem von den USA ausgelösten Konflikt mit dem Iran in eine weitere kriegerische  Auseinandersetzung abzugleiten.

Im Zuge von 4 Seminar–Vorträgen mit anschließenden Aussprachen sollen die jeweiligen Gegebenheiten mit ihren Herausforderungen für Deutschland und Europa beleuchtet werden.

Programm

bis 08:30 Uhr                         Eintreffen der Teilnehmer -    Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten

08:45 Uhr                               Begrüßung

  • Landesvorsitzenden    SFw d.R. Rudi Herrmann
  • SL GSP-Saar              Oberst a.D. Klaus Zeisig

09:00 Uhr                              Referent: Prof. Dr. Johannes Varwick, Präsident GSP
„Europa nach den Wahlen – Chancen und Risiken einer stärkeren Integration zur Wahrung europäischer Interessen“

10:30 Uhr                               Kaffeepause

10:45 Uhr                              Referent: Prof. Dr. Thomas Jäger
„Die USA, China und Russland ordnen die Welt gerade neu-und Europa schaut zu?“

12:15 Uhr                                                      Mittagessen

13:15 Uhr                              Referent: Dr. Kinan Jäger
Die aktuelle Sicherheitslage in Nah-Mittel-Ost – Mögliche Lösungsansätze oder unlösbares Dilemma?“

14:45 Uhr                               Referent: Fregattenkapitän Karsten Kosbi

„ Die Deutsche Marine in internationalen Einsätzen – von Seenotrettung im Mittelmeer bis Absicherung sicherer Schifffahrts-Handelswege in der Straße von Hormus?

ca. 16:00 Uhr                          Ende der Veranstaltung -  Verabschiedung der Gäste

Ort: Graf-Haeseler-Kaserne, Mannschaftsheim - Dillinger Straße 9 , 66822 Lebach
Organisator: Oberst a.D. Klaus Zeisig kzeisig@web.de
06873 / 66 83 59

 

Das in diesem Jahr neu gewählte Parlament der Europäischen Union hat gerade seine Arbeit begonnen, die Europäische Kommission konnte ihren offiziellen Dienst noch nicht termingerecht zum 01.11.2019 aufnehmen, da einige von den Ländern vorgeschlagene EU - Kommissare  noch nicht vom EU – Parlament bestätigt wurden.
In dieser Übergangsphase stürmt eine ganze Reihe zu bewältigender Herausforderungen  auf Europa ein, die – mit unterschiedlicher Brisanz – einer dringenden Lösung bedürfen.  Da sind zunächst einmal EU-intern das immer noch nicht gelöste Brexit-Problem, ebenso wie das immer noch ungelöste Migrationsproblem, die mangelnde Rechtsstaat–Konformität einzelner Staaten, der zunehmende und die Grundelemente der Demokratie zerstörende Populismus insbesondere am rechten Rand des politischen Spektrums, sowie in der Summe die Gefahr der inneren Abwendung  ganzer Bevölkerungsschichten von der europäischen Idee.   
Dies allein sind schon Herkules-Aufgaben für die politisch Verantwortlichen, die noch potenziert werden durch außen- sicherheitspolitische und wirtschaftliche Veränderungen um Europa herum. Da ist zum einen die erratische Außenpolitik des US-Präsidenten Trump, der die USA immer mehr von Europa entfernt, die Verlässlichkeit der NATO immer mehr in Frage stellt und untergräbt, der mit den Kurden langjährige Verbündete brutal im Stich lässt und die Willkür Erdogans in der Krisenregion erst ermöglicht, der gleichsam ohne Not den Konflikt mit dem Iran auf irrationale Weise anheizt, der ebenso ohne Not einen weltweiten Handelskrieg insbesondere gegen China, aber auch gegen Europa und Japan mit verheerenden Folgen losbricht und sich selbst vom nordkoreanischen  Despoten wegen einiger medienwirksamer Bilder an der Nase durch den Ring führen lässt.
Genügend Gründe für die GSP-Sektion Saar, um sich in Zusammenarbeit mit dem Verband der Reservisten im Saarland in einem gut besuchten ganztägigen Seminar in Lebach mit den aktuellen Herausforderungen für Deutschland und Europa zu befassen.
Hierzu konnten mit Prof. Dr. Johannes Varwick, Präsident der GSP und Lehrstuhlinhaber an der Uni Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Thomas Jäger, Lehrstuhlinhaber an der Uni Köln und   Dr. Kinan Jäger, Uni Bonn, namhafte und aus Funk und Fernsehen bekannte Experten gewonnen werden.

In dem Vortrag von Prof. Dr. Varwick ging es zunächst um die Chancen und Risiken einer stärkeren Integration, um überhaupt die Interessen Europas in einem veränderten Umfeld wahrnehmen zu können. Der bisherige Zustand der Integration ist absolut unzureichend. Will
Europa angesichts des veränderten und sich verändernden Umfelds (s.o.) seine Interessen (besser) zur Geltung bringen, geht kein Weg an einer stärkeren Integration vorbei. Die Antwort auf die Frage, ob Europa Außen-  und Sicherheitspolitik kann, muss mit Blick auf die zurückliegenden Jahre mit einem klaren „NEIN“ beantwortet werden. Betrachtet man mögliche künftige Entwicklungen, so bieten sich 3 Szenarien an: eine Neu-Gründung der EU – ein sich weiter Durchwurschteln, oder – eine weitere Erosion der EU. Die Erosion der EU zurück zu den Nationalstaaten muss eigentlich von jedem historisch, logisch und vernünftig Denkenden ausgeschlossen werden. Die EU ist ein Friedensgarant (seit der europäischen Einigung gab es zwischen den beteiligten Staaten, im krassen Gegensatz zu früheren Jahrhunderten, keine Kriege mehr in Europa!). Die Rückentwicklung der Integration würde nicht zu voller Souveränität oder alter mythischer Glorie einzelner Staaten führen, wie es z.B. die Brexiteers in Großbritannien ihrem Volk weißmachen wollen, sondern  in die faktische Abhängigkeit einiger weniger Supermächte (so Donald Tusk, scheidender EU-Ratspräsident schon 2017).                          
Ein Durchwurschteln ist angesichts der Herausforderungen auch keine Lösung, eine Neugründung wäre wohl ein nicht zu bewältigender Kraftakt.
Also nicht „Durchwurschteln wie bisher“, sondern konstruktive und konsequente Weiterentwicklung schon vorhandener Ansätze!
Hierzu zwingt schon das Gebaren der Trump‘schen Regierung. Europa muss sein Schicksal, seine Außenpolitik, seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die eigenen Hände nehmen. Hierzu kann als Instrumentarium die von der derzeitigen EU-Kommissionspräsidentin seinerzeit als deutsche Verteidigungsministerin mit initiierte  Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) - (englisch Permanent Structured Cooperation, kurz PESCO) dienen. Hieran sind bis auf Großbritannien, Dänemark und Malta alle übrigen 25 EU-Staaten beteiligt.
Auch die Regularien der EU bedürfen der Anpassung, um handlungsfähig und reagibel zu werden. Es darf nicht sein, dass Einzelne die Handlungsfähigkeit der EU durch ein Veto blockieren! In einigen Politikfeldern gibt es schon ein Umorientieren (z.B. bei der Aufnahme aus Seenot Geretteter). Dieses Prinzip muss sinnvoll weiter ausgebaut werden – auch mit der Folge der Kürzung von EU-Mitteln für Solidaritätsverweigerer!
Es gilt also: Visionen zu erhalten und  pragmatisch zu denken - Ängstlich vor der Gefahr des Scheiterns untätig zu bleiben oder den großen Sprung zu wagen - Mehr Europa an der richtigen, weniger Europa an der falschen Stelle anzustreben.

Prof. Dr. Thomas Jäger befasste sich dann mit der globalen und internationalen Ordnung der Welt. Eine Weltordnung, die sich im Umbruch befindet und auf die Europa zumindest in der bisherigen Verfasstheit keinen Einfluss hat. Hier rächen sich die Fehler der Vergangenheit und produzieren nur kärgliche oder gar faule Früchte.
Die USA nehmen auf die Belange jahrzehntelanger Verbündeter wie Europa keine Rücksicht.China treibt sein Neues-Seidenstraßen-Konzept voran, baut sich ein weltweites Handels- und Stützpunktsystem aus und nutzt dabei seine finanzielle Stärke, um z. B. auch EU-Staaten wie Griechenland und Italien in seine Abhängigkeit zu bringen (mit der Folge, dass diese kritische Resolutionen der EU gegenüber China wegen dessen Menschenrechts-politik blockieren).
Russland ist in diesem „Dreier-Konsortium“ der Schwächste. Seine Stärke basiert überwiegenden bis ausschließlichen nur auf der wiedererlangten Stärke seines Militärapparates.
Die EU scheint zumindest derzeit kein bevorzugter Gesprächspartner für die drei die Interessenssphären unter sich aufteilenden Mächte zu sein.

Schließlich befasste sich Dr. Kinan Jäger mit der aktuellen Sicherheitslage in Nah-Mittel-Ost, denn die weiterhin ungelöste Lage hat mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf Europa. Die sprunghafte und oftmals nicht nachvollziehbare Politik Trumps hat den Einmarsch der Türkei mit Unterstützung der Russen in Nordsyrien erst ermöglicht. Einen schäbigeren Verrat, wie ihn Trump an den Kurden, den jahrelangen Verbündeten  der USA im Kampf gegen den IS, die unter hohem Blutzoll entscheidend zum militärischen Sieg über den IS beigetragen haben, kann man sich schlechthin nicht vorstellen. Folge der Trump-„Politik“:
die Kurden schlossen sich notgedrungen mit dem verhassten Unterdrücker des syrischen Volkes zusammen, die Türkei hat völkerrechtswidrig Teile eines fremden Landes besetzt und – ein Großteil der immer noch fanatischen IS-Kämpfer konnte aus den Gefängnissen entfliehen!
Sieht man mal von den unschönen, partei-politisch engstirnigen „Reaktionen“ des sonst in dieser Krisenregion bisher nicht sonderlich auffällig gewesenen deutschen Außenministers ab, dann hätte der Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin, über die UNO eine von der geführte Schutzzone einzurichten, ernsthaft geprüft werden sollen. So werden wir es in Europa ggf. wieder mit ansteigenden Flüchtlingsströmen zu tun bekommen.

Im letzten Programmteil des Seminars befasste sich Fregattenkapitän Karsten Kosbi vom Marinekommando Rostock mit den Beiträgen der Marine im Zuge der internationalen Einbindung der Marine weltweit und dem Stand der Ausrüstungsplanung wesentlicher Schiffseinheiten.

 

 

     
     

 

 

 

 

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