Sektion Saar
Auslandseinsätze der Bundeswehr – hat sich das alles gelohnt?
Der seinerzeitige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Winfried Nachtwei, dort zuletzt sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern durch ständige Reisen in die Krisenregionen und insbesondere nach Afghanistan die Einsätze der Bundeswehr begleitet und kann auch heute noch mit hoher Kompetenz zu dieser Thematik beitragen.
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von Oberst a.D. Klaus Zeisig, Sektionsleiter der GSP-Sektion Saar
Das sicherheitspolitische Umfeld Europas hat sich gewandelt und erfordert von Deutschland und Europa deutlich mehr Eigenverantwortung insbesondere in der Sicherheitsvorsorge im Umfeld Europas, um nicht gänzlich ins Hintertreffen und in die Abhängigkeit anderer zu geraten. Anlass für die GSP-Saar, das bisherige sicherheitspolitische Engagement Deutschlands zusammen mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
Kaum ein außen-und sicherheitspolitisches Thema ist in Deutschland so umstritten wie Einsätze der Bundeswehr außerhalb des engeren NATO-Statuts. Außer im Verteidigungsfall stehen deutsche militärische Auslandseinsätze unter dem Vorbehalt des Bundestages („Parlaments-Armee“).
Schon seit den 1960er ist die Bundeswehr an Auslandseinsätzen beteiligt. Dies waren seinerzeit zunächst ausschließlich nur Internationale Hilfseinsätze bei Erdbeben, Naturkatastrophen, zur humanitären Hilfe. Sie waren notwendig, vom Gedanken der Hilfsbereitschaft geprägt und halfen, die schlimmste Not in den Einsatzgebieten zu lindern.
Darüber hinausgehende Einsätze wurden von allen bundesdeutschen Regierungen stets mit dem Hinweis auf die Belastungen durch die deutsche Geschichte und im Zuge des Ost-West-Gegensatzes auf die besondere zweigeteilte Lage Deutschlands und sich daraus ergebende Komplikationen abgelehnt. Man hatte es sich gleichsam im Beobachter-Sessel des Weltgeschehens bequem gemacht und übte sich in Betroffenheit und Ermahnungen zur Mäßigung.
Mit der Zeitenwende 1989/90 änderten sich die internationalen Rahmenbedingen und die internationalen Forderungen an Deutschland zur aktiveren Beteiligung bei der Krisenbewältigung und Friedenswahrung nahmen zu.
Nach grundsätzlicher Klärung der Verfassungsmäßigkeit deutscher Beteiligung auch an internationalen Kampfeinsätzen im Rahmen der Völkerrechts und auf der Grundlage eines UNO-Mandats durch das Bundesverfassungsgericht änderte sich die Qualität deutscher Beteiligungen an internationalen Einsätzen ab Mitte der 1990er Jahre. Kampfeinsätze auch der Bundeswehr wurden zum „Normalfall“.
Neben zahlreichen „kleineren“ Einsätzen in unterschiedlichen Regionen der Welt, vornehmlich auf dem afrikanischen Kontinent von Somalia bis heute Mali, gab es zwei Schwerpunkte der Auslandseinsätze deutscher Soldaten – zunächst in Europa selbst auf dem Balkan im Zuge des Zerfalls des ehemaligen Jugoslawien, und dann nach dem Luft-Anschlägen 2001 in New York und Washington in Afghanistan.
Die unterschiedlichen Missionen bis zuletzt zum unlängst beendeten KFOR-Einsatz hatten im Wesentlichen das Ziel, Gräueltaten und Verbrechen an der Zivilbevölkerung zu vermeiden oder zumindest einzudämmen und den Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen zu unterstützen.
Mit „Srebrenica“ gab es den hässlichen, unverzeihlichen Tiefpunkt in diesem Bemühen, der in gleicher Weise wie der Völkermord in Ruanda als Schandfleck und Menetekel letztlich für das Versagen der UNO haften bleiben wird.
Jenseits dieses Versagens internationaler Politik kann man aber, gemessen an der erwähnten Zielsetzung, durchaus von einem Erfolg des internationalen Militäreinsatzes unter deutscher Beteiligung auf dem Balkan sprechen.
Afghanistan wird die GSP-Sektion Saar in diesem Jahr noch einer gesonderten Betrachtung unterziehen.
Das militärische Ziel des internationalen Militär-Einsatzes nach den Anschlägen des 11.September 2001 mit über 3000 Toten, das Taliban-Regime in Afghanistan und damit auch die Ausbildungslager für internationale Terroristen zu beseitigen, wurde binnen Kurzem erreicht.
Hier zeigte sich aber (nach Vietnam zum wiederholten Male, wie auch dann im Irak und in Libyen), dass Militäreinsätze ohne schlüssige politische Zielkonzepte keine Konflikte lösen können. Insbesondere zwischen Deutschland und den USA gab es nach der schnellen Beseitigung des Taliban-Regimes erhebliche Differenzen über die weitere Vorgehensweise. Jahre wurden ungenutzt vertan. Der Negativ-Effekt wurde noch durch mangelnde interkulturelle Kompetenz insbesondere von US-Soldaten verschärft.
Immerhin hat etwa ab 2009/10 eine strukturierte Ausbildungs- und Aufbauhilfe eingesetzt, die zwar Teilerfolge gebracht, aber letztlich noch nicht zum Durchbruch zu einer umfassenden Versöhnung der bisherigen Gegner geführt hat. Mittlerweile ist auch der in Syrien und im Irak militärisch besiegte IS in Afghanistan aktiv. Und so liegt die weitere Entwicklung in Afghanistan im Ungewissen.
Um den anstehenden Herausforderungen an Deutschland überhaupt substantiell gerecht werden zu können, müssen zunächst erstmal dringlich die Folgen der Sünden der letzten 30 Jahre beseitigt werden.
Angesichts der teils dramatischen Mittelverknappung im deutschen Verteidigungshaushalt – man fühlte „sich ja nur noch von Freunden umgeben“! – wurde die Bundeswehr über Jahre schwerpunktmäßig nur noch auf die Auslandseinsätze ausgerichtet, mit der Folge sträflicher Vernachlässigung der Fähigkeiten zum eigentlichen verfassungsmäßigen Auftrag der Bundeswehr, der Landes- und Bündnis-Verteidigung (Art. 87a GG: „Der Bund stellt Streitkräfte zu seiner Verteidigung auf“). Spätestens nach Putins völkerrechtlicher Annexion der Krim und des von Russland unterstützten Separationskrieges in der Ost-Ukraine erfolgten ein Umdenken und eine wieder stärkere Besinnung auf den Verteidigungsauftrag. Hierzu bedarf es aber, unabhängig von der ominösen „2 %-Verpflichtung“, einer signifikanten Erhöhung des Verteidigungshaushalts, schon allein um die eingetretenen erheblichen Mängel in der materiellen Einsatzbereitschaft der Truppe zu beheben.