Sektion Wetzlar/Lahn-Dill

Sektion Wetzlar/Lahn-Dill

Donnerstag, 06.02.2020 - 19:00

Libyen und die Partner des Westens

Libyen gilt mittlerweile als Failed State, als zerfallener Staat. Immer mehr internationale Akteure mischen bei den Kämpfen im Land mit und entsenden Waffen, Soldaten oder sogar Söldner. Die meisten wollen Zugriff auf die reichen Erdölreserven des Landes. Die EU treiben aber andere Motive um. In Brüssel will man vor allem einen Verhandlungspartner auf nordafrikanischem Boden, mit dem man einen Flüchtlings-Deal einfädeln kann. Ob dafür die Regierung unter Saradsch in Tripolis allerdings der richtige Partner ist, stellen immer mehr Experten in Frage. Vor allem aber ist die EU wieder einmal uneins und in libyscher Sache bekämpfen sich die ehemalige Kolonialmacht Italien und das von neo-kolonialen Ambitionen nicht ganz freie Frankreich gegenseitig. Während General Haftar aus dem Osten das Land aufrollt und schon unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt Tripolis steht, präsentiert sich Deutschland als ehrlicher Friedensvermittler und lehnt (vorerst noch) einen Einsatz deutscher Soldaten in Libyen ab. Bis dahin sind Erdogan und Putin die lachenden Dritten und zeigen, wie man Geopolitik macht.
Vortrag und Diskussion
Referent: Prof. Dr. Andreas Dittman

Prof. Dr. Andreas DITTMANN ist auch bekannter Gesprächspartner bei sicherheitspolitischen Sendungen im TV-Abendprogramm großer Sender,
zudem Autor und vielgereister Kenner u.a. auch von Libyen und den angrenzenden Gebieten Nordafrikas und zugleich Leiter der Geografie der JLU Giessen.

Weitere Informationen zu Prof. Dr. Andreas DITTMANN finden Sie hier auf der Homepage der Justus-Liebig-Universität GOESSEN.

Ort: im Cafe Waldhof - Magdalenenhäuser Weg 40 , 35578 Wetzlar
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Hartmut Großkreuz , Sektionsleiter sylgrk@gmx.de
Birkenweg 6, 35630 Ehringshausen  0152 / 06855020

Der Vorsitzende der Wetzlarer GfS-Sektion H. Großkreuz und Prof. Dittmann im Gespräch mit der 20-jährigen Iranerin Nazanin Hosseini Alemi und dem 24-jährigen Syrer Majed Aldin Al Gadban, die beide in 2015 als Flüchtlinge nach Wetzlar kamen und sich derzeit am Hessenkolleg auf ihr Abitur vorbereiten. Anschließend werden sie sich um einen Medizinstudienplatz bewerben.


Prof. Dr. Andreas Dittmann beim Vortrag

von Klaus Petri, freier Journalist

Einen kenntnisreichen und aufschlussreichen Vortrag zum Thema „Libyen – was geschieht mit dem zerfallenen Land?“ hielt der Gießener Geographie Professor Andreas Dittmann auf Einladung der „Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.“ (GSP) vor 40 Gästen im Wetzlarer Café Waldhof.

„Libyen ist für Europa derzeit weniger wegen seines Ölreichtums von Interesse. Ein intaktes Staatsgebilde wird zur Abwehr von Migration aus Afrika gebraucht“, lautete die zentrale These des 1959 in Niederweidbach geborenen Libyen-Experten. Der Unterschied zur Situation von vor 20 Jahren: „Die damaligen Bundesminister Otto Schily und Joseph Fischer machten klammheimlich einen Deal mit Machthaber Gaddafi. Der installierte mit EU-Geldern Auffanglager für Flüchtlinge aus dem Süden in der libyschen Wüste.“ Für die meisten Europäer sei das Problem damit „aus dem Auge, aus dem Sinn“ geblieben. Heute fänden die europäischen Länder in dem Bürgerkriegsland keinen autorisierten Ansprechpartner für einen solchen, damals noch schamhaft beschwiegenen Handel mit dem nordafrikanischen Land: „Misurata und die Gegend um Tripolis werden noch von Muslimbrüdern und dem offiziell anerkannten Präsidenten al Sarradsch kontrolliert. Der größte Teil des Landes und 85 Prozent der Ölvorkommen beherrscht hingegen der von Frankreich, Russland, Ägypten, Saudi Arabien, den VAE und Sudan unterstütze General Chalifa Haftar. Der war mal ein Getreuer von Gaddafi, fiel in Ungnade, galt dann als CIA-Mann und macht jetzt militärisch einen kompetenten Job“, erfuhren die Zuhörer. Eine direkte Begegnung der beiden Widersacher auf der Berliner Libyen-Konferenz vor zwei Wochen kam nicht zustande. Aber immerhin seien alle Eingeladenen auch gekommen. „Statt einer staatlichen Polizei und eines nationalen Militärs beherrschen derzeit Milizen und Warlords die Szenerie. Der Rückhalt für Sarradsch schwindet. Die Ölvorkommen - früher die Quelle für Reichtum in dem 6,4 Mio Einwohner Land – sind heute der Grund für Begehrlichkeiten von außen - und damit für die Zerrissenheit des Landes“, erläuterte der Referent.

Dass sich Deutschland in 2011 dem vor allem als Luftkrieg geführten Waffengang von Frankreich, Großbritannien und den USA verweigert habe, wertet Dittmann im Nachhinein als kluge Entscheidung, weil Deutschland so als „ehrlicher Makler“ Akzeptanz finden könne. Bezüglich der auf der Berliner Libyen-Konferenz getroffenen Beschlüsse (Waffenembargo und Waffenruhe) sei Skepsis angebracht. GSP-Sektionsleiter Hartmut Großkreuz teilte mit, dass weiterhin Dutzende Nachflüge von Militärtransportern in das Krisengebiet stattfinden. Das Land drohe dauerhaft in einen Ost- und einen Westteil zu zerfallen, befürchtet Dittmann. Für eine etwaige künftige gesamtlibysche Regierung gebe es große Herausforderungen, um das Staatsgebilde zu rekonstruieren: Wiederaufbau, Diversifizierung der Wirtschaft, Lösung des Wasserproblems und eine Bildungsoffensive.

Der Lehrstuhlinhaber aus Gießen hatte vor einigen Wochen mit seinem Institut in Mittelhessen eine eigene Libyen-Konferenz organisiert. Stichwortartig ließ er die Ära Gaddafi Revue passieren – mit: Lockerbie-Bombenattentat, „Grünes Buch“, Frauen-Emanzipation, Panarabismus und Protektor einer gesamtafrikanischen Identität. Der Schweiz erklärte der Exzentriker kurzerhand den Krieg, seine kleine Tochter wurde durch eine NATO-Rakete im Bett des Vaters getötet und von Deutschland forderte er eine Entschädigung für von Rommels Afrika-Korps 1942 hinterlassene Landminen.

„Kann Entwicklungshilfe gelingen?“ „Müssen die ehemaligen Kolonialmächte nicht in die Pflicht genommen werden?“ „Wie umgehen mit dem Migrationsdruck aus Afrika?“ Diese Fragen bestimmten die engagierte Diskussion nach dem Vortrag. Nach Einschätzung von Andreas Dittmann möchten die Menschen in Libyen Chaos und Krieg hinter sich lassen: „Die Älteren schauen da auf General Haftar als Ordnungsfaktor und Gaddafi-Erbe. Die Jüngeren möchten zu neuen Ufern mit mehr demokratischen Rechten und Freiheiten durchstarten.“


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