Sektion Ostwürttemberg
Strategische Machtveränderungen im Nahen Osten
- Die EU nur Zaungast? -
Dr. Kinan Jäger, geboren 1966 in Damaskus ist ein deutscher Politologe, Geograph und Publizist. Nach seinem Abitur in Bonn studierte er im Anschluss von 1985-1001 Geographie, Politik und Islamwissenschaft in Bonn, Damaskus und Brisbane (Australien). Er erwarb sein Diplom (Geographie) an der Uni Bonn (Thema): "Die Libanesen in Sydney. Räumliche Strukturen und Mobilität". Er wurde in 1994 an der Uni Bonn (Politische Wissenschaften) als Stipendiat der Fr. Naumann-Stiftung mit dem Thema: "Die Bedeutung der Palästinenser-Frage für die deutsch-israelischen Beziehungen" (5/1994) promoviert.
Seit 1996 unterrichtet Dr. Jäger im Rahmen eines Lehrauftrags am universitären Bonner Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie zu Fragen des Nahostkonflikts und der internationalen Sicherheitspolitik. Zu seinen fachlichen Forschungsschwerpunkten zählen vor allem Themen rund um die Politik und Kultur Syriens, des Libanons, des Iran und Israels. Weiterhin beschäftigt er sich mit der Entwicklung des Islam in Deutschland sowie Aspekten des Parlamentarismus, der Demokratieforschung und der deutschen Außenpolitik.
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Russlands Taktik und Strategie
Zu einem Interessanten Vortragsabend hat die Stadt Neresheim unter Bürgermeister Thomas Häfele und die Gesellschaft für Sicherheitspolitik Ostwürttemberg unter Sektionsleiter Gerhard Ziegelbauer eingeladen.
Begrüßen konnten Sie Dr. Kinan Jäger, Lehrbeauftragter am Institut Politik und Soziologie an der Uni in Bonn.
Bei aller Kritik gegenüber Russland kann festgehalten werden: Dessen „Eingreifen“ in Syrien brachte zwar nicht den erhofften Friedenszustand, aber zumindest eine Waffenruhe in weiten Teilen des Landes, die zu halten scheint. Im Gegensatz dazu war das Engagement des Westens über Jahre hinweg wenig zielführend gewesen. So ist der offene Bürgerkrieg damit vorerst einer gespenstischen Friedhofsruhe gewichen. Offenkundig haben viele Syrer vor Ort ihren Widerstand gegenüber Assad zurückgefahren - nicht zuletzt, da sein Regime für ein geringeres Übel gehalten wird als etwa eine Auseinandersetzung mit dem IS.
Kritiker des Kreml vermuten heute, dass der russische Einsatz in Syrien eine „Generalprobe“ für den jetzigen Ukraine-Krieg darstellt. Sie betrachten die Vorgänge als Anfangsphase einer postsowjetisch orientierten Strategie Putins, Russland zum Weltmachtstatus zurückzuführen. Markant ist, dass es Moskau sowohl in Syrien, als auch auf der Krim gelungen ist, hohen Gewinn zu erzielen – mit relativ wenig Aufwand und geringen eigenen Verlusten. Der Westen intervenierte in beiden Fällen nur begrenzt oder gar nicht. Der russischen Armee fielen dadurch bedeutsame strategische Positionen zu, in unmittelbarer Nachbarschaft zur EU. Die Sperrung des Bosporus in der aktuellen Ukraine-Krise verpufft weitgehend bedeutungslos, da russische Kriegsschiffe ungehindert von ihrer syrischen Mittelmeerbasis aus in den Weltmeeren agieren können. Das Bürgerkriegsland wurde für Russland auch zum Experimentierfeld für neu entwickelte Waffensysteme (Splitter-, Cluster, Vakuum- und Aerosolbomben) und für psychologischen Terror gegen die Zivilbevölkerung. Mit dem Beschuss von Krankenhäusern, Geburtenstationen und Sicherheitskorridoren sowie dem Abriegeln und Bombardieren ganzer Städte ergeben sich auffällige Kontinuitäten in der russischen Kriegsführung, die von Grosny (Tschetschenien 1995) über Aleppo (Syrien 2016) bis nach Mariupol (Krim 2022) zu reichen scheinen.
Eine rege Diskussion im Anschluss an den Vortrag rundete den Abend ab, bevor Dr. Jäger von Sektionsleiter Gerhard Ziegelbauer und Bürgermeister Thomas Häfele verabschiedet wurden mit einem Buch des Benediktinerkloster Neresheim und einheimischer Produkte.