Sektion Sigmaringen-Heuberg

Sektion Sigmaringen-Heuberg

Mittwoch, 15.11.2023 - 19:00

Russlands Krieg gegen die Ukraine nach 20 Monaten - Gründe und Perspektiven

Vortrag und Diskussion

Referent: BrigGen a.D. Reiner Schwalb , Vizepräsident der GSP - ehemaliger Verteidigungsattaché in Moskau

Reiner Schwalb trat im April 1973 in die Bundeswehr ein. Im Rahmen der Offiziersausbildung studierte er Bauingenieurwesen mit dem Abschluss Dipl.-Ing. (univ.). Später studierte er Politikwissenschaften in Washington,D.C.(M.Sc. Natl. Security Strategy) Verschiedene nationale und internationale Führungs- und Stabsverwendungen, u.a. Bataillonskommandeur des PzGen BTL 182 in Bad Segeberg, Austauschoffizier in Großbritannien, sechs Jahre in NATO-Stäben und stv. Stabsabteilungsleiter FüS V (Einsatz) im BMVg, bereiteten Ihn gut auf seine letzte berufliche Tätigkeit in Russland vor.

Von November 2011 bis August 2018 diente er als Verteidigungsattaché an der deutschen Botschaft in Moskau. Im September 2018 ging Brigadegeneral Schwalb in Pension.

Seit seinem Ruhestand gilt das besondere Interesse von Schwalb weiterhin dem NATO-Russland Verhältnis, der Frage der europäischen Sicherheitsordnung und damit auch dem Umgang mit den Nachwehen der Auflösung der Sowjetunion. Er ist noch aktiv in diversen „Expertengruppen“ zum Thema Russland und auch als Vizepräsident in der GSP (Gesellschaft für Sicherheitspolitik), im Vorstand bei WIFIS (Wissenschaftliches Forum für Internationale Sicherheit e.V.) im Köln-Wolgograd Partnerschaftsverein sowie im Verein „Wir Muttersprachler“.

Verheiratet, 2 Kinder, 2 Enkel

Ort: Sparkassenforum "Hofgarten" - Fürst-Wilhelm-Straße 12 , 72488 Sigmaringen
Organisator: Herr Oberstleutnant d.R. Bernhard Schleyer , Sektionsleiter bernhard@schleyer.de
Lenaustraße 16, 72488 Sigmaringen  07571 / 14872

Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb beim Vortrag

Die Konrad Adenauer Stiftung und die Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. - Sektion Sigmaringen – Heuberg veranstalteten einen Vortrag in Sigmaringen. Die Veranstaltung „Russlands Krieg gegen die Ukraine nach 20 Monaten“, am 15. November 2023, fand mit ca. 40 Teilnehmern in Sigmaringen im Sparkassenforum Hofgarten statt.

Zum Auftakt der Veranstaltung begrüßte Bernhard Schleyer alle Teilnehmer herzlich und leitete mit der Frage: „Welche Folgen der Krieg für die Europäische Sicherheitsordnung hat?“ den Abend ein. Danach übernahm der Referent BrigGen a.D. Reiner Schwalb, Vizepräsident der GSP – und ehe-maliger Verteidigungsattaché in Moskau.

Zum Beginn betonte Herr Schwalb in seinem Vortrag, dass der heutige Abend auf seinen persönli-chen Erfahrungen basiert und nicht unbedingt die Position der Bundesregierung widerspiegelt. Seinen Vortrag unterteilte er in drei Gliederungspunkte, die Innere Lage in Russland, der Kriegs-verlauf bis zum heutigen Tag und Perspektiven.

Mit einem einleitenden Zitat von Georg Orwell „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit“, stieg Herr Schwab in sei-nen Vortrag ein. Mit dem Zitat soll die russische Art zu Denken und zu Handeln den Teilnehmern verbildlicht werden. Denn die Innere Lage in Russland spiegelt klar eine imperialistische Haltung wider. Russland hat kein Bestreben danach die alte Sowjet Union wieder aufzubauen. Jedoch wird die Ausweitung der Nato als perzipierte Bedrohung wahrgenommen und durch Propaganda als erklärtes Feindbild unter der Bevölkerung verbreitet. Propaganda ist in vielen Ebenen zu beobach-ten, so wird in Schulen die Geschichte umgeschrieben und eine veränderte Realität geschaffen. Auch die gelebte Propaganda nach innen - Volksfeste, bei denen die militärische Macht dem Volk demonstriert wird, patriotische Kindererziehung und die Allianz zwischen Kirche und Staat – spielen eine große Rolle. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Treue zum Regime größer ist als der stille Widerstand- was einen Putsch des Systems für undenkbar macht.

Mit dem Model zur Beschreibung der Machtausübung, aus dem Buch „The Paradox of American Power“, von Joseph Nye erläutert Herr Schwab die Innere Lage in Russland näher. Das Modell unterteilt die Machtausübung in drei Unterkategorien. So beschreibt zum Bespiel „Hard Power“ die Militärische und Wirtschaftliche Macht, „Sharp Power“ die Desinformationen sowie Propaganda und „Soft Power“ die Werte und Kultur. Zu erkennen sind diese gezielten und strategischen Eingriffe bei Putin und seine Ministerien, auch genannt „Siloviki“. Was die zunehmende Verschärfung der Repressionen und die Abwendung von Demokratie erklärt.

Im zweiten Block, dem Kriegsverlauf seit dem 24.02.2022 bis Mitte März 2023, stellte Herr Schwab drei grundlegende Fehler der russischen Kriegsführung vor. Erstens rechnete Russland nicht mit einem derartigen Widerstand der Ukrainer. Putin und seine Führungsriege gingen von einer herzli-chen Begrüßung des ganzen ukrainischen Volkes aus. Zweitens wurde die Geschlossenheit von EU und Nato unterschätzt. Man ging von der Annahme aus, dass die zwei Mächte derart zerstritten sind und sich ewig in Diskussionen aufhalten würden. Drittens wurde auch die eigene militärische Stärke maßlos überschätzt. In einem Bericht der Botschaft, von 2014, wurde ein Russischer Angriffskrieg für höchst unwahrscheinlich eingestuft, da die militärische Stärke nicht für einen Sieg ausreichen würde. Leider hat man hier Russland unterschätzt, die sich mittlerweile nur noch auf das Ziel „Donbass“ fokussieren. Generell kann man zur Kriegsführung sagen, dass der Krieg kon-ventionell geführt wird. Und mittlerweile keine großen operative Bewegungen und keine großen Gefechte mehr zu sehen sind. Die Kriegszone hat sich um den Donbass festgefahren, wo die Stel-lung gehalten wird.

Diese Stagnation der Kriegsstellung wirft die Frage auf, wie es in Zukunft weiter gehen soll und welche Perspektiven es gibt? Um den Frieden in Europa wieder herzustellen, gibt es drei Szenarien. Russland gewinnt, Ukraine gewinnt oder es bleibt bei einer Pattsituation. Wobei die Pattsituation mit einem Waffenstillstand die stabilste und wahrscheinlichste Lösung darstellen würde. In der Geschichte sehen wir häufige Beispiele wie durch Waffenstillstandsvereinbarungen Kriege beendet wurden und wirtschaftliche Beziehungen wieder möglich gemacht wurden. Diese Lösung setzt jedoch Verhandlungen voraus. Neben Kernfragen zur Territorialen Ordnung, Reparationszahlungen und dem Umgang mit Kriegsverbrechen machte Schwab deutlich, dass nicht miteinander reden keine Option sein darf. Heutzutage hören wir oft, dass das Reden mit Russland und der Austausch mit Russen, aufgrund des Krieges eingestellt werden soll. Mit Schweigen und sich voneinander abwenden können jedoch keine Verhandlungen geführt werden. Herr Schwab plädiert daher für einen offenen und diplomatischen Austausch.

Im letzten Teil, hatten die Teilnehmer die Chance Fragen an Herrn Schwab zu stellen. Da das Publikum so begeistert und involviert in den Vortrag war, musste nicht lange abgewartet werden. Viele Fragen bezogen sich auf die wirtschaftliche Lage in Russland, die Folgen der wirtschaftlichen Sanktionen und wer die Verhandlungen als Mediator führen könnte. Der Abend endete mit der Gelegenheit, in Gesellschaft und einem Snack, den Abend ausklingen zulassen.

Persönlich finde ich, ist der Abend sehr gelungen! Das hoch aktuelle Thema fand hohes Interesse bei den Teilnehmern. Der Aufbau des Vortrages ermöglichte es zuerst einen guten und professio-nellen Überblick über die Lage zubekommen, anschließend verschiedenen Lösungsvorschlägen und Modelle zu vergleichen aber auch von persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zu hö-ren. Die Teilnehmer hörten interessiert dem Vortrag zu und beteiligten sich aktiv in der Fragerunde. Im Anschluss nutzen viele Teilnehmer die Möglichkeit mit Herr Schwab weiter zu diskutieren.

Ich bin sehr froh den spannenden Abend erlebt zu haben und freue mich auf weitere Abende mit der GSP Sigmaringen!

Rahel Schenk

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